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Ausgabe:

1953 Nr. 1

Spalte:

35-37

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Benz, Ernst

Titel/Untertitel:

Die abendländische Sendung der östlich-orthodoxen Kirche 1953

Rezensent:

Winter, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 1

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Verdammten in dem Verhältnis einer gewissen Kameradschaftlichkeit
, unter den Erzsündern erscheinen neben Judas Mohammed
und Luther.

Arthur Franz setzt seine Ausführungen über: Dante
zitiert — fort und handelt von seinen übersetzten Zitaten, d. h.
solchen, bei denen man wörtlich Übersetztes herauszuhören glaubt,
von der Parallelisierung antiker und christlicher Zitate und der
Verwendung antiker Zitate in christlichem Sinn, wobei die herrscherliche
Zitierweise Dantes hervortritt.

Über die Führer Dantes durch die Jenseitsreiche schreibt Julius
Wilhelm, über Pia Luigi B i a g i o n i. Wichtiger ist der
Beitrag zur zeitgenössischen Dichtung über Guido Cavalcanti, der
für Dantes Entwicklung bedeutsam war, von W. Theodor E 1 w e r t.

Die Anreden Dantes an den Leser in der Göttlichen Komödie
nimmt Hermann G m e 1 i n unter die Lupe, zeigt ihre tiefere
Bedeutung im allgemeinen, ihre geheime innere Ökonomie und
Symmetrie und weiß zum Verständnis der einzelnen Anreden,
die meist in Augenblicken höchster Spannung und in Grenzsituationen
erfolgen, manches zu bieten.

Aischa Hell stellt den Amorebegriff als das Grundmotiv
der Göttlichen Komödie dar und gibt eine Übersicht über die Bedeutungswerte
von amore bei Dante und über die Theorien von
der Liebe, die dahinterstecken. Die Ausführungen sind so überraschend
und für das Dantebild einschneidend, daß wir erst die
Fortsetzung abwarten wollen, bis wir dazu Stellung nehmen, und
noch lieber die größere Arbeit, aus der die hier vorliegende ein
Auszug ist (wie Verf. mitteilt), kennen lernen würden, affetto,
disio und besonders caritä darf man nicht, wie es Aischa Hell
S. 180 tut, als Synonyme bezeichnen.

Berlin Wilhelm Knevels

KIRCHENKUNDE: OSTKIRCHE

Benz, Ernst: Die abendländische Sendung der östlich-orthodoxen
Kirche. Die russische Kirche und das abendländische Christentum
im Zeitalter der Heiligen Allianz. Mainz: Verl. d. Akademie d.
Wiss. u. d. Lit, in Komm, bei Franz Steiner Verl., Wiesbaden [1950].
294 S., 17Taf. gr. 8° = Akademie d. Wiss. u. d. Lit. Abhandl. d.
Geistes- u. Sozialwiss. Klasse, Jahrg. 1950 Nr. 8. DM 28.—.

Das vorliegende Buch sollte eigentlich richtiger „F. v. Baader
und die russische Kirche" heißen. Schon das Inhaltsverzeichnis
zeigt, wie sehr diese Beziehung im Mittelpunkt der Untersuchungen
von Benz steht. Deutlich werden zwei Hauptteile der Arbeit:
Baaders Stellung zum Rußland Alexanders I. und zu dem Rußland
Nikolaus I. Allen Einzelheiten und Bindungen in dem gegenseitigen
Verhältnis wird gründlich von Benz nachgegangen.
Aber stets sieht der Verfasser diese an sich enge Fragestellung
in dem weiten Raum: Rußland und das Abendland, so daß das
Buch ein Beitrag wird für die abendländische Sendung der östlich-
orthodoxen Kirche, wie der Titel besagt.

Wie alle Bücher von Benz, ist auch dieses ausgezeichnet
durch eine seltene Kenntnis des Materials, das der Verfasser
vollständig zu gestalten versteht. In einen Wust von Einzelheiten
wird Ordnung gebracht. Diese Ordnung mag selbst manchmal
nicht richtig sein und zu stark von vorgefaßten Meinungen
bestimmt werden, aber es ist doch eine Ordnung, die weiterführt.
Denn es ist eine Ordnung, die nicht willkürlich dem Leser aufgezwungen
, sondern dessen Kritik unterworfen wird. Nur der
Kenner der bisherigen Forschungen kann den Grad der Ordnungskraft
von Benz voll ermessen. So werden die Bücher von Benz
stets der Ausgangspunkt für neue Forschungen. Benz untersucht
bei der ihm eigenen Präzision vor allem auch die Lücken, die
für die Forschung noch bestehen. Auch das Thema „Baader und
Rußland", das im Mittelpunkt des Buches steht, ist mit der Arbeit
von Benz keineswegs abgeschlossen, sondern nur ein, freilich
entscheidend weiterführender, Anfang.

Die Bedeutung des Buches besteht nicht so sehr in der Erschließung
neuer Quellen. Aber dem Verfasser ist es gelungen,
bedeutende Quellenarbeiten, wie die von D. Baumgardt und
vor allem von dem Franzosen E. Susini, für die Forschung erst
nutzbar zu machen. Das in diesen Werken erschlossene Material
wird in einer gerade heute besonders aktuellen Hinsicht geordnet
: Rußland und Europa im Denken eines so bedeutenden Deutschen
, wie es Franz von Baader ohne Zweifel war. Benz bewegt
sich in dieser Arbeit auf einem ihm durchaus vertrauten Terrain.
Eine Reihe von eigenen Arbeiten, die in der Literaturangabe
nicht einmal vollständig aufgezählt werden, sind in dem neuen
Buche zusammengefaßt.

Natürlich wird der Forscher, der sich mit dem Gegenstand
tiefer beschäftigt, in manchem anderer Meinung sein, wie der Verfasser
. Die religiöse Begründung der sogenannten Restauration
in der Vormärzzeit wird doch von Benz zu wenig als Verbrämung
von staatspolitischen Maximen, und zu sehr als Selbstzweck
gesehen. Dies gilt besonders für den ersten Teil der Arbeit von
Benz, wo er die Stellung Baaders zu Alexander I. herausarbeitet.
Trotzdem gelingt es dem Verfasser (S. 681), in der ihm eigenen
Formulierungskraft, eine so ausgezeichnete und kurze Definition
des politischen Katholizismus: „Metternich sah in der römischen
Kirche das brauchbarste Instrument einer Pazifizierung der Macht
und die bessere Stütze des herrschenden politischen Systems."
Damit ist aber auch die Restauration im Vormärz ausgezeichnet
gekennzeichnet.

Zu wenig erscheint in der Arbeit die Verbindung Friedrich
Schlegels mit F. v. Baader gerade in der Frage der abendländischen
Sendung der russischen Kirche herausgearbeitet. Die Hinweise
auf mein Buch „Byzanz und Rom im Kampf um die Ukraine
" genügen nicht mehr. Das enge Wechselverhältnis zwischen
Baader und Schlegel hätte jedenfalls eindringender behandelt
werden sollen, wenn Benz auch noch nicht die von mir entdeckten
historischen-politischen Tagebücher Schlegels von 1808—28
zugänglich sind. Viel zu wenig eingreifend ist ferner die Auseinandersetzung
de Maistres mit Rußland herausgearbeitet, die dann
1816 zur Abberufung de Maistres und zur Ausweisung der Jesuiten
aus Rußland geführt hat. Auch diese Frage müßte einmal
sehr gründlich untersucht werden. Um den zweiten Teil des Buches
zu verstehen, wäre hier eine eindringende Analyse notwendig
gewesen.

Wichtige Quellen, wie die Berichte der russischen Bibelgesellschaft
Ocet komiteta rossijskago biblejskago obscestva, die
ersten 8 Bände von 1813—1820 sind gedruckt erschienen, wären
unbedingt heranzuziehen gewesen. Die Bedeutung des Einflusses
Metternichs auf Alexander I. gerade in der Frage der Bibelgesellschaft
hat Benz wohl überschätzt. Seine eigenen Forschungen zum
Halleschen Pietismus und zur russischen Kirche am Anfang des
18. Jh. unter Peter I. hätten ihm dies klarmachen müssen. Aber
hier rächen sich die bei diesen Forschungen bereits auftretenden
Fehler. Peters Stellung zur russischen Kirche und zum Protestantismus
wird nämlich von Benz zu sehr vom Standpunkt des evangelischen
Theologen gesehen. Er wird damit der Wirklichkeit
nicht ganz gerecht.

Von besonderer Bedeutung ist die Herausarbeitung der anti-
papistischen Auffassung Baaders durch Benz gerade im Zusammenhang
mit der Verbindung mit Rußland. Der Verfasser hat
sicherlich recht mit seiner Behauptung, daß Baaders Einstellung
zum Papismus nicht von den Russen bestimmt wurde, wie von
gegnerischer Seite immer wieder betont wird. Baader fand aber
in seinem Gedanken des romfreien Katholizismus durch Rußland,
und zwar durch das offizielle Rußland, vor allem Nikolaus L, eine
wesentliche Förderung. Der russische Kultus- und Llnterrichts-
minister Uvarov stand natürlich nicht zufällig mit Baader in Verbindung
und sandte dem Münchener Gelehrten eigens einen Professor
, nämlich Sevirev, zur Orientierung. Der Schüler und Freund
Baaders. HofTmann, der Herausgeber der Werke Baaders, der in
den dreißiger Jahren, als die Schriften Baaders gegen die Übertreibung
der Stellung des Papstes in der Kirche erschienen, Vorbehalte
gegen eine solche Auffassung anmeldete, hat dann nach
1870 diese Schriften Baaders als Kampfschriften in der Kulturkampfzeit
neuerlich herausgegeben. Auch dieses Mal wurden die
Bestrebungen des schon längst verstorbenen Baader von russischer
Seite nachdrücklich unterstützt. Dies beweist unter anderem
sehr gut das gedruckte Verzeichnis der Bücher des russischen
Oberprokurators des Hl. Synods D. Tolstoj. Die altkatholischc
Bewegung der siebziger Jahre des 1°. Jh. fand ja auch die entschiedene
Förderung von russischer Seite, wenn diese Bewegung
auch keineswegs v"n Rußland erweckt wurde. Das gleiche gilt
für die Bestrebung Baaders in den dreißiger Jahren.