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Ausgabe:

1953

Spalte:

523-524

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Curtius, Ludwig

Titel/Untertitel:

Deutsche und antike Welt 1953

Rezensent:

Wessel, Klaus

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Seite 1

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523

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 8/9

524

Mesech erscheinen, seien identisch mit den Muschkabim, „die König
Kilamuwa von Sdiamal (Ende 9. Jahrh.) in seiner großen Inschrift als
anhängliche Untertanen nennt", ist ganz unwahrscheinlich. S. 139 wird
der Aussage, die Septuaginta werde im 3. Jahrhundert v.Chr. entstanden
sein, hinzugefügt: „damals auch (Schaeder) das nur in wertvollen
Auszügen erhaltene Buch des Philon von Byblos über die phöni-
kische Religion, das nach anderen erst im 1. Jahrhundert n.Chr. erschien
". In Wahrheit ist die griechisch geschriebene Phönizische Geschichte
des Philon von Byblos, die sich als Übersetzung eines älteren
phönizischen Werkes ausgibt, sicherlich um 100 n. Chr. verfaßt, und
nur darüber gehen die Meinungen auseinander, wann ihre Vorlagen anzusetzen
sind. So enthält Speisers Buch also ein paar Ungenauigkeiten
und Fehler. Aber das ist gar kein Wunder. Erstaunlich ist es angesichts
der Fülle des Stoffes und der Mannigfaltigkeit der Probleme, die es zu
bewältigen galt, vielmehr, daß solche Versehen verhältnismäßig gering
sind und im allgemeinen der Tatbestand zutreffend dargestellt ist.

Speisers mit starker Anteilnahme an seinem Gegenstand
geschriebenes Buch wird seine Leser nicht nur mit den hier behandelten
vorderasiatischen Kunstdenkmälern bekannt machen,
sondern sie auch um die in ihnen beschlossenen hohen seelischen
Werte bereidiern.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

C u r t i u s, Ludwig: Deutsche und antike Welt. Lebenserinnerungen.
Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt [1950]. 531 S. gr. 8°. Lw.
DM 16. 80.

Wer in den Lebenserinnerungen des Archäologen Ludwig
Curtius eine Autobiographie sucht, die den Lebensweg und die
wissenschaftliche Entwicklung des Autors nachzeichnet, wird das
Buch enttäuscht aus der Hand legen. Die Erinnerungen folgen
keinem chronologischen Schema, sondern sind in neun sich nicht
selten überschneidende Komplexe geordnet, die ohne Rücksicht
auf die zeitliche Abfolge die Ereignisse und Menschenbilder, die
der Autor der Erwähnung für wert hält, so zusammenordnen, wie
sie sich dem Rückschauenden um bestimmte Zentren oder zentrale
Geschehnisse gruppieren. Erinnerungsbilder — nicht selten
amüsant anekdotenhaft erzählt — wechseln in bunter Folge mit
Porträtskizzen der Menschen, denen C. in seinem Leben begegnet
ist, mit grundsätzlichen Betrachtungen und mit Versuchen, das
eigene Ich zu analysieren. Alles ist interessant, pointiert, ansprechend
und geistreich formuliert, nirgends wird der Text breit
oder gar langweilig. Meisterhaft sind die sehr zahlreichen eingeflochtenen
Darstellungen der Persönlichkeiten, die auf C. irgendwie
Eindruck gemacht haben; in ganz wenigen Strichen weiß er
ein Bild zu entwerfen, das ungewöhnlich lebendig wirkt. Überhaupt
beweist er sich immer wieder als überdurchschnittlicher
Schilderer, der ohne großen Wortaufwand treffend und eindringlich
beschreiben kann. Das macht das Lesen dieser Erinnerungen
rein literarisch zu einem Genuß und läßt über die oft abrupte
Unverbundenheit der hart nebeneinandergestellten Erinnerungsbilder
hinweglesen, die oft an das plaudernde und sprunghafte
Erinnern im Stile des „Weißt du noch?" anklingen.

Der Archäolog wird in den Erinnerungen so manches
schmerzlich vermissen; die eigene Wissenschaft des Autors kommt
nicht recht zu Worte. Die Probleme seiner archäologischen Forschung
klingen nur ganz gelegentlich an, das Bild des Archäologen
C. bleibt ganz unscharf. Von Ergebnissen der eigenen Arbeit
ist so wenig die Rede wie von ihren Zielen oder ihren Kämpfen
.

Diesem deutlichen Mangel steht ein Vorteil gegenüber: die
scharf zugespitzten, von Welterfahrung und Welterkenntnis zeugenden
Äußerungen des Autors zu den bewegenden Problemen
und Gestalten der Geschichte, die er selbst miterlebt hat. C. hat
zunächst Rechts- und Staatswissenschaften studiert; Lujo Brentano
und Gustav Schmoller waren seine Lehrer. Von da her hat er
das Interesse und den Blick für die Politik bewahrt. Aus dem
Kreis um Friedrich Naumann hervorgegangen, lange Zeit in
ihm aktiv tätig gewesen, hat er sich den Blick geschärft für die
Schwächen der deutschen politischen Entwicklung, aber auch für
die des deutschen Bildungswesens. Seine Ausführungen über das
deutsche Universitätswesen zeigen schonungslos dessen Mängel
auf, die er — wohl mit Recht — z. T. wenigstens auf die zu große

Zahl an Universitäten in Deutschland zurückführt. Was C. hier
schreibt, hat auch heute durchaus Gültigkeit. Freilich weiß auch
er keinen Weg, aus dieser Lage herauszukommen. Am Rande
sei vermerkt, daß das, was er über die Korporationen schreibt,
bei allen Versuchen der Wiederherstellung dieser versunkenen
studentischen „Lebensform" beherzigt werden sollte! Von nicht
geringerer tiefer Einsicht sind seine Bemühungen, das unselige
Phänomen des Nationalsozialismus zu verstehen und verständlich
zu machen, der Pseudo-Idee, deren Träger ihn aus seinem Amt
entfernten und die er seit dem „Fall Gumbel" in Heidelberg
gefürchtet und verachtet hat. In diesem Zusammenhang zeigt er
auch in aller Kürze die Tragik und Schuld des inneren Widerstandes
der deutschen Intelligenz auf, die sich in der Mehrheit
nicht zusammenfinden und zum offenen Nein aufraffen konnte,
so lange es Zeit war. Weiter sei hier hingewiesen auf die einprägsame
Definition des Humanismus im deutschen Geistesleben
im Unterschied zu dem anderer europäischer Völker. Ob man
freilich, wie C. es tut (S. 457), Nietzsche so unbedingt in die
Reihe des deutschen Humanismus rechnen darf, erscheint zumindest
sehr fraglich!

Eines sei noch angemerkt: Der Katholik C, der er trotz der
Liebe zur Antike, ihrem Denken und Glauben, trotz der philosophischen
Zweifel der Jugend im Grunde doch, seinem Erinnerungsbuch
nach zu urteilen, geblieben ist, der Kenner und
Verehrer mittelalterlicher christlicher Kunst, der langjährige
Direktor des Deutschen Archäologischen Institutes in Rom, der
heute noch in der Ewigen Stadt lebt, nimmt in seinen Erinnerungen
nicht ein einziges Mal Notiz von den ehrwürdigen Denkmälern
der ältesten christlichen Kunst (m. W. hat er auch nie
wissenschaftlich dazu Stellung genommen). Dieses Phänomen
gibt zu denken: Hier zeigt sich an einem Erforscher antiker Kunst
und Kenner der mittelalterlichen die für die gesamte Kunstwissenschaft
im letzten Grunde so verhängnisvolle Lücke der „dunklen
Jahrhunderte", die die Brücke schlagen von der Antike zur
eigentlichen europäischen Entwicklung in Ost und West.

Oreifswald Klaus Wessel

Behrens, Gustav: Das frühchristliche und merowingische Mainz.

Nach den Bodenfunden dargestellt. Mainz: Römisdi-Germanisdies
Zentralmuseum 1950. IV, 35 S. m. 52 Abb. 4° = Kulturgeschichtl.
Wegweiser des Römisch-Germ. Zentralmuseums in Mainz, Nr. 20.
DM 2.40.

Die kleine Schrift, die im Rahmen der Kulturgeschichtlichen
Wegweiser des Römisch-Germanischen Zentralmuseums erschienen
ist, will lediglich an Hand der Bodenfunde aus Mainz und nächster
Umgebung ein Bild der Stadt in frühchristlicher und mero-
wingischer Zeit geben. Dazu wird nach einer knappen Einleitung
(Problem des Mittelalters, Zeitwende im Zeitalter Konstantins.
Umreißung des Vorhabens und Gliederung der Funde nach topographischer
und zeitlicher Ordnung) ein Katalog aller in Mainz
und eingemeindeten Vororten zu Tage geförderten Funde dieser
Zeitspanne vorgelegt, dem abschließend eine kurze Erörterung
der Frage des Umfanges des frühmittelalterlichen Mainz unter
Berücksichtigung der Lage der Grabfelder sowie eine ganz knappe
chronologische Übersicht über die Denkmäler folgen.

Bei der Beschränkung auf die Bodenfunde ist ein umfassendes
Bild der Entwicklung der Stadt in frühchristlicher Zeit, in der
Periode der Völkerwanderung und unter merowingischer Herrschaft
nicht zu erwarten. Trotzdem trägt die Publikation zu ihrem
Teil — schon durch die Vollständigkeit des Fundkataloges — nicht
unwesentlich zur Kenntnis der Siedlungsgeschichte des alten
Mongotiacum bei. Die sorgfältigen Literaturangaben zu jedem
Fund geben dem speziell Interessierten die Möglichkeit der weiteren
Vertiefung. So ist das Heft eine dankenswerte Gabe, die
auch dazu beitragen kann, das Problem der Siedlungskontinuität
aufzuhellen. Die hier zusammengefaßten Grabsteine geben zudem
einen wichtigen Einblick in die Entwicklung des Christentums im
Mainzer Raum.

Eines ist vielleicht zu bedauern: daß keines der Fundstücke
in Kunst- oder Lichtdruck abgebildet ist, sondern durchweg nur