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Ausgabe:

1953

Spalte:

535

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Foster, John

Titel/Untertitel:

Junge Kirche einst und jetzt 1953

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Seite 1

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535

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 8'9

536

MISS WNSWISSEJS SCHAFT

Poster, John: Junge Kirche — einst und jetzt. Übers, a. d. Engl. v.
Oskar Schröder. Hamburg: Appel [1951]. 196 S. 8°. kart. DM 5.--.

Es handelt sich nicht um ein „Missionsbuch", sondern um
das Buch des Glasgower Kirchenhistorikers, der zu seinem Fachwissen
die Erfahrung als theol. Lehrer an einem Missions-College
mitbringt. Das Buch gibt Vorlesungen wieder, die bereits
1940/41 gehalten wurden. So fehlte also zu einem „Missionsbuche
" das für die Entwicklung der Jungen Kirchen und zum
Verständnis ihrer Probleme entscheidungsreiche letzte Jahrzehnt.

Aber darum geht es dem Verf. nicht. Er will weder Erzählungen
noch die Geschichte der Jungen Kirchen oder einen Situationsbericht
liefern. Wer das sucht, wird enttäuscht.

Seine vor Geistlichen, die weithin aus einer missionslosen,
d. h. engen Theologie herkamen, gehaltenen Vorträge wollen
einmal den Blick weiten für die Tatsache der „Weltkirche", ver
allem aber wollen sie in wissenschaftlicher Hinsicht den Nachweis
erbringen, daß in der Gegenwartsgeschichte der Jungen
Kirche die alte Kirchengeschichte wieder lebendig wird (S. 87)
und daß wir in der neuesten Kirchengeschichte auf den Missionsfeldern
im Grunde die ersten vier Jahrhunderte der KG neu erleben
. Verf. meint, es gebe „kaum ein Problem, eine Situation,
eine Aufgabe, die irgendwann in der Geschichte der Kirchen in
den ersten vier Jahrhunderten ihres Bestehens auftauchen und
nicht den Männern, die heute in der Missionsbewegung tätig
sind, täglich zu schaffen machen", ja für ihn sind „die Jungen
Kirchen die Urkirche unserer Zeit" (S. 64). Im einzelnen befänden
sich, nach Foster, „die Jungen Kirchen noch im 2. nachchristl.
Jahrhundert" (S. 109). Dem werden nicht alle zustimmen. Aber
es ist gar keine Frage, daß hier eine verdienstvolle Arbeit vorgelegt
wird, die von Theologen und Ökumenikern nicht unbeachtet
bleiben sollte. Neben reichem Stoff und anregenden Betrachtungen
überrascht der Aufweis von Parallelen in der Jungen
Kirche von damals und heute, bis hin zum japanischen Polizeispitzel
und der römischen Polizei, zur Toleranzfrage und dem
Problem des Synkretismus, dem Minoritätscharakter der werdenden
Kirchen u. a., die zu einer angemesseneren Beurteilung
der Lage der Jungen Kirchen und zugleich zu einer größeren
Gelassenheit angesichts bedrängender Ereignisse führen. Es ist
von einiger Bedeutung, daß die Jungen Kirchen in ihrer Hinwendung
zum Studium eben der ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte
, und das nach der Zeit, da diese Vorlesungen von
Foster gehalten wurden, dem Anliegen des Verf. Nachdruck
verleihen und deutlich machen, daß es sich nicht nur um eine
Gelehrten-Konstruktion handelt.

Man müßte sehr ausführlich werden, wenn man den in drei
Kapiteln entfalteten Inhalt des Buches mit den gleichartigen Entwicklungslinien
und Belegen dartun sollte. So sei nur erwähnt,
daß Foster zuerst den „Zusammenbruch der Welt und den Bau
der Kirche" damals und jetzt im Lichte von Augustins „De Civi-
tate Dei" sehen lehrt und im zweiten Kapitel durch eine lehrreiche
Analyse der Didache viele Züge in der heutigen Entwicklung
der Jungen Kirchen aufhellt. Was schließlich im dritten
Kapitel über „Erziehung zur weltweiten Kirche", deren Zeichen
die Apostolizität und die Katholizität sind, ausgeführt wird, ist
fast als ein Beitrag zur Studienreform der Theologen anzusehen
und geht alle Disziplinen an.

Halle/S. Arno Lehmann

Minnen, J. M. van, Dr.: Accomodatie in de Chinese Zcndings-
geschiedenis. Kampen: Kok 1951. 191 S. gr. 8°. hfl. 4.90.

In seinem Buch „Kerk en volk in de duitse zendingsweten-
shap" hat J. C. Hoekendijk die Stellung der deutschen Missionswissenschaft
zum Verhältnis zwischen Volkstum und missionarischer
Verkündigung grundlegender Kritik unterzogen. Wiederum
ein Holländer ist es, der in seiner Dissertation dies Problem
, nunmehr im Blick auf die „Akkomodation in der chinesischen
Missionsgeschichte", in vorherrschender Auseinandersetzung
mit der deutschen missionswissenschaftlichen Literatur aufgegriffen
hat. Er gibt zu, daß „das Wort .Akkomodation' als

Ausdruck für das Wie der Begegnung zwischen christlicher Botschaft
und Heidentum uns immer weniger befriedigt. Vielleicht
war dies Wort früher brauchbar; aber das Verhältnis zwischen
Kirche und Welt trägt nun einmal keinen statischen Charakter.
Darum sollte im 20. Jahrhundert mehr und mehr .possessio' an
die Stelle von .Akkomodation' treten" (S. 10). Dafür die theologische
Grundlage zu gewinnen, ist das Ziel des Buches.

Die ersten drei Kapitel „Die erste christliche (nestorianische)
Mission in China", „Die katholische China-Mission im 16. und 17.
Jahrhundert" und „Die T'ai-p'ing-Bewegung" kommen zu keinen
Erkenntnissen, die der deutschen Missionswissenschaft nicht vertraut
wären. Van Minnen faßt sie folgendermaßen zusammen: die N e s t o-
r i a n e r waren zu terminologischer Anknüpfung bereit, kamen aber
nicht zum gründlichen Durchdenken der Probleme, die sich daraus ergaben
; darum ist ihr Christentum im chinesischen Denken untergegangen
. Die Jesuiten begründeten ihre Akkomodation theoretisch;
aber es ging ihnen dabei nicht um das qua talis, sondern um das quo
modo. In der T'ai-p'ing-Bewegung sieht van Minnen ein Beispiel
für das Versagen der im Pietismus wurzelnden Mission in dieser
Periode — „ein Versagen, das darin seine Ursache hatte, daß man
seine Botsdiaft nicht mit Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus
, in Beeegnung brachte, der sich auch im chinesischen Denken nicht
unbezeugt läßt" (S. 77). Der Ton liegt auf dem Relativsatz.

Am „Ende des 19. Jahrhunderts" (Überschrift des 4. Kapitels; gemeint
sind die Jahre 1860—1900) wird das Nebeneinander der beiden
Linien der von den Ncstorianern und Jesuiten geübten, von den Dominikanern
, Franziskanern und dem Pietismus abgelehnten Akkomodationspraxis
in China in der Arbeit der O s t a s i e n-M i s s i o n
bzw. der C h i n a-I n 1 a n d-M i s s i o n siditbar. Die CIM nennt van
Minnen ein „Gotteswunder", in dem sich ein „kräftiger Glaube" offenbart
, der „dem Kritiker Zurückhaltung aufnötigt"; dennoch: „Im
Punkt der Akkomodation hat die CIM völlie versagt" (S. 91 f.). Demgegenüber
ließen die China-Missionare der Basier Mission Neigungen
zur Akkomodation erkennen; aber die autoritäre Leitung des Komitees
in Basel, das „keine existentielle Kenntnis des Heidentums besaß
und nur kommandierte und theoretisierte", ließ die Ansätze nicht zur
Wirkung kommen (S. 92).

In bewußtem Gegensatz zur pietistischen Metbode stand die 1884
als „Allgemeiner evaneclisch-protcstantischer Missionsvercin" gegründete
OAM, sowohl in ihrer Praxis in China, wie in deren wissenschaftlicher
Begründung. ..Der Geecnsatz .pietistische Mission — OAM' war
nicht so einfach, wie man damals in einigen Kreisen glaubte"; vielmehr
fand in der OAM ein „nicht isoliert stehender Gedankcnkom-
nlcx seine Gestalt", m. a. W. die OAM hatte „Vorläufer" (S. 92).
Das waren die China-Missionare John Cross, J. Camobell Gibson und
Dr. Timothy Richard, deren positive Stellung zur Akkomodationsfragc
van Minnen schildert. Was bei ihnen an Gedanken „verstreut und
nicht systematisiert vorlag", das ..hat die OAM konsequent durchgeführt
. . . Hier wird die Akkomodationsfrace zum ersten Mal in der
Geschichte prinzipiell gestellt, theoretisch beeründet und nicht nur
in allen ihren Folgerungen durdidadit. sondern auch praktiziert" (S. 98).
Die sreisticen Väter der OAM waren Leihniz. Chr. A. Wolf. Lessing,
Herder, Sch'eicrrmrher. R. Rothe und O Pfl"iHerer. Van Minnen weist
nach, wie die OAM ihre Gedanken üb-r Mission aufgenommen und
verwirklicht hat. Von unmittelbarem Einfluß auf ihre Entstehung war
die Kritik, die der Berner Professor E E. I ntiolimi (nicht ..Landhaus",
wie van Minnen schreibt) an der nietistischen Mission peübt hat. Er
. bat die K"<*e1 ins Rollen gebracht", die der Gründer der OAM. der
Schweizer Pfarrer E. Büß, „aufgefangen hat" CS. 103).

Aufgrund des Buches von Büß „Die christliche Mission", des „Pro-
grammes" der OAM und ihres Schrifttums stellt van Minnen die
Grundlinien ihrer praktischen und theoretischen Wirksamkeit eingehend
und sachgemäß dar. Sein Hinweis, daß die OAM 50 Jahre später sich
der Theologie K. Heims zugewandt habe, trifft auf ihren damaligen
Direktor, Th. Devaranne, nicht aber auf ihre übrigen Mitarbeiter zu.
Van Minnen rechnet mit der Möglichkeit, daß durch die theologische
Neuorientierung „die besondere Existenzbercditigung der OAM ziemlich
zweifelhaft geworden sei", fügt aber hinzu, daß „ihre Botschaft
von den anderen Gesellschaften gehört worden ist", obschon „ihr besonderer
theologischer Hintergrund durch die Tatsachen", nicht zum
mindesten durch ihre praktischen Erfahrungen in China und Japan
„überholt worden ist", und bezeichnet es als „bemerkenswert, daß
trotzdem die Veröffentlichungen aus ihrem Freundeskreis immer noch
ihre besondere und wertvolle Note unter allem tragen, was zur Akkomodationsfrage
erscheint" (S. 107). Abschließend schildert van Minnen
die Bedeutung, die E. Faber, der erste China-Missionar der OAM.
für die Stellung der Gesellschaft zur Akkomodation gehabt hat, und
die letzten Konsequenzen ihrer Auffassung in der Tätigkeit seines
Nachfolgers R.Wilhelm, von dem sich die OAM „sehr cntsdilossen
distanziert hat" (S. 113).