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Ausgabe:

1953 Nr. 7

Spalte:

423-424

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Kukenheim, Louis

Titel/Untertitel:

Contributions à l' histoire de la grammaire grecque, latine et hébraïque à l'époque de la Renaissance 1953

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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423

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 7

424

kritik sich aus, so daß wir zwischen beiden zu wählen hätten,
oder gibt es eine Synthese zwischen beiden?

In einem ersten historischen Überblick unter dem Thema:
„das Christentum als Religion der Bibel" zeigt der Verf., daß
die Frage Schriftautorität und Bibelkritik schon von Anfang des
Christentums an, also lange vor der historischen Bibelbetrachtung
bestanden hat, zunächst besonders dem Alten Testament
gegenüber. Die Schriftautorität beider Testamente hat sich zwar
durchgesetzt in der Kirche, eine unbewußte Bibelkritik kam aber
in gewaltsamen Ilmdeutungen des ursprünglichen Schriftsinnes
als Bibelkritik von der Kirchenlehre her zum Ausdruck, die in
der Lehre vom mehrfachen Schriftsinn legitimiert wurde. Zu einer
bewußten Bibelkritik, die allmählich die Bibelautorität abbaute,
ist es erst durch die aus dem Humanismus erwachsene und im
18. Jahrhundert ausgebildete historisch-kritische Bibelforschung
gekommen, die, wie es auch mit ihren Einzelergebnissen stehen
mag, als solche „niemals zurückgenommen werden kann" (S. 17).
Sie hat erwiesen, daß die Geschichte Jesu wie die biblische Geschichte
überhaupt, in der Bibel ein Bild gefunden hat, das vom
Glauben gezeichnet ist und nicht als objektiv-historische Darstellung
gewertet werden kann, ja daß „vielfach der Glaube diese
Geschichte geschaffen hat, die ihn beweisen soll" (S. 19). Die
Bibel ist „Ausdruck eines Glaubens, der seine eigene Geschichte
hier bekennt" (S. 22). Das biblische Geschichtsbild wird wissenschaftlich
betrachtet unsicher. Die Bibelautorität ist in Bezug auf
ihre historischen Aussagen in Frage gestellt. Man wird nun die
Lösung des damit bestehenden Problems allerdings kaum in der
Behauptung des Verfs. sehen dürfen, „daß die Wahrheit des
christlichen Glaubens in keiner Weise an der Richtigkeit des Geschichtsbildes
haftet, in dem er lebt, sondern allein darin, ob er
in der G e s c h i c h t e, die er in diesem Bilde in eigentümlicher
Gestaltung entwirft, wirklich begründet ist"
(S. 23). Wenn die Tat Gottes in der Geschichte Jesu Christi
Grund und Gegenstand christlichen Glaubens ist, dann ist er an
der Richtigkeit seines Geschichtsbildes, sofern es diese Geschichte
betrifft, unendlich interessiert und seine Wahrheit hängt
von ihr ab. Wie kann der Glaube an ein geschichtliches Ereignis
gebunden sein, von dem er vielleicht ein ganz falsches Bild hat?
Daß die historisch-kritische Forschung ihm seinen geschichtlichen
Grund nicht sichern kann, ist allerdings richtig. Aber hier zeigt
sich, daß es nicht angeht, wie der Verf. es möchte, den Konflikt
zwischen Bibelautorität und Bibelkritik im Anschluß an Rudolf
Bultmann dadurch zu lösen, daß man das biblische Geschichtsbild
einer angeblich gegenüber der Glaubensentscheidung neutralen
Wissenschaft überläßt und die Bibelautorität auf ein durch exi-
stentiale Interpretation der Bibel gewonnenes gläubiges Existenzverständnis
beschränkt. Eine solche Zweispurigkeit von wissenschaftlicher
Bibelkritik und glaubensmäßiger Bibelautorität ist
deshalb unmöglich, weil beide sich an der Stelle überschneiden,
wo das Wort Fleisch d. h. auch geschichtliches Objekt geworden
ist. Die Bibel hat als frohe Botschaft ihre Autorität darin, daß
sie „Gottes große Taten", damit aber wohl oder übel auch geschichtliche
Tats a c h e n verkündet, die nun einmal aus dem
Kerygma nicht eliminiert werden dürfen, aber der historischen
Kritik unterliegen. Die Bibelkritik ist nur der Ausdruck für die
menschliche Ungesichertheit der Bibelautorität. Eine befriedigende
Lösung des heute so brennenden Problems bietet die Schrift trotz
wertvoller Gesichtspunkte nicht, weil die Frage selbst nicht in
ihrer letzten Schärfe gesehen ist.

Mainz Werner Wiesner

Kukenheim, Louis, Prof.Dr.: Contributions ä l'Histoire de la
Grammaire Grecque, Latine et Hebralque ä l'Epoque de la Renaissance
. Leiden: Brill 1951. X, 143 S. gr. 8°. hfl. 16.—.

Die gewaltige geistige Arbeit zu verfolgen, die seit Beginn
des 14. Jahrhunderts bis etwa 1540 in der grammatikalischen
Aufhellung des Griechischen, des Lateinischen und des Hebräischen
geleistet worden ist und in den ersten Jahrzehnten des 16.
Jahrhunderts nicht nur zur Aufstellung des Ideals eines homo
trilinguis, sondern auch zur Gründung von collegia und studia
trilinguia geführt hat, ist das Ziel des vorliegenden Buches. So

wird nach einer Einführung (S. 1—6) zunächst die Griechische (S.
7—45), dann die Lateinische (S. 46—87) und zuletzt die Hebräische
Grammatik (S. 88—129) behandelt und das Gesamtergebnis
auf S. 130—133 zusammengefaßt. Chronologische Tafeln führen
Namen und Titel der wichtigsten für die drei Gebiete in Betracht
kommenden Gelehrten und Veröffentlichungen vor (Griechisch S.
134-135, Lateinisch S. 136-139, Hebräisch S. 139-141), und
eine Bibliographie von zwei Seiten (S. 142—143) beschließt das
Buch.

Das der Hebräischen Grammatik gewidmete III. Kapitel (S.
88—129), auf das sich diese Anzeige beschränken muß, legt, nachdem
es in § 1—5 von der Pflege der hebräischen Sprache bei Juden
und Christen, von deren Zusammenarbeit und von anderem
gehandelt hat, in § 6—16 dar, wie die Grammatiken des berücksichtigten
Zeitraums angelegt waren, was sie über Aussprache,
Orthographie, Artikel, Substantiv, Verbum usw. zu sagen hatten,
und entwirft damit ein anschauliches Bild von der Art der hier
in Betracht kommenden Bücher. Daß bei der Fülle der Namen
und Titel, die zu nennen waren, hier und da ein Druckfehler
stehen geblieben ist — etwa Pederson statt Perdersen S. X und
Wittenbourg statt Wittenberg S. 146 — und einige Büdier übersehen
worden sind, erklärt sich leicht. Aber die Erstausgabe der
Hebräischen Grammatik von A u r i g a 11 u s aus dem Jahre 1523
(S. 140 wird die Ausgabe von 1525 genannt, ohne Hinweis auf
eine frühere Ausgabe) vermißt man schmerzlich, um so mehr, als
der Verf. auf S. 5—6 ausdrücklich sagt, daß er grundsätzlich immer
die Erstausgaben zu Rate gezogen habe. Weiter hätte in
der Bibliographie die wichtige Aufsatzreihe von Gustav Bauch
über „Die Einführung des Hebräischen in Wittenberg (Monatsschrift
für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 48, 1904,
S. 22-32. 77-86. 145-160. 214-223. 283-299. 328-340.
461—490) eigentlich nicht fehlen dürfen. Offenbar stellt sich der
Verf. den Verlust, den die deutschen Bibliotheken durch den
zweiten Weltkrieg ja in der Tat leider erlitten haben, als so groß
vor, daß er hier keine genaueren Nachforschungen glaubte anstellen
zu müssen. S. 128 wirft er nämlich nach Nennung der
Bibliotheken, die von ihm für seine Arbeit benutzt worden sind
oder doch hätten benutzt werden können, die Frage auf, ob die
deutschen Bibliotheken, die doch viel ihn angehendes Gut jedenfalls
enthalten hätten, überhaupt noch existierten. Glücklicherweise
steht es da, wenn Einzelfälle ein Urteil zulassen, nicht ganz
so schlimm, wie es scheinen könnte. Das „Compendium Hebreae
Grammtices per Mattheum Aurigallum", Wittenberg 1523 hat
mir sowohl die Hallesche als auch die Marburger Üniversitäts-
Bibliothek zur Verfügung stellen können, und andere hierher gehörige
Bücher können nach wie vor in der Wittenberger Lutherhalle
eingesehen und auch von dort entliehen werden.

Halle Saale OttoEißfeldt

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Merki, Hubert, O. S. Ofioioimc. ßurT,. Von der platonischen An-
gleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa. Frei-
burg/Sdiweiz: Paulusverlag 1952. XX, 188 S. 8° = Paradosis. Beiträge
zur Geschichte der altchristlichen Literatur und Theologie VII.

Die Theologie des Nysseners wurde in den letzten 20 Jahren
nach verschiedenen Seiten eifrig durchforscht und findet auch
in der Gegenwart das besondere Interesse der Gelehrten. In erster
Linie werden in jüngster Zeit die Abhängigkeit und die Beziehungen
des Kirchenvaters zu Plato und den von ihm beeinflußten
philosophischen Systemen der Antike untersucht. Im Rahmen
dieser Problemstellung wird besonders die Frage nach der „An-
gleichung des Menschen an Gott" und ebenso das Eikon-Theorem
( = Abbildlichkeit des Menschen von Gott) erörtert. So wurde
z. B. in dieser Zeitschrift 1952, 561-563 die tüchtige Arbeit von
R. Leys, L'image de Dieu chez Gregoire de Nysse (1951) gewürdigt
, die für den Verfasser der vorliegenden Arbeit zu spät erschien
, um voll ausgewertet werden zu können.

Im 1. Teil (S. 1-91) wird die Vorgeschichte des Problems
der öfioimaig fttw und das Motiv der elxwv fteov in der An-