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Ausgabe:

1953 Nr. 7

Spalte:

431-433

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Schultes, Marianne

Titel/Untertitel:

Hölderlin-Christus-Welt 1953

Rezensent:

Seebass, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 7

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rische Idee der Tauf-V ermählung übernommen hatte und
Epiphanias als das Fest der tria miracula verherrlichen wollte
(7. Jhdt). Ämiliana Lohr (Herstelle) weist dem hl. Christopherus
höchstens die Existenz zu, immerhin die eines Märtyrers —
alles andere beurteilt sie als bloße Legende, die aus dem Namen
gezogen wurde, und aus der Bartholomäuslegende gespeist ist.
Sinn: das Unterwegssein unter der Last Gottes; „das wahre Tragen
und Getragensein", der „Christus in uns" und „die Ruhe
in ihm". Ein guter Quellenberichtt ist der Dom H i 1 d's (Luxemburg
) über das Kultmysterium bei Albertus Magnus. Albertus hat
ungefähr das, was man bei Thomas von Aquino findet. Interessant
die These Leclercqs, es gebe „deux moyen Ages", durch
das 8.—12. Jhdt., das eine war im Mönchtum bewahrt, hier stand
Albertus; das andere lag außerhalb und war dekadent, nämlich
die Scholastik und Frömmigkeit der Universitäten — aber wieder
verband Albertus die Universität und das Mönchtum. Anton
L. M a y e r gibt einen fesselnden Durchblick durch die Geschichte
der Darstellungen der Ecclesia im Bilde, von der Beata Urbs zum
Mysterium Crucis und schließlich zur Ecclesia Imperatrix („Utrum
per bonum iuristam melius possit regi Ecclesia-quam per theolo-
gum?" — 14. Jhdt.). H.Hatzfeld (Washington): Mysteriennähe
bei Juan de la Cruz, weil Kultnähe — Mysterienferne, wo
der Kult vergessen wird. „Der Myste wirkt, der Mystiker erlebt
das mysterium fidei". A. Cohausz (Paderborn) gibt einen
Durchblick durch die Veränderung der Seelsorge, welche vom
Schwinden des Bewußtseins: „Kirche ist mystische Gemeinschaft"
bedingt war (speziell für den westfälischen Teil der Paderborner
Diözese). G. van der Leeuw (Groningen f 1950): „Wir gedenken
seines Todes und seiner Auferstehung, wie Er sie uns
vermachte, als Sein Geheimnis, als Er sprach: Dies mein Leib,
dies mein Blut. Seitdem ist das einzig Wichtige an unserem Leben
wie an unserem Tod dieses Geheimnis". (Der Aufsatz selbst
geht über „Krieg und Kampf bei Primitiven"). B. N e u n h e u-
s e r (Maria Laach) tat der Auslegung der Enzyklika „Mediator
Dei" einen notwendigen Dienst, indem er die Grenzsetzung
gegen hybride Bildungen, welche Pius XII. darin zog, scharfsinnig
profiliert. Aber warum läßt Neunheuser S. 350 die „offizielle
deutsche Übersetzung" (Nr. 87 der lat. Ausgabe Herder) hingehen
? „Sie werden zur Gottesverehrung bestellt" — ist das wirklich
die Meinung des „divinus cultus" an dieser Stelle? (Dagegen
hat N. mit Recht: „Glieder im mystischen Leibe Christi
des Priesters").

Man sieht: Das Werk ist profund katholisch, aber gerade
so ein Florilegium der katholischen „Mysterientheologie", und
zwar ein Wanderführer in neue Gebiete. Besonderes Lob verdienen
die ausgezeichneten Anmerkungen zu jedem Aufsatz.

Augsburg Leonhard Fendt

LITERATURGESCHICHTE

Schuttes, Marianne: Hölderlin, Christus, Welt. Ein Deutungsversudi.
Krailling vor München: Wewel 1950. 272 S., 1 Titelb. 8°. Lw.
DM 8.60.

Es ist bemerkenswert, wie nachdrücklich Hölderlins Werk
wieder in den Blickpunkt unserer Zeit rückt; im Zentrum steht
die Beschäftigung mit einem Problem, das sich immer stärker als
das wesentliche herausstellt: nämlich das Verhältnis Hölderlins
zu Christus. Katholische und evangelische Forscher und Laien
suchen diese Frage von verschiedenen Standpunkten aus zu beantworten
; Alois Winklhofer, Eduard Lachmann, Wilhelm Küte-
meyer, Ernst Emmert, Erich Przywara, Hellmut Wocke, um nur
ein halbes Dutzend Namen zu nennen, haben in den letzten Jahren
wertvolle Arbeit geleistet, um die überaus schwierigen Zusammenhänge
zu klären, die durch die Thematik namentlich von
Hölderlins Späthymnen gegeben sind. Ihnen schließt sich neu-
estens Marianne Schuhes an mit einem Deutungsversuch, wie sie
bescheiden ihr Werk „Hölderlin-Christus-Welt" nennt, das eine
besondere Stellung in der allmählich stark anschwellenden Literatur
über den Dichter einnimmt.

Zweifellos ist das Buch aus einem einheitlichen Guß geschrieben
und läßt die leidenschaftliche Hingabe des echten Dilettanten
d. h. Liebhabers auf jeder Seite spüren; als Bekenntnis eines von
Hölderlins Dichtung bis in seine Tiefen erregten Menschen müssen
wir ihre Arbeit ernstnehmen: aus lebendigem religiösem Erleben
heraus, unter starker Betonung der eschatologischen Motive in
Hölderlins Spätwerk und mit ungewohnten weiten Perspektiven
möchte die Verfasserin der vielgefeierten und vielumstrittenen
Gestalt des geliebten Dichters in der katholischen Kirche gewissermaßen
Heimatrecht verschaffen, ohne seine Herkunft aus dem
evangelischen Raum zu verkennen, aber ohne Hölderlins letztes
Verwurzeltsein im hellenischen Mythos in seiner ganzen Schwere
zu erfassen. So fehlt z. B. jeder Hinweis auf die innere Verbindung
mit den Vorsokratikern, wie sie Gisela Wagner in streng
wissenschaftlicher Arbeit 1937 nachgewiesen hatte; aber auch auf
die mittelalterliche Mystik, die schon früher von Veronika Erdmann
in ihrer wertvollen Dissertation als wichtig im Zusammenhang
mit Hölderlins Denken erkannt war. Jedenfalls hat Ernst
Emmert, dem wir wesentliche wissenschaftliche Beiträge zur Hölderlinforschung
verdanken, recht, wenn er in diesem Buch einen
willkommenen Beitrag zur Lösung der drängenden bestehenden
Krise sieht, „ob die Wissenschaft auf die Dauer darum herumkommt
, in den letzten und höchsten Fragen göttlichen und
menschlichen Seins jene klaren Entscheidungen anzustreben, welche
für eine verständnisvolle Klärung der Probleme einer Dichtung
unerläßlich sind, die letzthin um die Frage kreist: wer ist
Christus?"

Marianne Schultes, die gläubige Katholikin, stellt Hölderlin
in den weiträumigen Bereich der christlichen Gesamtkirche mit
ihrer fast zweitausendjährigen Überlieferung, und so ist es nicht
verwunderlich, daß sie ihre Ausführungen mit Zitaten aus der
frühchristlichen Literatur stützt, aus Augustinus, Dante, Thomas
von Aquin, über Nikolaus von Cusa bis zu heutigen katholischen
Dichtern und Denkern wie Konrad Weiß, Reinhold Schneider,
Romano Guardini und Josef Pieper; aber in keiner Weise konfessionell
beengt, läßt sie auch Luther, Leibniz, Kant und Kierkegaard
zu Worte kommen, und das katholische wie evangelische
Kirchenlied vom Gregorianischen Choral und mittelalterlichen
Mariendichtungen bis Zinzendorf und Tersteegen wird ausführ- ^
lieh herangezogen, um die innere Verwandtschaft mit Hölderlins
Spätdichtung aufzuweisen. Namentlich aber liegt ihr daran, Dichtung
und Liturgie in ihrem Verhältnis zu sehen: an zahlreichen
Stellen wird, manchmal überraschend, ein innerer Zusammenhang
gefunden, manchmal werden, weniger überzeugend, die Beispiele
allzu weit hergeholt.

Nur in großen Zügen können hier einige Leitmotive der
Darstellung zum Anklingen gebracht werden, die sich nur kurz
auf den Hyperion und Empedokles, vielmehr fast ausschließlich
auf die Hymnik und späten Bruchstücke bezieht, während die ganze
Lyrik der Hauptschaffenszeit außer Betracht bleibt: „Die Hymnen
sind stellenweis wie eine Ölbergangst vor dem, was über die
Kreatur kommen muß, weil die rohe Ehrfurchtslosigkeit und Maßlosigkeit
in der Seele der abendländischen Völker aufgewacht ist.
Der Himmel darüber bleibt; d.h. es kommt neue Klarheit von
oben." — „Hölderlin ringt um das Innenverhältnis zwischen
Evangelium und Geschichte als Erkenntnisweg der Menschheit.. •
er ringt als Dichter um das Wesen der Botschaft Christi, die über
dem »Zürnen der Welt« steht.. .Trotz dogmatischer Schwierigkeiten
, die Hölderlins Glauben aus dem Geist seiner Zeit bedrohen
, ist bei der tiefen religiösen Erkenntnis der späten Hymnen
wohl an die Worte Christi zu denken: Wer sich (wie Hölderlin) in
Lauterkeit nach der Erfüllung meiner Botschaft sehnt, der ist's, der
mich liebt." — „Bei Hölderlin ist es stellenweise, als trüge er die
Wunden der Geschichte, des Vaterlandes, der Kirche und der
Erde am eigenen Leib, letztlich birgt Hölderlin alles in einem großen
Vertrauen auf eine künftige, hierarchisch gestufte Ordnung
der ewigen Wahrheit." Es wird von der Verfasserin versucht zu
erspüren, „wie heftig Hölderlin anprallt am Felsen »Christus«,
wie er wahrscheinlich menschlich daran zerschellt, und wie der
Glaube an Christus in Hölderlins Dichtung trotzdem: der Eckstein
der Geschichte bleibt".