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Ausgabe:

1953 Nr. 7

Spalte:

415-417

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schaeffer, Claude F.-A.

Titel/Untertitel:

Enkomi-Alasia 1953

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 7

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ALTER ORIENT

Schaeffer, Claude F. A.: Enkomi-Alasia. Nouvelles Missions en
Chypre 1946—1950. Avec une note preliminaire de Rene D u s s a u d
et des contributions de H. J. P 1 e n d e r 1 e i t h et O. M a s s o n.
Paris: Klincksieck 1952. X, 448 S., 1 Titelb., 4+116Taf. 4° =
Publications de la Mission Archeologique Francaise et de la Mission
du Gouvernement de Chypre ä Enkomi, Tome L

Die 1929 begonnene Ausgrabung des nordsyrischen Ras
Schamra, des antiken Ugarit, hat die Blicke der Forscher erneut
auf die Insel Zypern gelenkt, die, nur durch einen 100—150 km
breiten Meeresarm von dieser Stätte getrennt, nach Ausweis vieler
hier zu Tage gekommener Objekte jedenfalls seit der Mitte
des 2. Jahrtausends v. Chr. mit ihr in regen Handelsbeziehungen
gestanden hat. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß der Ausgräber
von Ras Schamra, Cl. F. A. Schaeffer, seine Aufmerksamkeit auch
auf Zypern gerichtet, hier insbesondere die Erforschung der Ras
Schamra gegenüberliegenden Stätte von Enkomi in Angriff genommen
und — nach einem 1936 erschienenen Bericht über seine
„Missions en Chypre 1932—1935" — jetzt, 1952, in dem oben
genannten prächtig ausgestatteten Band die Ergebnisse seiner
1946—1950 in Enkomi vorgenommenen Ausgrabungen mitteilt.

Eine aus Rene Dussaud's Feder herrührende „Note Preliminaire
" (S. 1—10), die sich für die schon früher vertretene,
aber hier mit neuen Argumenten gestützte Identifizierung von
Enkomi mit dem in den Mari-, Nuzi-, Boghazköi-, Amarna- und
Ras Schamra-Texten sowie in ägyptischen Quellen und im Alten
Testament vorkommenden Alasia einsetzt, eröffnet den Band.
In dem dann folgenden I. Kapitel, „Informations supplementaires
sur les fouilles de 1934 et rapport preliminaire sur les campagnes
de 1946—47" (S. 11—35) wird dargelegt, daß bei der bis dahin
lediglich für eine Nekropole gehaltenen, aber 1934 als Stadtlage
erkannten Stätte von Enkomi drei Besiedlungsschichten festgestellt
werden konnten, die der Früheisenzeit (12. und 11. Jahrh.
v. Chr.), die der Spätbronzezeit (1550—1225 v. Chr.) und die der
Mittelbronzezeit (1900-1600 v. Chr), daß die Stadt von einer
mächtigen Befestigungsmauer umgeben gewesen ist und daß im
Westen des Stadtgebietes Reste von Bronzegießereien aus dem
12. und 11. Jahrhundert v. Chr. zu Tage gekommen sind. Kap. II,
„Materiaux pour l'etude de la civilisation de Chypre aux
Xlle—Xle siecles et des Peuples de la Mer" (S. 37—104), führt
Funde aus der Zeit der Besetzung der Stadt durch die „Seevölker"
vor: Bronzegegenstände wie Äxte, Hacken, Spateln und Ringe,
weiter knöpf- und kuppeiförmige Siegel und Zylindersiegel, letztere
mit Prozessions- und Jagddarstellungen; eine mit Gold eingelegte
Bronzestatuette des Gottes Atum, die wohl aus Ägypten
importiert ist; Graffiti mit Viehzucht-, Jagd-, Krieg- und See-
fahrt-Scenen.

Kap. III, „Tombes intactes decouvertes ä Enkomi-Alasia"
(S. 105—237), beschreibt eine Reihe von unversehrt aufgefundenen
, z. T. mehrfach benutzten Gräbern mit reicher Fülle von
Gold-, Silber-, Bronze-, Eisen-, Elfenbein-, Stein-, Glas- und
Keramik-Gegenständen aus den acht Jahrhunderten zwischen
1900 und 1100 v. Chr. und macht dazu diese Feststellungen:
1) Mykenische Vasen sind vor dem 15. Jahrhundert v. Chr.
nicht nach Zypern eingeführt worden; 2) die Bevölkerung, die
zu Anfang des 12. Jahrhunderts v. Chr. in Enkomi-Alasia eingedrungen
ist, hat sich mit der hier ansässigen Bürgerschaft trotz
ihrer Andersrassigkeit friedlich vermischt, so daß hier der Übergang
von der Bronze- zur Eisenzeit ohne Bruch verlaufen ist;
3) zwischen 1200 und 1050 v. Chr. ist die hier vorher so beliebte
mykenische Keramik in Enkomi-Alasia nicht mehr benutzt,
sondern durch die submykenische Ware ersetzt worden. Da diese
Ware mit bestimmten, für die Seevölker- und Philister-Schicht
charakteristischen Siegeln und anderen Objekten vergesellschaftet
ist, kann sie mit Sicherheit dieser Schicht zugewiesen werden,
während die sogenannte Philisterkeramik in Wirklichkeit mit
den Philistern nichts zu tun hat.

Kap. IV, „Un important bätiment d'Enkomi-Alasia. Resi-
dence d'un chef acheen du XlVe-XIIIe siecles" (S. 269-369), beschreibt
das 1949 und 1950 im Westteil der Stadt ausgegrabene,'
aus einem Mitteltrakt und zwei Flügeln bestehende stattliche
zweistöckige Gebäude „Nr. 18", das zwischen 1350 und 1250 v.
Chr. über einem kleineren älteren Bau errichtet, zwischen 1225
und 1175 v. Chr. durch Angehörige einer neuen, den „close
style" einführenden und vielleicht aus Rhodos gekommenen Bevölkerungsschicht
in Anspruch genommen, bald nach 1175 v.
Chr. im Zusammenhang mit dem Eindringen der Seevölker durch
Feuer vernichtet, aber mit seinen Ruinen von einer submykenische
Keramik verwendenden Gruppe doch noch wieder zur Herrichtung
von kleinen Wohnungen und zur Anlage von Bronzeschmelzstätten
benutzt worden ist. Der Ausgrabungsbefund
wird weiter dahin ausgedeutet, daß die Bewohner der
Stadt um 1050 v. Chr. angesichts einer ihr drohenden
neuen Gefahr ihre Habseligkeiten und Götterbilder vergraben
haben und daß die tatsächlich eingetretene und das
Ende der Stadt heraufführende Katastrophe die Wiederausgrabung
dieser Deposita unmöglich gemacht hat. Sodann wird dargelegt
, daß das von der schwedischen Zypern-Expedition ausgegrabene
Grab „Nr. 18" die Familiengruft der mykenischen oder
achäischen Eroberer darstellt, die in der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts v. Chr. Zypern überhaupt und Enkomi-Aalasia insbesondere
besetzt haben, aber gegen Ende des 13. Jahrhunderts
von einer ebenfalls mykenischen, vielleicht aus Rhodos stammenden
Schicht verdrängt worden sind, eine Schicht, die dann
ihrerseits den Seevölkern und einer nach diesen eingedrungenen
neuen ägäischen Welle Platz machen mußte. Es folgt ein Versuch,
die archäologisch festgestellten Tatsachen zu den — leider sehr
dürftigen — literarischen Nachrichten in Beziehung zu setzen, die
uns für die Geschichte Zyperns im 2. Jahrtausend v. Chr. zur
Verfügung stehen. Da ergibt sich dann, weithin als bloße Vermutung
vorgeführt, dieses Bild: Was nach dem Amarna-Brief
Knudtzon 38 der damalige König von Alasia, möglicherweise der
in der Ilias 11, 19—40 als König von Zypern genannte Kinyras,
dem ägyptischen König Amenophis IV (1370—1362 v. Chr.) mitteilt
, daß nämlich die Lukki Teile von Zypern (Alasia) besetzt
hätten, bezieht sich auf das Eindringen der Achäer, die in Zusammenhang
mit der mykenischen Expansion und dem dazu gehörenden
, also im 14. Jahrhundert v. Chr. anzusetzenden, Trojanischen
Krieg — vielleicht unter Führung des in der griechischen Sage
als Begründer des zyprischen Salamis geltenden Teukros — sich
Enkomi-Alasia's bemächtigt und hier die später durch einen stattlicheren
Palast überbaute Residenz „Nr. 18" begründet haben.
Die Tatsache, daß sich die Achäer so weit nach Osten vorgeschoben
hatten und nun eine Bedrohung des hethitischen Machtbereichs
darstellten, nötigte die Hethiter, der ihnen von den auf
Zypern ansässig gewordenen Achäern drohenden Gefahr zu begegnen
und diese Insel ständig im Auge zu behalten. Freilich
haben sie die auf Zypern sitzenden Achäer nicht zur Anerkennung
ihrer Oberhoheit zu zwingen vermocht, während ihnen das bei
dem Zypern gegenüberliegenden Ugarit wenigstens insofern gelungen
ist, als dieses Stadtreich gelegentlich zur Stellung von
Kontingenten für das hethitische Koalitionsheer verpflichtet
werden konnte. Die Tatsache, daß in den ägyptischen Quellen
die Achäer (Akaywas) erst vom Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr.
ab als Feinde Ägyptens auftauchen, ist kein Gegengrund gegen
die Annahme einer um die Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. errichteten
achäischen Oberherrschaft über Zypern; sie ist vielmehr
damit zu erklären, daß die Achäer mit Rücksicht auf ihre See-
fahrts- und Handelsbelange zunächst auf die Wahrung guter Beziehungen
zu Ägypten bedacht gewesen sind und daß erst die
gegen Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. in Zypern eingedrungene
neue achäische Erobererschicht diese Politik geändert und
im Bunde mit den Libyern und den Seevölkern sich zum Angriff
auf Ägypten entschlossen hat. Die Zurückweisung dieser Angriffe
durch Mernephtah könnte es sodann gewesen sein, die dem Regiment
jener neuen Herrenschicht von Zypern den Todesstoß versetzt
und es einer neuen, vielleicht aus Rhodos gekommenen
Gruppe ermöglicht hat, sich an ihre Stelle zu setzen. Diese Vorgänge
spiegeln sich auch in dem Madduwatta-Text, in dem der
hethitische König Arnuwanda III. (1220-1205) seinem Vasallen
Madduwatta vorwirft, er habe die Besetzung von Zypern durch
zwei achäische Heerführer, nämlich durch Attarsija und den König