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Ausgabe:

1953 Nr. 1

Spalte:

34-35

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Deutsches Dante-Jahrbuch. 29./30. Band 1953

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 1

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vieler ähnlicher Dichtungen im Mittelalter und haben auch maßgeblich
das dritte hier veröffentlichte Offizium beeinflußt: das
auf die Heiligste Dreifaltigkeit, das von dem Minderbruder
Johannes von Pecham gedichtet wurde.

In der Einleitung (9—32) bringt der Verf. in gedrängter
Kürze alles Wissenswerte zum Verständnis dieser Dichtungen.
Er macht den Leser mit den notwendigsten liturgischen Begriffen
vertraut, behandelt kurz das Leben der jeweiligen Dichter und
gibt eine Übersicht über die bisherigen Ausgaben und Übersetzungen
.

Dann folgen die drei Reimhistorien in der Reihenfolge
ihres zeitlichen Entstehens. Sehr zu begrüßen ist dabei die drucktechnische
Anordnung, die den lateinischen Text der jeweiligen
Übersetzung gegenüberstellt. Nur so ist ein vertieftes Eindringen
in Sinn und Gehalt dieser Dichtungen möglich.

Leider sind im lateinischen Text einige Druckfehler unterlaufen:
S. 44, Z. 27 muß es heißen: insolenter statt inolenter ; S. 50, Z. 27
calceo statt calcio : S. 54, Z. 8 ist Minorum als Eigenname mit großen
Anfangsbuchstaben zu schreiben (diese Regel müßte überhaupt konsequent
durchgeführt werden, vor allem im Dreifaltigkeitsoffizium); S. 62,
Z. 18 ist wohl ex runc zu schreiben; S. 78, Z. 8 lesen die kritischen
Ausgaben contempserat, diese schwierigere Lesart ist dem glatteren
contemperat gegenüber sicher festzuhalten; S. 86, Z. 23 ist Banguinum
zu lesen. S. 104, Z. 25 per hoc medium ; S. 118, Z. o-.subiectum lotioni
S. 120, Z. 25scrutinium, S. 128 im lateinischen Text statt: „Zu den
Psalmen" wohl ,,Hymnus". — Wo der Autor im lateinischen Text des
Drcifaltigkcitsoffiziums von den kritischen Ausgaben von Dreyes
und Lampen abweicht, würde man doch eine eingehendere Begründung
der neuen Textgestalt wünschen. Es müßte dargetan werden, daß
die beiden von ihm angeführten Brevierhandsdiriften (Lit. Verz. 1) ein
solches Gewicht haben, daß sie derartige Änderungen rechtfertigen. Die
glatteren Reime sind sicher nicht immer die ursprünglicheren. So bleibt,
was den veröffentlichten lateinischen Text angeht, manche Frage. Von
ihrer Lösung würde sich auch an verschiedenen Stellen eine andere Interpretation
ergeben (vgl. etwa die 5. Laudesantiphon bei D r e v e s
V, 21 bzw. Lampen, 228 und hier S. 1241).

Wenn schon jede Übersetzung ein Wagnis ist, so ist es sicher
ein umso größeres Problem, diese Poesie formtreu übersetzen
zu wollen. Man darf aber anerkennen, daß dieses Problem
hier im allgemeinen sehr gut gelöst ist. Die Übersetzung wahrt
die Kraft der Sprache und den Rhythmus der Verse, die in den
Originaltexten so bewundernswert sind.

S. 37, Z. 13 cursus ist sicher nicht mit ..Wcltcnlauf" zu übersetzen.
Es ist jener Lauf gemeint, dem das ex/re de saeculo vorausgeht, also
das Leben des bekehrten Franziskus, das unter Innozenz III. seinen
Anfang nahm, wie die Antiphon richtig zum Ausdruck bringt. S. 41,
Z. 1 ist hospes nicht mit „Gastwirt" zu übersetzen, sondern mit „Gast",
eben einer, der keine feste Bleibe hat. S. 53 ist beim Anfang der 3. Antiphon
der Sinn des lateinischen Textes: „Als die Verdienste des Heiligen
mit neuen Söhnen belohnt werden, übergibt er diesen neue Mahnungen
, den Weg der Einfalt"; diesen Sinn gibt die Übersetzung im
Vordersatz: „Da neue Söhne sich Gewinn durch sein Verdienst erhandeln"
nicht wieder. S. 65 ist die erste Strophe des Hymnus Decu.s morum
sehr frei wiedergegeben. S. 79, Z. 20 ist mi/es dem hodimittelalterlichcn
Sprachgebrauch entsprechend mit „Ritter" zu übersetzen statt mit „Söldner
", desgleichen S. 83, Z. 13 militia mit „Ritterdienst". S. 101, Z. 13
gibt das eingeschobene „auch" einen Sinn, der im Original nicht intendiert
ist. S. 115 ist der Schluß des 3. Responsoriums nicht korrekt wiedergegeben
.

Dem Beispiel folgend, das Hilarin Felder OFMCap in
seiner kritischen Edition des Franziskus- und Antoniusoffiziums
gegeben, bringt der Verf. in den Anmerkungen die notwendigen
biographischen Hinweise, und zum Dreifaltigkeitsoffizium die
unentbehrlichen theologischen Erklärungen, um dem Leser das
volle Verständnis der Texte zu ermöglichen. Gerade diese Hinweise
machen seine Arbeit jedem wertvoll, der sich ihrer bedient.

In Anm. 12, Z. 3 ist jedoch das „zugleich" historisch nicht gerechtfertigt
, wie die angeführten Stellen aus Celano zeigen. Anm. 14,
Z. 1 geht zu weit; denn Franziskus hatte nicht „sein Gut" verkauft,
sondern einen Ballen Tuch und ein Pferd, das seinem Vater gehörte.
Erst dieser Sachverhalt erklärt z.T. das Verhalten des Vaters. Anm. 38
trifft sicher nicht den Sachverhalt; der Satz in n. 47 der Legende vires
e/ membra perdita repetenies, utriusque sexus omn/s aetatis acci-
piunt" zeigt deutlich, daß im Reimoffizium membra resque perditas
eine dem Versmaß zulieb geschehene Verkürzung von membra vires-
que perditas ist. Man wird deshalb nicht den „Glauben an das Wiederbringen
verlorener Gegenstände" „bis auf Julian von Speyer, den
unmittelbaren Zeitgenossen des Heiligen" zurückdatieren können. Es

wird umgekehrt so sein, daß sich dieser Glaube an dem falsch verstandenen
Satz des so oft gesungenen Responsorium entzündet hat.

In den zwei Kapiteln des Anhanges wird eine kurze Übersicht
über die Verskunst Julians und über die Musik der Reim-
offizien gegeben. Drei in Noten beigefügte Proben vervollständigen
dieses Kapitel. In dem dann folgenden Literaturverzeichnis
wären sicher nachzutragen: Livarius Öliger, De ultima
mutatione officii s. Francisci, in ArchFrancHist 1 (1908),
45—49; und: Adalbert Klaus, Ursprung und Verbreitung der
Dreifaltigkeitsmesse, Werl i. W. 1938.

Über den Kreis der interessierten Wissenschaftler hinaus
werden dem Verf. auch alle jene Menschen Dank wissen, für welche
die beiden ersten Offizien nicht nur Denkmäler vergangener
Tage sind, sondern jährlich an den Hochfesten der betreffenden
Heiligen der Ausdruck ihres gemeinschaftlichen Betens. Ihnen
wird die Verdeutschung und die Erklärung wertvolle Dienste
leisten, ihr Offizium würdig zu erfüllen.

M.-Oladbach Kajetan Eßer OFM

DeutschesDante-Jahrbuch. 29./30. Band. (N. F. 20./21, Band.)
Hrsg. im Auftrag der Deutschen Dante - Gesellschaft von Friedrich
Schneider. Weimar: Herrn. Böhlaus Nachf. 1951. VIII, 250 S.
gr. 8°. DM 12.50; Pp. DM 14.—.

Dieser Band bedeutet eine ganz erhebliche und gewichtige
Bereicherung der Dante-Forschung. Besonders wertvoll ist wieder
der Literaturbericht (von Friedrich Schneider selbst), der weit über
die eigentliche Dante-Literatur hinausgeht.

Erwähnt sei aus ihm: Die Anzeige von Hermann G m e 1 i n s Übersetzung
der Göttlichen Komödie, leider zu kurz und u. E. zu günstig, da
die Übersetzung zwar streng und eng am sprachlichen Original bleibt,
aber wenig von einer kongenialen Übertragung an sich hat. Ferner der
Bericht über das monumentale Werk von Ernst Robert Curtius:
Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, wobei wenige Ein-
zclbcmcrkungen zeigen, was wir von einer eingehenden Auseinandersetzung
Schneiders mit diesem Werk zu erwarten hätten; auf eine solche
hoffen wir. Endlich und besonders die Werke von Manfredi Pore-
n a, u. a. die große kommentierte Ausgabe der Göttlichen Komödie (La
Divina Commedia di Dante Aligheri commentata da Manfredi Porena,
Bologna 1949), die das gelehrte Erbe von Francesco D' Ovidio bewahrt,
und seine schnelle und erschöpfende Widerlegung der Aufsehen erregenden
Behauptung von Enrico C e r u 11 i, Dantes Jenseitsdarstellung sei
durch Quellen aus dem Islam stark beeinflußt (II „Libro della scala"
e la questione dellc fonti arabo-spagnole della Divina Commedia, Cittä
del Vaticano, 1949) in einer Abhandlung (Accadcmia nazionale dei Lin-
cei-Rcndiconti della Classe di Scienze morale, storiche e filologiche,
ser. VIII, vol. V, fasc. 1-2, Gennaio-Febbraio 1950).

Schneider bemerkt mit Recht, daß es auf deutschem Boden an
eindringenden Erklärungen der Gestalten und des Inhalts der einzelnen
Szenen von Dantes Göttlicher Komödie fehle, und hilft
auch in diesem Band die Lücke ausfüllen, indem er die Tragödie
des Odysseus (Inferno XXVI) darstellt, den Unterschied zwischen
dem homerischen Helden und der tragischen Gestalt bei Dante
herausstellt, welch letztere die Macht des menschlichen Wesens
über die Natur verwirklicht, in dem kühnen Kampf mit dem
Schicksal unterliegt und selbst durch die Strafe noch zur Größe
erhoben wird. Daß die Jenscitswandcrung der Göttlichen Komödie
im Grunde immer eine Diesseitswanderung bleibe, ist zu viel gesagt
. Schneider hält sonst — mit Voßler (s.u.) und anderen —
sehr darauf, daß Dante von dem ewigen Wert, Sinn und Bestand
der Jenseitsreiche fest überzeugt war und weder als Germane, noch
als Protestant, noch als Renaissancemensch aufgefaßt werden darf.

Über Karl Vosslcrs Verhältnis zu Dante verbreitet sich, frühere
Artikel aufgreifend, Viktor Klemperer, dessen scharfsinnige
Bemerkungen über das Symbolische und das Allegorische
hier besonders registriert seien.

Aufschlüsse über das bei uns wenig bekannte Thema: Dantes
Werk in Spanien gibt Eduard von Jan und macht uns mit den drei
gewaltigen Büchern des Satirikers und Sittenrichters Franciso de
Quevedo Villegas (1580 bis 1645): ,,E1 sueüo del Juicio final",
..El suenodel infierno" und ,,E1 suefio de la muerte" bekannt. In
ihnen liegt die barocke Spannung zwischen Weltflucht und Weltsucht
vor, die Hölle ist nicht ein Stück des göttlichen Heilsplans,
sondern ein Zerrbild der Menschheit, statt individualisierter Gestalten
wie bei Dante erscheinen oft Alleemeinbegriffe, die Verdammten
sind nach Berufen gruppiert, die Teufel stehen zu den