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Ausgabe:

1953 Nr. 1

Spalte:

30-31

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Karpp, Heinrich

Titel/Untertitel:

Probleme altchristlicher Anthropologie 1953

Rezensent:

Elliger, Winfried

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 1

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Im Hauptteil legt er das handschriftliche Material vor, das
er aus slavischen und einigen anderen Ländern ermitteln konnte.
Dabei ist er sich bewußt, daß die Angaben bei den schwierigen
Bibliotheks- und Katalogverhältnissen notwendig unvollständig
sind; manche Bibliotheken mußte er noch ganz beiseite lassen
(Athos, Italien). Das Bild, das wir aus dem Dargebotenen gewinnen
, entspricht genau den Verhältnissen der griechischen
Uberlieferung: zahlreiche Einzelstücke, selten eine größere Homi-
liensammlung. Die Masse der slavischen Handschriften stammt
aus dem XIV. bis XVIII. Jahrhundert, die ersten russischen
Drucke aus der zweiten Hälfte des 18.Jahrh., ein kirchenslavi-
scher Frühdruck aus Wilna 1627. Griechische Hss. des Makarius
hat der Vf. nur im Katalog der früheren Moskauer Synodalbibliothek
ausfindig gemacht: zwei wichtige Sammlungen (XII.
und XV. Jahrh.) und einige kleinere Schriften (XVI. Jahrh.). Der
besondere Wert der slavischen Überlieferung liegt darin, daß
sie einige Stücke (auch unter dem Namen des Ephraem Syrus und
Markus Eremita) enthält, die in der griechischen Überlieferung
bisher nicht bekannt sind.

Ein weiterer Abschnitt behandelt die indirekte Überlieferung
auf slavischem Boden. Trotz der Unzugänglichkeit mancher
Spezialarbeiten ist es dem Vf. gelungen, vielfältige Spuren des
Makarius im slavischen Geistesleben nachzuweisen. Schließlich
ist ein Verzeichnis slavischer Ausgaben und wissenschaftlicher Literatur
hinzugefügt.

Es sei gestattet, einige Bemerkungen anzufügen.

1. Die Verbreitung und Nachwirkung der Makarius-Schriften erstreckt
sich nodi weiter, als der Vf. erwähnt. Neben den arabischen
(vgl. G. Graf, Gesch. d. christl. arab. Lit. I. Die Übersetzungen. Cittä
de] Vaticano 1944. Studi e Testi 118, S. 3 89—39 5) müssen hier jedenfalls
auch die wichtigen syrischen Versionen mit z. T. völlig eigenen
Stücken genannt werden (A. Baumstark, Gesch. d. syr. Lit. Bonn 1922,
85 f.). Im Äthiopischen haben wir nicht nur Nachwirkungen in Heiligenleben
, sondern auch direkte Übersetzungen (B. Turajev, Christianskij
Vostok 4, 1915, 141-154), ebenfalls im Georgischen (J. Dschavachov,
Christianskij Vostok 1, 1912, 24), Koptischen (E. Amelineau, Annales
du Musee Guimet 25, 1894, 46—261) und im Armenischen (Vitae
patrum cd. Ispahan 1641, 564—571; ed. Konstantinopel 1721, 460—465;
cd. Venedig 1 855, 1, 89—97).

2. Nicht erwähnt hat der Vf. das Archäol. Mus. der Geistl. Ak. in
Kiev, das einige slav. Hss. mit Stücken des Makarius enthält: codd.
1 35. 1 51. 1 53. 1 54. Hinweisen möchte ich auch auf eine russische Handschrift
im British Museum (Add. 15715 s. XV1I1 fol. 96) mit einer
Vita des HI. Makarius von Ägypten, auf die ich zufällig gestoßen bin
und die wohl nicht die einzige sein wird.

3. Griechische Hss. mit Stücken des Makarius gibt es auf slavischem
Boden sicher noch in größerer Zahl. Hier einige Beispiele (z. T. Mak.
Alex.), die sich bei genauer Nachforschung wohl noch vermehren ließen.
Leningrad, Öffcntl. Bibl.: cod. 572 s. XIV 5. fol. 17—24; cod. 588 a.
1606 28. fol. 136—146; Archäol. Gesellschaft: cod. 1 a. 1106 fol. 89;
Moskau, Synodalbibl.: vgl. ferner die codd. (Vladimir) 90. 236.
290—292. 296. 307. 7340. 7343. 346. 349. 350. 351. 354. 410. 412.
427. 433; Rumjanzcv-Museum: cod. 62 s. XI/XII fol. 147-149; Kiev,
Archäol. Mus. d. Geistl. Ak.: cod. 150 s. XVI fol. 1-18; Bukarest.
Rumän. Akademie: cod. 966 s. XVII 10. fol. 44—56; cod. 991 s. XVIII
1 • fol. 4—10; Odessa, Hell. Scholc: cod. 1 § 8 p. 255—271. Nimmt man
die Parallclübcrlicfcrung für einige Makarius-Stücke hinzu (bei Basilius
d. Gr., Ephraem Syr., Gregor von Nyssa, Historia Lausiaca, Markus
Eremita) — der Vf. zieht sie für die slav. Überlieferung heran —, so
läßt sich die Zahl der griechischen Hss. noch beträchtlich vermehren.

4. Für die griechische Textausgabc dürfte die slavische Überlieferung
wohl nur geringe Bedeutung haben; das gilt auch für die bisher nur in
slavischen Übersetzungen nachgewiesenen Stücke. Man darf mit großer
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß uns auch dafür noch die griechische
Originalfassung erhalten ist. Genaueres wird sich allerdings erst sagen
lassen, wenn die gesamte griechische Makarius-Überlieferung in der
neuen Ausgabe zugänglich gemacht ist.

5. Dem Literaturverzeichnis möchte ich eine neuere russische Übersetzung
hinzufügen, die Auszüge aus den Homilien enthält: Prep.
Makarij Egipetskij. Duchovnyja besödy sovcr.scnstvö. Berlin 1937.

Eine wirkliche Verwertung dieser slavischen Überlieferung
wird allerdings erst möglich sein, wenn die in entsagungsvoller
Arbeit hier nur nachgewiesenen slavischen Handschriften mit dem
Text der neuen griechischen Ausgabe auch selbst verglichen
werden können.

Über ihre spezielle Bedeutung für die Makarius-Forschung
hinaus verdient die Abhandlung hervorgehoben zu werden,

weil sich der Vf. mit beispielhaftem Mut trotz der schwierigen
Bibliotheksverhältnisse an das Gebiet der christlichen slavischen
Übersetzungsliteratur gewagt hat, deren umfassende Behandlung
trotz einiger guter Ansätze (außer den vom Vf. Erwähnten vgl.
besonders Bonwetsch im 1. Band von Harnacks Geschichte der
altchristlichen Literatur bis Eusebius) noch ein großes Desiderat
unserer Wissenschaft ist. Die vorliegende Abhandlung liefert
darüber hinaus auch einen wertvollen Beitrag zur slavischen
Kulturgeschichte.

Berlin Gerhard Perl

Karpp, Heinrich: Probleme altchristlicher Anthropologie. Biblische
Anthropologie und philosophische Psychologie bei den Kirchenvätern
des dritten Jahrhunderts. Gütersloh: Bertelsmann 11950]. 256 S.
gr. 8° = Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. Begr. v. A.
Schlatter, hrsg. v. P. Althaus U.J.Jeremias. 44. Bd., 3.H. DM 16.—.

Der Untertitel des Buches präzisiert das Thema, das sich der
Verfasser als Beitrag zur Untersuchung der Anfänge einer literarischen
Bearbeitung anthropologischer Probleme innerhalb der
altchristlichen Theologie gestellt hat und das „die Vorgeschichte
der kirchlich-kreatianischen Psychologie" behandeln soll. Demzufolge
sind „biblische Anthropologie und philosophische Psychologie
" methodisch wie inhaltlich als die Grundlagen der mehr oder
minder selbständigen Denkleistung der Väter des 3. Jahrhunderts
anzusehen, für die die Frage nach dem Menschen entscheidend
durch die Frage nach seiner Seele bestimmt war. Ungebunden
noch durch eine kirchlich fixierte Seelenlehre entwickeln sie
auf solcher Grundlage unterschiedliche Typen einer christlichen
Psychologie, obwohl sie doch einig sind in der Voraussetzung,
daß „die alte Frage nach der menschlichen Seele vom christlichen
Glauben aus gesehen und beantwortet werden muß". Hier zeigt
sich neben der sachlichen Ausrichtung an der Bibel die starke Verwurzelung
ihres Denkens in der philosophisch-wissenschaftlichen
Anthropologie der Antike. Und eben damit ist die eigentliche
Aufgabe gestellt, nämlich 1) zu fragen, welche Rolle in der altchristlichen
Psychologie die Bibel spielt, „welche Bedeutung ihr
jeweils grundsätzlich und welche ihr in der Durchführung zugewiesen
wird", „wieweit bei der Synthese mit der antiken Psychologie
noch das Anliefen der biblischen Anthropologie verstanden
und festgehalten ist"; sodann 2) „das Verhältnis zur Wissenschaft
und Philosophie" herauszuarbeiten besonders unter dem
Gesichtspunkt, „wieweit das Wissbare wirklich mit den Mitteln
der derzeitigen Wissenschaft, also wirklich aus Sachkenntnis und
eigener Anschauung dargestellt wird".

Nach einer kurzen Übersichtsskizze über die biblische Anthropologie
und die antike Psychologie stellt K. dementsprechend
„die Entwicklung der drei Typen altchristlicher Psychologie dar:
l) den Traduzianismus an Tertullian, 2) den Kreatianismus, der
als Typ aber noch nicht rein ausgeprägt ist, an Clemens v. Alexandria
, Laktanz und Arnobius und 3) den Präexistentianismus an
Origenes.

Jeden dieser Schriftsteller behandelt er in einem etwas ermüdenden
, wenngleich recht eindringlich klärenden Schematismus
so, daß er jeweils die Anschauung von der Seele skizziert (Wesen
, Entstehung, Tätigkeit, Tod etc), dann die leitenden Motive
hervorhebt, die zur Ausprägung des besonderen Typs geführt haben
, weiter das Verhältnis von Christentum und Philosophie untersucht
(grundsätzliche Stellung zur Phil., Einfluß der Phil.. Einfluß
der Bibel bezw. auch der kirchlichen Tradition) und schließlich
eine Würdigung der Seelenlehre gibt, die mit den Maßstäben
einer theologischen Anthropologie das Verhältnis des Ganzen zu
seinen Teilen zu ordnen sucht. Namentlich der letzte Abschnitt
führt jeweils über die Feststellung stofflich-formaler Abhängigkeiten
weit hinaus und enthält z. T. auch Hinweise auf die geschichtliche
Wirkung. Ein allgemeiner zusammenfassender Rückblick
auf die christliche Psychologie im 3. Jahrhundert und ein
knapper Ausblick bis hin zu Augustin schließen die Arbeit ab.

Man mag in manchen Einzelheiten nicht ohne weiteres den
Ausführungen des Verfassers beistimmen; doch verdient in jedem
Falle die vorsichtig behutsame Art seiner Darstellung volle Anerkennung
. Vor allem ist das auf sauberer Einzelarbeit beruhende
Gesamtergebnis durchaus positiv zu werten, das an einem sehr
bedeutsamen Problem einen guten Einblick in das Verhältnis
von Philosophie und Theologie in den Anfängen theologischen