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Ausgabe:

1953

Spalte:

508-509

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Thieberger, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die Glaubensstufen des Judentums 1953

Rezensent:

Schoeps, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 8/9

508

Beer, Georg, D. Dr.: Hebräische Grammatik. l.Bd.: Schrift-, Laut-
und Formenlehre L 2., völlig neubearb. Aufl. von Prof. D. Rudolf
Meyer. Berlin: de Gruyter 1952. 157 S. kl. 8° = Sammlung Göschen
Bd. 763/763a. DM 2.40.

Beers hebr. Grammatik, die in l.Aufl. 1915 erschien, war
nicht ein Lehrbuch für den ersten Unterricht, sondern bei aller
Kürze eine wissenschaftliche Darstellung mit Berücksichtigung des
Verhältnisses zu anderen semit. Sprachen und der geschichtlichen
Entwicklung. Dieser Charakter ist in der Neubearbeitung durch
Meyer noch stärker ausgeprägt infolge eingehender Berücksichtigung
der neueren sprachvergleichenden Literatur und der neu
erschlossenen Quellen wie des Ugaritischen, der Handschriften
von 'Ain Feschcha, der Arbeiten von Paul Kahle zur Geschichte
der Masoreten, insbesondere der von ihm erschlossenen Handschrift
des Ben Ascher, deren Punktation jetzt der Darstellung
zugrundegelegt ist.

Es ist unmöglich, in einer kurzen Rezension auch nur die
wichtigsten Änderungen gegenüber der 1. Auflage darzustellen.
Ich beschränke mich auf einige Hauptpunkte, die mir zu Bedenken
Anlaß geben. Meyer betont in § 18, daß die Masoreten
nicht eine lebende Sprache in einem bestimmten Entwicklungsstadium
fixierten, sondern in weitem Umfang ein künstliches
Gebilde schufen, vor allem nach dem Muster der arabischen
Grammatik, doch auch unter dem Einfluß der syrischen Masora
und anderer Faktoren und teilweise auch freier Theorien. Daraus
folge, daß man von einer Lautlehre mit festen Regeln nur
mit Vorbehalt reden dürfe. Darin ist sicher etwas richtiges, aber
Meyer scheint mir hier doch stark zu übertreiben. So erkennt
er nur offene und geschlossene Silben an, lehnt aber Übergangsformen
wie lose geschlossene oder aufgelockerte Silben ab,
mal°khe, ja'amöd. ja'amedü, maelekh liest er malkhe,
ja'amöd, ja'amdii, maelekh. So gibt es kurze und kürzeste
Vokale auch in offenen Silben, spirantische Aussprache von b,
g, d, k, p, t auch nach Konsonanten.

Es ist ferner gewiß richtig, daß die Vokalzeichen nicht sowohl
die Quantität als die Klangfarbe bezeichnen sollen; aber
Meyer scheint mir auch da zu übertreiben, wenn er annimmt,
daß alle Vokalzeichen, außer vielleicht Pathach, teils kurz teils
lang zu lesen seien, indem er sich z. B. für die Kurzlesung von
Sere und Chölem in Kontextformen wie seier, böker auf die
Parallele baal beruft. Das und anderes nötigt Meyer auch dazu,
weithin (nicht völlig) auf die Ermittlung einigermaßen fester
Regeln für den Vokalwandel im Zusammenhang mit dem Charakter
der Silben und ihrer Stellung zum Ton zu verzichten
und in der Formenlehre großenteils nur statistisch festzustellen,
welche verschiedenartigen Bildungen sich in den einzelnen Formen
finden; so z.B. besonders in der Beschreibung der Flexion
der Segolata.

Zum Schluß sei aber noch hervorgehoben, daß die Angaben
über die tatsächlich vorkommenden Formen ein hohes Maß von
Vollständigkeit und Sorgfalt zeigen.

Oreifswald Carl Steuernagel

Cross, Frank Moore, Jr. and David Noel Freedman: Early He-
brew Orthography. A Study of the Epigraphic Evidence. New Häven
: American Oriental Society 1952. VIII, 77 S. gr. 8° = American
Oriental Series Vol. 36. $ 2.50.

Die vorliegende, von W. F. A 1 b r i g h t angeregte Doktor-
Dissertation, die von den Verfassern bald durch eine zweite ergänzt
werden soll, führt nach einem Überblick über die bisherigen
Bemühungen um das Verständnis der althebräischen Orthographie
, d. h. in erster Linie um die Erklärung der matres lec-
tionis, und einer Würdigung der durch die neuerliche Vermehrung
des Materials an altphönizischen, altaramäischen und althebräischen
Inschriften herbeigeführten Verbesserung der Lage
(S. 1—10) die jetzt erkennbar gewordenen Besonderheiten der
altaramäischen, der altmoabitischen und der althebräischcn Orthographie
vor (S. 11—57) und faßt die dabei gewonnenen Ergebnisse
zu einer Gesamtschau zusammen (S. 58—60). Die beiden
1 893 von S a ch a u und L u s ch a n edierten, etwa 770 und 730
v. Chr. anzusetzenden, beiden Panammu-Inschriften aus Send-
schirli, von denen gelegentlich schon vorher die Rede war, werden

dann um der besonderen Art ihrer Sprache willen noch genauer
ins Auge gefaßt (S. 61-64), und der Schluß der Darstellung, dem
nur noch die ausführliche Bibliographie folgt (S. 71—77), hat es
mit den Mischformen des masoretischen Textes zu tun, bei denen
der Konsonanten-Text eine andere Lesung voraussetzt als die
durch die Vokal-Punktierung geforderte (S. 65—70).

Die von umfassender Sachkenntnis und besonnenem Urteil
ihrer Verfasser getragene Darstellung kommt zu diesem Ergebnis
: Wie alle proto-kanaanäischen Inschriften rein konsonantisch
sind, so gilt das auch von den altphönizischen Inschriften, die
als Vorbilder der hebräischen Orthographie betrachtet werden
müssen. Die Kenntlichmachung von Vokalen durch bestimmte
Konsonanten, also der Gebrauch von matres lectionis, ist bei
den Aramäern entstanden, und zwar bald, nachdem diese die
phönizische Schrift übernommen hatten, also gegen Ende des 10.
Jahrhunderts v. Chr. Zunächst wurden nur am Schluß der Wörter
stehende Vokale so bezeichnet, später, etwa seit dem Ende des
8. Jahrhunderts v. Chr., auch in ihrer Mitte stehende. Von den
Aramäern haben die übrigen semitischen Völker, die sich der
phönizischen Schrift bedienten, den Gebrauch der matres lectionis
übernommen, darunter die Israeliten. Die Sprache der beiden
Panammu-Inschriften wird bestimmt als „archaisierendes Aramäisch
, eine Sprache, die nicht mehr gesprochen, aber in den
Königsinschriften des Herrscherhauses von Scham'al weiter gebraucht
wurde", während ihre Orthographie „mit ein paar unwichtigen
Abweichungen der damaligen aramäischen Übung entspricht
". Aus den Darlegungen über die Mischformen unseres
masoretischen Textes schließlich verdient die These hervorgehoben
zu werden, daß die zahlreichen Beispiele, in denen Orthographie
und Vokalisation nicht übereinstimmen, aus einer doppelten
Tradition über die Aussprache des betreffenden Falles erklärt
werden müssen, nicht etwa aus der Annahme einer defektiv
geschriebenen Text-Grundlage, die einen zu sprechenden Vokal
unbezeichnet gelassen habe.

Aufs Ganze gesehen, dürfen diese Darlegungen als gut begründet
betrachtet werden, umso mehr, als da, wo nur Mutmaßungen
möglich sind, die Verfasser selbst das deutlich genug
zu erkennen geben. Sind es zunächst orthographische und linguistische
Probleme, die es zu klären unternimmt, so trägt das
Buch doch des öfteren auch zu besserem Verständnis des jeweiligen
Sachverhaltes bei. Das gilt besonders von der S. 39,
Anm. 13 an das in Z. 8 der Mesa-Inschrift vorkommende und—
im Gegensatz zu der üblichen Auffassung als „seine Söhne" oder
„seine Nachkommen" — als „sein (Groß-)Sohn" verstandenes
bnh angeknüpften Behandlung der mit der Mesa-Inschrift und
der Erzählung von 2. Kön. 3 gegebenen historischen Probleme,
mit der Feststellung, daß Israel von Omris Tagen bis zur Mitte
der Regierung seines Enkels Joram moabitisches Gebiet besetzt
gehalten und daß Mesa in seiner Inschrift nur die Besetzung moabitischen
Gebietes durch Omri und die zur Zeit der Regierung
seines Enkels Joram von ihm erkämpfte Befreiung Moabs erwähnt
, die zwischen diesen beiden Punkten liegende Periode
aber unberücksichtigt gelassen habe.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Thieberger, Friedrich: Die Glaubensstufen des Judentums. Stuttgart
: Spemann 1952. 207 S. 8° = Sammlung Völkcrglaubc. Hlw.
DM 11. 80.

Das kleine Buch gibt eine israelitische Glaubens- oder Frömmigkeitsgeschichte
von den Anfängen bis zur Zerstörung des
zweiten Tempels 70 p. Chr. durch Titus. Derartiges hat in deutscher
Sprache bisher gefehlt - wenigstens vom Standpunkt des
gläubigen Judentums aus. Thieberger ist kein originaler Forscher,
sondern verwertet weithin die Forschungsergebnisse anderer; aber
er tut es selbständig und bezieht, wie der Kenner ersieht, in kontroversen
Fragen oft eine eigene Stellung. Von der monotheistischen
Haltung des israelitischen Volkes als dem formenden
Faktor ausgehend, behandelt er die biblische und nachbiblischc
Geschichte als Erfüllung eines Sendungsauftrages. Die Glaubensstufen
der Prophetie, des babylonischen Exils, der Kanonbildung
und Halarhisierung des Gesetzes werden von ihm in sechs Kapiteln
in anschaulicher oft fesselnder Darstellung geschildert; an