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Ausgabe:

1953

Spalte:

516-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Richstätter, Karl

Titel/Untertitel:

Christusfrömmigkeit in ihrer historischen Entfaltung 1953

Rezensent:

Völker, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 8/9

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kas bloß ein geübterer Übersetzer desselben Textes? G. T. C o 1-
1 i n s macht zu der Vollmer-Edition der Satisfactio des dem
5. Jhdt. angehörenden Dracontius und zum Cathemerinon des
Prudentius ed. Bergmann interessante Konjekturen. H. F r a n k
behandelt zwei Weihnachts-Responsorien des römischen Breviers
, welche nicht aus der Bibel genommen sind, sondern aus
einer pseudoaugustinischen Predigt. Diese ursprünglich orthodoxe
Predigt ist in einem Abschnitt nestorianisch überarbeitet
worden. Frank sucht zu zeigen, daß die beiden Responsorien
nicht aus der nestorianischen Bearbeitung, sondern aus dem
orthodoxen Original genommen wurden. L. B r o u findet die
Quelle einer Antiphon klösterlichen Brauches („Dignum namque
est"), welche im England des 13.Jhdts. auftaucht, in einer Predigt
des Ambrosius Autpert (f 784), die fälschlich dem Hieronymus
oder dem Ildefons zugeschrieben wurde. In einem wichtigen
zweiten Aufsatz bringt B r o u Naditräge zu seiner im I. Bande
von „Sacris Erudiri" veröffentlichten Studie über griechische Gesänge
in lateinischen Liturgien. Z. B. wurden lateinische Übersetzungen
des Cherubhymnus Ol rä Xepovߣ/i als Offertorien
gebraucht; der „Gesang der Sybille", im Mittelalter am Weihnachtsmorgen
aufgeführt, stammt aus dem Orient, vielleicht
sogar aus dem vorchristlichen Orient, und auch die Melodie
kann daraufhin angesehen werden. B. B o 11 e untersucht die
Frage, ob im liturgischen Latein mit den Deutschen antiphöna
zu sprechen ist, oder mit den Italienern antiphöna. Er löst das
Dilemma mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß antiphöna dem
Plural rä ävriymva entstammt, also sei mit den Italienern antiphöna
zu sprechen. Gewiß geben ihm ancöra, idolüm (aus
äyxvga, si'dcoXov) recht, aber die quaestio facti liegt nicht so
klar wie die quaestio iuris. Wenn also die gewandten Polemiker
des Kollegs S. Anselmo in Rom die deutsche Betonung antiphöna
,,une aimable fantaisie de barbare" nannten, so könnten
sie in dem bekannten Glashause sitzen. Überdies sind die romanischen
Sprachen als Fortsetzung des Vulgärlateins nicht gerade
Muster in der Betonung. W. D ü r i g widmet dem Begriff Disci-
plina in Liturgie- und Vätersprache eine umfassende und klärende
Studie. Alban D o 1 d lenkt die Aufmerksamkeit auf ein
Manuscript des 11./12. Jhdts. in der Württembergischen Landesbibliothek
zu Stuttgart, das auf dem 1. Blatt liturgische Texte
zum Passionssonntag (Judica), auf dem 2. Blatt liturgische Texte
zum Sonntag Palmarum enthält. R. A. Parmentier beschreibt
ausführlich (mit Bildbeigaben) ein holländisches Tagzeitenbuch
des 16. Jhdts. (Cod. 327 der Brügger Stadtbibliothek). Es enthält
eine Menge von Offizien und Gebeten und ist ein wichtiges
Zeugnis für die niederländische Frömmigkeit von damals.
N. N. Huyghebaert veröffentlicht zwei französische Briefe
des 17. Jhdts., in der Angelegenheit des Klosters Afflighem von
Paul Bonnefons aus Corvey geschrieben.

In den Spezialberichten „Speculum Eruditionis" behandelt
der Spanier Jose M a d o z die Lage der Patristik in Spanien von
1930—1951. Zwar sei der spanische Geist mehr zur Spekulation
als zu positiven Studien geeignet, aber trotzdem gibt es Patristi-
ker wie Nicolas Antonio, Enrique Flörez, Andres Marcos Burriel,
Faustino Arevalo, und eben auch Madoz, welcher schon mehrere
Publikationen über den Fortgang der spanischen Patristik geschrieben
hat. Eine Patrologie hat Spanien in dem ins Spanische
übersetzten Altaner, dem ein Appendix über Spaniens Väter
beigegeben ist. Doch auch Editionen, Väterübersetzungen (z. B.
30 Bände der Sammlung Excelsa, Madrid 1940 ff.), Monographien
, die Monumenta Hispaniae Sacra (patristisch-liturgische
Quellen!) und so manches andere kann Madoz nennen. E. Dek-
k e r bespricht die Nachricht über neuentdeckte Tertullianea und
sucht sie in das Corpus Tertullianeum einzuordnen. A. L. E. V r-
h e y d e n nimmt Stellung zu dem Werke von E. Valvekens,
De Inquisitie in de Ncderla.nde der zestiende eeuw (Brüssel 1947).
Uns interessiert daran die Kritik, welche Verheyden an Valvekens
deshalb übt, weil er den Greueltaten der Inquisition gegenüber
einen anderen Maßstab anwendet als denen der Kalvinisten
gegenüber; die Inquisition verteidigt er, bei den Kalvinisten
aber redet er von „sadistischen Morden", „fanatisierten Protestanten
", der „Knute der Kalvinisten". Auch das ist Valvekens
vorzuwerfen, daß er keinen Unterschied macht zwischen den

„revolutionären Wiedertäufern" und den „irenisch eingestellten
Taufgesinnten".

So ist es ein reiches Material verschiedener Art, das im
„Jahrbuch" vereinigt dargeboten wird. Die unterschiedlichen
Interessenten darauf aufmerksam zu machen, möchte der Zweck
dieser Anzeige sein.

Augsburg Leonhard Fendt

Richstaetter, Carl, S. J.: Christusfrömmigkeit in ihrer historischen
Entfaltung. Ein quellenmäßiger Beitrag zur Geschichte des
Gebetes und des mystischen Innenlebens der Kirche. Köln: Bachem
1949. VIII, 498 S. 8°. DM 9,50; Hlw. DM 12.20.

Es ist gewiß eine dankenswerte Aufgabe, dem Wandel in der
Frömmigkeit nachzuspüren und von dessen einzelnen Phasen
einen möglichst deutlichen Eindruck zu gewinnen. Der durch seine
Arbeiten zur mittelalterlichen Herz-Jesu-Verehrung bestens bekannte
Verf. unternimmt zum ersten Mal den Versuch zu zeigen,
„wie dies (seil. ,eine Weiterbildung') in der Gebetshaltung Christus
gegenüber im Wandel der Zeiten in die Erscheinung getreten
ist" (S. VII). Er will dabei nur solche Schriften berücksichtigen
, deren Verbreitung und Einfluß bedeutsam waren, dagegen
andere zurücktreten lassen, die selbst bei höherem theologischen
Gehalt handschriftlich schlechter bezeugt oder seltener aufgelegt
sind. Sodann wird das ausführlicher geschildert, was „heute von
aktueller Bedeutung" ist (S. VII). Bei allem aber soll dem Buche
sein wissenschaftlicher Charakter gewahrt bleiben.

Verf. unterscheidet drei Epochen. In der Märtyrerzeit
steht vornehmlich das Bild des Guten Hirten und die Passion
des Herrn im Mittelpunkt der Betrachtung, seit dem 4. Jahrh. die
Herrlichkeit „des Eingeborenen vom Vater", des rex gloriac,
der sich auch die Liturgie erobert, bis sich mit Anselm und besonders
mit Bernhard insofern ein Wandel anbahnt, als jetzt
das historische Bild Jesu in seiner Armut und Selbstentäußerung
den Gläubigen gezeigt und zur Nachfolge aufgerufen wird. Abschließend
werden die Ergänzungen der Neuzeit beschrieben, das
Christusbild der Exerzitien, das eucharistische des Alfons Maria
v. Liguori, und die Herz-Jesu-Verehrung einer Margarete Maria
Alacoque. Man wird nicht gerade behaupten wollen, daß diese
Sicht neu sei.

Dabei wird der Akzent durchaus auf die Neuzeit gelegt, der
über die Hälfte des umfangreichen Werkes gewidmet ist (S. 236—
492), wobei es sich fast um kleine Biographien von sechs maßgeblichen
Persönlichkeiten handelt. Für das Mittelalter genügen
die Seiten 63—216, während der Alten Kirche nur die einleitenden
Seiten gewidmet sind. Die Verteilung ist also eine recht
ungleichmäßige, da das Interesse des Autors sich vornehmlich den
neueren Erscheinungen der Jesusfrömmigkeit zuwendet. Werden
doch, um nur e i n Beispiel anzuführen, der gesamten deutschen
Mystik nicht mehr Seiten gewidmet als der Margarete Maria Alacoque
! Von Byzanz wird überhaupt keine Notiz genommen, es
genügt der Satz: „Das religiöse Leben verfiel mehr und mehr der
Erstarrung und damit auch das Christusbild in der Kunst wie in
der betenden Seele" (S. 71). Die Trennung von der römischen
Kirche soll dies erklären!

Verf. wollte wohl ein Lesebuch ausgewählter Quellenstellen
mit kurzen biographischen und sachlichen Einführungen bieten.
Aber was er in Wirklichkeit bringt, ist eine verhältnismäßig
breit geratene geschichtliche Darstellung, in die einzelne Belege
hineinverwoben sind, ohne daß beides klar und säuberlich getrennt
wäre. Was jene selbst anbetrifft, so handelt es sich um
keine wissenschaftliche Leistung, sondern um eine in erbaulichem
Stil gehaltene, für breitere Kreise berechnete Schilderung, die
ständig Zitate verschiedener Gelehrter aneinanderreiht, für gewisse
Partien sich auf bestimmte Darstellungen stützt — etwa
auf Janssens „Geschichte des deutschen Volkes" —, und wenn sie
Parallelen aus der künstlerischen Entwicklung bringt, dies doch
nur recht oberflächlich tut. Musterbeispiele einer tendenziösen
Betrachtung sind die Charakteristiken von Erasmus (S. 221 ff.)
oder Pascal (S. 325 ff.), und die Schilderung des Jansenismus
(S. 311 ff.) wird man nur mit Kopfschütteln lesen.