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Ausgabe:

1953

Spalte:

25

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Edlund, Conny

Titel/Untertitel:

Das Auge der Einfalt 1953

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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25

Theologische Literaturzeitung 195 3 Nr. 1

26

NEUES TESTAMENT

E dl und, Conny: Das Auge der Einfalt. Eine Untersuchung zu Matth.
6, 22—23 und Luk. 1 1, 34—35. Kopenhagen: Munksgaard; Lund: Glee-
rup [1952]. 143 S. gr. 8° = Acta Seminarii Ncotestamentici Upsalien-
sis. Edenda curavit A. Fridridisen XIX. skr. 10.—.

Der Verfasser beabsichtigt eine genaue Exegese von Mt.6,
22 f. par. Lk. 11, 34 f. Im ersten Kapitel wird in formaler Analyse
gezeigt, daß der Kern des Wortes im Mittelsatz besteht, der
besagt, daß der Charakter des Auges als änXovg oder novrjgog
das ganze Wesen des Menschen bestimmt (S. 11—18). Das ist
natürlich richtig; nur liegen die zum Beweis angeführten Parallelen
(S. 15) völlig anders. Im Satz „Das Auge ist die Lampe des
Leibes" ist der Hauptbegriff „Auge" Subjekt, im Satz „Ihr seid
das Licht der Welt" Prädikat. Hier folgt dieser Hauptaussage
ein Glcichniswort, während dort eher der Mittelsatz deutend ist.
Im zweiten Kapitel wird der alttestamentliche Sprachgebrauch
untersucht: der Mensch ist immer gesehen als vor Gott stehend.
Leib und Seele, Augen und Herz sind nur zwei Seiten je des
ganzen Menschen. bezeichnet nicht nur das fehlerlose Opfertier
, sondern vor allem Jahwe wie den Frommen als den „ganzherzig
" Handelnden (S. 19—50). Notwendig wäre hier freilich
eine Scheidung der verschiedenen alttestamentlichen Schichten:
wie früh und wo beginnt dieser Sprachgebrauch? gilt es einfach
für a 11 e Schichten des AT, daß die Sünde als etwas Unvermeidliches
angesehen wird (S. 3 5)? usw. Das dritte Kapitel handelt
vom Spätjudentum, wo anXovs und anXoTT]q je läger je mehr
ün wiedergeben. Besonders stechen die Test. XII hervor, wo
das Wort die Einheitlichkeit und Ganzheit des ethischen Verhaltens
des Menschen gegen Gott und den Nächsten umschreibt
und so das Ideal pietistischer Kreise umschreiben mag, die damit
über die pharisäische Haltung hinauskommen möchten (S.
51—79). Der vierte Teil untersucht änXovg und verwandte Begriffe
im NT und zeigt, daß auch hier damit nur ausgedrückt wird,
daß der Mensch mit ganzem, ungeteiltem Herzen leben soll.
anXÖTrji; ist also nicht mit „Freigebigkeit" zu übersetzen
(S. 80—102). Nicht ganz überzeugend ist das Ausgehen von dem
sehr unsicheren Fall Jak. 1,5 bei der Zusammenfassung S. 101.
Im fünften Kapitel wird die Exegese des Mt.- und Lk.wortes
geboten. Das erste betont den totalen Anspruch Gottes an den
Menschen: mit ganzem Herzen und also mit „einfältigem Auge"
vor ihm zu stehen. Das Lk.wort will die Verstockung der Pharisäer
damit erklären, daß sie eben dies nicht tun. So gibt
Mk. 10, 15 die beste Exegese des Logions: „Wer die Königsherrschaft
Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht in sie
eingehen" (S. 103—122). Entgegen den Vorbemerkungen bleibt
dabei freilich unklar, ob damit die Meinung der Evangelisten
oder die Jesu ausgedrückt sein soll. Nach dem S. 104 Gesagten
das erste; aber dann darf man die Exegese des Lk.wortes nicht
gipfeln lassen in einem Zitat aus Jeremias, der das Wort in seinem
ursprünglichen, vorlukanischen Sinn hineinstellt in die
eschatologische Hochspannung der „bevorstehenden Krisis".
Wenn jemand gerade dieses Anliegen nicht betont, dann
Lukas! An solchen Punkten dürfte Stärke und Schwäche dieser
Arbeit sichtbar werden. Der Verfasser hat fleißig gelesen und
gibt ein reichhaltiges, sehr brauchbares Literaturverzeichnis; aber
allzu oft werden Stimmen anderer einfach zitiert statt verarbeitet
. Auch das Zitieren neutestamcntlicher Stellen nach der Lutherbibel
sollte in einer wissenschaftlichen Publikation unterbleiben.
So ist das Buch ein brauchbarer Überblick, dessen Hauptthese man
durchaus zustimmen kann, und der neben dem sehr kurzen Artikel
im Theol. Wörterbuch seinen guten Platz hat. Mehr ist es
freilich nicht.

Zürich Eduard Schweizer

Lohse, Eduard: Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1951]. 108 S. gr. 8°. HIw.
DM 8.40.

Diese aus einer bei Joachim Jeremias 1949 eingereichten
Dissertation herausgewachsene Untersuchung behandelt
ein in mancher Hinsicht wichtiges Problem, für das eine Spezial-
monographie in deutscher Sprache seit längerem ein Desideratum

war. Die Ordination mit der impositio manuum ist in der Katholischen
Kirche ein Sakrament; im Luthertum ist die Wertung
schwankend. Nach Melanchthon gehört sie zu den ritus mutabi-
les, gilt aber als nützlich; andere nehmen sie als reines Adiapho-
ron. Bekanntlich sind Amt und apostolische Sukzession von manchen
Theologen, wie etwa den hochkirchlichen Lutheranern des
19. Jahrhunderts, sehr hoch eingeschätzt worden. Man braucht nur
F. J. S t a h 1 s „Kirchenverfassung nach Lehre und Recht der
Protestanten" (Erlangen 18622) aufzuschlagen, ein durch seine
brillanten Formulierungen noch immer fesselndes Buch, um folgende
Erklärung zu finden: „Die Händeauflegung ist nicht ein
magischer Akt, ist nicht ein sakramentaler Akt wie Taufe und
Abendmahl. Sie stellt nur den zum Amt Berufenen Gott dar
und bewirkt, daß Er Segen und Gabe mitteile.---Ihre Bedeutung
ist die Darstellung der Person vor Gott inder vorausgesetzten
Wirkung, daß Gott von ihr Besitz nehme und

sie durch seine Nähe und durch seine Macht bedecke.---Die

Ordination wirkt nicht eine unvertilgbare Eigenschaft, wohl
aber eine immerdauernde Verpflichtung" (140 ff). Es versteht
sich, daß derart weittragende Behauptungen eine exakte Untersuchung
der Schriftzeugnisse und ihres Verständnisses erfordern.
Diese Arbeit ist nunmehr von Lohse geleistet worden.

Die atl. Zeugnisse (19-27) für die S°mikhah = Handauf-
stemmung — ein Terminus aus der Opferthora, der zum Typus
der priesterlichen Ordination geworden ist — sind von den Segnungsberichten
abgesehen die Einsetzung der 70 Ältesten durch
Moses und vor allem die Amtseinsetzung Josuas, die das jüdische
Vorbild für das Verhältnis von Lehrer und Schüler geworden ist.
Die rabbinischen Zeugnisse für die Ordination — zweiter
Hauptteil des Buches (28—66) — knüpfen zumeist an Num. 11,
16 ff.; 27, 15 ff. und Deut. 34, 9 an. Lohse stellt klar heraus, daß
die jüdische Gelehrtenordination mit einer sakramentalen Priesterweihe
überhaupt nichts zu tun hat. „Der Versuch einer theologischen
Wertung und Beurteilung der jüdischen Ordination hat
daher sehr vorsichtig zu geschehen" (65). Es ist erfreulich, daß
der Vf. einsieht, mit Begriffen der christlichen Dogmengeschichte
ist dem Phänomen nicht näherzukommen. Man muß aber noch
über L. hinaus von der späteren und modernen Erteilung von
Rabbinatsdiplomen. der Hattarah Horaa, ausgehen, um
das Wesen der Semikhah in frühchristlicher Zeit erkennen zu können
. Dem Ordinierten wird nämlich mit der Scmikhah so viel
Kenntnis der Gesetzesauslegung zugesprochen, daß er zu selbständigen
halakhischen Dezisionen, auch als Richter in Strafprozessen,
autorisiert ist.

Die Geschichte der alten S°mikhah wird von L. aus den
Quellen so dargestellt, daß sie in der ntl. Zeit vom Lehrer dem
Schüler in ununterbrochener Kette erteilt wurde, bis sie nach der
Mitte des 2. Jahrhunderts allmählich zentralisiert auf den Patriarchen
, bzw. die Zentralbehörde überging (3 5 ff.). Das Auflegen
der Hände als ein Teil der Ordination hat nach L. zu Ende des
3. Jhdt. aufgehört (38 f., 48); für Babylonien gibt es aber noch
im späten 4. Jahrh. Zeugnisse (vgl. Abr. Heschel: Laying
of Hands, Jewish Universal Encyclopedia VI. 1942, 565). Daß die
Ordinationen im 5. Jahrh. dann überhaupt aufgehört haben sollen
(40), ist wahrscheinlich nicht richtig; Bernh. Revel
(Hiddusch ha - Semichah, Horeb V, 1939, 1—26) hat sie bis zum
Tode des Gäon und Nassi Daniel ben Azariah (1062) für Palästina
in Kraft sehen wollen, vielleicht sogar bis zur Erstürmung
Jerusalems durch die Kreuzfahrer (1099).

Weit dunkler ist die Frühgeschichte der S°mikhah. L. nimmt
m. E. mit Recht an, daß sie in die vorchristliche Zeit zurückreicht
(25, 30). E. S t a u f f e r hat ihn auf die Stelle Ass. Mos. 12, 2 hingewiesen
. Für die alte Zeit wissen wir über den äußeren Ritus
fast nichts (47). Ich glaube aber wahrscheinlich gemacht zu haben,
daß der in dem pseudoklementinischen Petrusbrief nebst Conte-
statio beschriebene judenchristliche Ordinationsbrauch — als
üvaytoyr) McdVoeok bezeichnet — aus vorchristlichen
Verhältnissen übernommen worden ist (Theol. u. Gesch. des Judenchristentums
Tüb. 1949,291). Die hier zu findende Angabe
einer sechsjährigen Lern- und Probezeit für den Ordinationsan-
wärter ist von L. leider nicht näher verfolgt worden. Daß nur
Verheiratete und diese erst von einem höheren Alter ab ordiniert
wurden — L. nennt mit Recht 40 „nur eine runde Zahl"