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Ausgabe:

1953 Nr. 7

Spalte:

413-414

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Vanderbilt Studies in the Humanities 1953

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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413

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 7

414

Unhaltbarkeit aufgezeigt und widerlegt wird, ist schlechthin vorbildlich
. Hatte Stein die Fälschung der Lex Salica in der Zeit des
Hinkmar von Reims behauptet, so führt E. den überzeugenden
Nachweis, daß sie im frühen 6. Jahrh. entstanden sein muß. Dieser
Nachweis stützt sich sehr wesentlich auf neue Erkenntnisse
über den Solidus. W. Holtzmann berichtet über die Sammlung
Tanner als ersten Beitrag einer größeren Folge über „Die Dekre-
talensammlungen des 12. Jahrhunderts". Angesichts der sehr
schwierigen Überlieferungsprobleme scheint die Descendenzfolge,
die er aufstellt, ebenso tragfähig wie seine Lokalisierung der
Sammlung Tanner in die Normandie und ihre Datierung in die
Zeit Clemens' III.

K. Latte behandelt erneut das Thema der Sirenen. Er weist
an Hand dreier Denkmäler nach, daß die Sirenen die Mittagshitze
symbolisieren, was schon vor ihm O. Crusius einmal versucht
hatte. Lattes Interpretation der vorgelegten Denkmäler ist
schlechthin überzeugend. Von hier aus fällt auch neues Licht auf
die Rolle der Sirenen in der Odysee. Freilich wird man dem Autor
nicht folgen können, wenn er auch die Vogelweibchen auf Grabstelen
in gleicher Weise interpretieren will. Hier dürfte doch eher
an Harpyien zu denken sein (man vergl. das Harpyien-Monu-
ment). Die Bedeutung der Vogelweibchen scheint komplexer, als
L. es sieht.

W. von Bissing legt ein christliches Amulett aus Ägypten
vor, das er auf etwas umständlichem Umweg in das 5. Jahrhundert
datieren möchte. Die Ikonographie des Stückes macht diese Datierung
absolut unmöglich. Die eine Seite zeigt Maria mit dem
stehenden Christuskind, Maria wird von 2 Engeln gekrönt. Die
Krone hat eine ausgesprochen mittelalterlich-abendländische Form.
Die andere Seite des Amuletts zeigt den in tänzerischer Haltung
über dem offenen Senkgrab schwebenden Christus zwischen den
Engeln und den Frauen, die zum Grabe kommen. Die Gestalt
Christi wirkt ausgesprochen barock. Die Form sowie die Stellung
dürften frühestens im 17. Jahrhundert möglich sein. Das Amulett
ist m. E. ein Beweisstück für den Einfluß abendländischer Ikonographie
auf die späteste koptische Kunst.

A. M. Schneider handelt über „Die ältesten Denkmäler der
Römischen Kirche". In der gewohnten vorbildlich exakten Weise
behandelt der zu früh Heimgegangene die altchristlichcn Katakomben
Roms, wobei er mit durchschlagenden Gründen auch
P. Stygers Datierungen noch korrigieren kann. Diese Abhandlung
enthält für den christlichen Archäologen ungewöhnlich wichtiges
Material und wird für die weitere Katakomben-Forschung stets
unentbehrlich sein. Methode und Schlußfolgerungen sind in jeder
Beziehung vorbildlich und richtungweisend. Man kann nur wünschen
, daß auch in Zukunft die Arbeit A. M. Schneiders von jüngeren
Kräften in gleicher Gründlichkeit und Wahrheitsliebe fortgesetzt
werde.

Die von E. Littmann vorgelegten neuarabischen Streitgedichte
(Die Geschichte vom Schuhmacher und vom Schulmeister, Die Geschichte
vom Dampfroß und vom Funkdraht und Die Geschichte
vom Telefon und vom Telegraf; aufgenommen in den Jahren
1911/12 in Kairo) bereichern nicht nur unsere Kenntnisse dieser
Literatur-Gattung, sondern geben zugleich auch dem Nichtfach-
mann einen tiefen und köstlichen Einblick der Auseinandersetzung
der islamischen Welt mit der europäischen Technik.

Das kleine und unscheinbare Bändlein stellt sich so als eine
würdige Festgabe zum Jubiläum der Göttinger Akademie der
Wissenschaften dar. Bescheiden, aber doch wissenschaftlich tief
fundiert, gibt es einen Einblick in die jetzigen Arbeiten dieser
berühmten Forschungsstätte und trägt zu seinem Teil mit dazu
bei, den Ruf der Göttinger Akademie zu erhalten und zu verbreiten
.

Oreifswald Klaus Wesse!

Vanderbilt Studies in the Humanities. Vol. I. Ed. by Ridimond
C Beatty, J.Philipp Hyatt and Monroe K. Spears. Nashville: Vanderbilt
Univ. Press 1951. VII, 275 S. gr. 8°. Lw. $ 3.50.

Um die humanistischen Fächer — Anglistik, Romanistik,
Germanistik, klassische Altertumswissenschaft, Geschichte, Philosophie
und Religionswissenschaft — in engere Berührung und

fruchtbarere Arbeitsgemeinschaft zu bringen, haben sich Vertreter
dieser Fächer an der Vanderbilt-Universität zur Herausgabe der
Vanderbilt Studies in Humanities entschlossen, deren erster Band
hier vorliegt. Er umfaßt die folgenden fünfzehn Beiträge: Donald
Davidson (Professor of English): Why the Modern
South has a Great Literature (S. 1—17); Monroe K. Spears
(Associate Professor of English): Christopher Fry and the Re-
demption of Joy (S. 18—33); Samuel Enoch Stumpf
(Associate Professor of Ethics): Sir Edward Coke: Advocate of
the Supremacy of Law, 1552-1634 (S. 34-49); Kendrick
Grobel (Associate Professor of Biblical Theology): Shepherd
of Hermas, Parable II (S. 50-55); Walter Clyde Curry
(Professor of English): The Consistence and Qualities of Milton's
Chaos (S. 56-70); J. PhilipHyatt (Professor of Old Testament
): The Deuteronomic Edition of Jeremiah (S. 71—95);
Edgar Hill Duncan (Associate Professor of English): Thomas
Lodge's Use of Agrippa's Chapter on Alchemy (S. 96—105);
Walter Sullivan (Instructor in English): Revelation in the
Short Story: A Note on Methodology (S. 106—112); R o b R o y
Purdy (Associate Professor of English): The Friendship Motif
in Middle English Literature (S. 113—141); RichmondC. Beatty
(Professor of English): The Poetry and Novels of Robert
Penn Warren (S. 142—160); Maxwell Lancaster (Associate
Professor of Romance Languages): The Happy Captivity
of Francisco Ntinez de Pineda y Bascunän (S. 161—173);
Claude Lee Finney (Professor of English): Keat's Philo-
sophy of Negative Capability in its Philosophical Badcgrounds
(S. 174—196); Joseph Allen Bryant, Jr. (Assistant Professor
of English): The Nature of the Conflict in Jonson's Seja-
nus (S. 197—219); Samuel Sandmel (Associate Professor,
Hillel Professorship of Jewish Literature and Thought); Judaism,
Jesus, and Paul: Some Problems of Method in Scholarly Research
(S. 220—250); Dayton Phillips (Associate Professor of
History): Petrarch's Doctrine of Meditation (S. 251—275).

Die Leser der ThLZ, die gewiß alle jede Bemühung, wenigstens
zwischen den Geisteswissenschaften die Verbindung zu erhalten
oder, wo sie verloren gegangen ist, wiederherzustellen,
freudig begrüßen, werden sich durch das vorliegende Buch gern
auch über die ihnen ferner liegenden Gegenstände, die es behandelt
, belehren lassen, mit besonderem Eifer aber sich in die hier
gebotenen drei Arbeiten zum Alten Testament, zur „intertesta-
mentlichen" Zeit und zur Kirchengeschichte vertiefen, also in
H y a 11 s Beitrag über die deuteronomistische Edition des Jere-
mia-Buches, in G r o b e 1 s Studie über die zweite Parabel des
Hirten des Hermas und in Sandmels Ausführungen zur Methode
der Erforschung von Judentum, Jesus und Paulus, die alle
drei dem Leser viel zu bieten haben. Hyatt schreibt die Grundlage
unseres Jercmia-Buches einem um 550 v. Chr. arbeitenden
deuteronomistischen Redaktor zu, der wenigstens drei Material-
Gruppen zur Verfügung gehabt hat: a) die 604 v. Chr. nach Jeremias
Diktat von Baruch niedergeschriebene Rolle, b) Sammlungen
von echten Orakeln Jeremias, c) Baruchs Erinnerungen
an Jercmia. Diese deuteronomistische Ausgabe hat aber später
noch allerlei Erweiterungen an eschatologischen Weissagungen,
Weisheitsdichtungen, Orakeln gegen fremde Völker und dergleichen
erfahren. Grobeis Studie, die durch den 1923 erschienenen
Kommentar von Martin Dibelius zum Hirten
des Hermas angeregt ist, weist überzeugend nach, daß das Gleichnis
von der sich an der Ulme hochrankenden Rebe jüdischen Ursprungs
ist und die in Mittelitalien beheimatete Übung, Reben
an Ulmen hochranken zu lassen, also die Verwendung des aibu-
stum, voraussetzt, und Sandmels kenntnisreiche, besonnene
und vorurteilsfreie Bemerkungen über die bei der Erforschung
der Beziehungen zwischen dem Judentum und den Anfängen des
Christentums zu beobachtenden Methoden haben sowohl der
christlichen als auch der jüdischen Forschung mancherlei zu sagen.
Man muß wünschen, daß dem ersten Band der Vanderbilt Studies
in Humanities weitere Bände folgen und daß diese, namentlich
auch hinsichtlich der dem Bereich von Theologie und Religionswissenschaft
angehörenden Beiträge, auf derselben Höhe stehen
wie der vorliegende.

Halle/Saale O«o Ei ß fei dt