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Ausgabe:

1953 Nr. 6

Spalte:

365-367

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Gebot und Gesetz 1953

Rezensent:

Gloege, Gerhard

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365 Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 6 366

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Alt haus, Paul: Gebot und Gesetz. Zum Thema „Gesetz und Evangelium
". Gütersloh: Bertelsmann [1952]. 39 S. gr. 8° = Beiträge zur
Förderung christl. Theologie 46, 2. DM 3. 20.

Die kleine, gehaltvolle Untersuchung greift das Problem
..Gesetz und Evangelium", wie es einerseits durch K. Barths Umkehrung
der Begriffsfolge, andererseits durch die historische und
systematische Kritik am Begriff des „tertius usus legis" (Eiert,
Ebeling, Bring) geformt wurde, auf, um es auf seine Wahrheitsmomente
hin zu überprüfen. Die Grundthese von Althaus lautet
: Versteht man die lex im Gegensatz zum Evangelium „scharf",
so fällt damit die Rede vom tertius usus wie die Reihenfolge
..Evangelium und Gesetz". Das in diesen Formeln „Evangelisch-
Richtige" soll durch die Unterscheidung von „Gebot" und „Gesetz
" und die dreigliedrige Formel „Gebot, Gesetz, Evangelium"
ausgedrückt werden.

Nach Klärung der Begriffe „Gebot", als (bleibender) Wille
Gottes an uns, und „Gesetz", als (vorübergehende) besondere
Gestalt dieses Willens, im NT (bes. bei Pls, Dtpln, Joh) trägt A.
seinen Gedankengang in vier Abschnitten vor: 1. Im U r-S t a n d
begegnet Gottes Wille als Gebot, dem das Angebot der ewigen
Gottesliebe voraufgeht (11 ff.). Als Aufgebot ist das Gebot die
Kehrseite des Angebotes, „Denkmal der Liebe Gottes zu mir".
Als Setzung des Schöpfers, nicht durch die Sünde bedingt, ist es
supralapsarisch, verbum proprium. Ihm antwortet hohe Freude
und tiefer Ernst des Frommen. Seine Erfüllung erwirkt nicht, sondern
empfängt Heil und Leben. — 2. Durch den Fall wird das
Gebot zum Gesetz (14 ff.). Gott muß seine Schöpfung gegen den
Menschen schützen (usus politicus). Das Gesetz ist infralapsarisch,
..Denkmal unserer Sünde". Inhaltlich mit dem Gebot identisch,
trägt es den Charakter des Prohibitivs. In seiner bloßen Gestalt,
die auf dem Zerfall der personhaften Einfalt des Gebotes in die
Vielfalt sachlicher Verbote beruht, ist es Anklage des Menschen,
..Schatten unserer Gottlosigkeit". Erfüllbar in der Dimension
des Relativen (Brauchtum, Sitte), bleibt es unerfüllbar in der
radikalen theozentrischen Dimension. In Verkennung seines Sinnes
behandelt es der Mensch als Heils-Mittel und wiederholt so
seine Ur-Sünde: er mißversteht Gottes Gottheit und sein Kreatursein
. Gerade der Gerechte greift Gottes Majestät an: „der
Weg der ethischen Gerechtigkeit als Heilsweg ist nicht nur ungangbar
, sondern auch verboten". Trotzdem klingt durch das Gesetz
immer noch das Gebot, als Stimme des Ursprungs und der
Heimat, hindurch, der die Liebe des Menschen antwortet. —
3. Das Evangelium (= Christus) ist des „Gesetzes", aber
nicht des „Gebotes" Ende (21 ff.). Die lex hört auf, accusans
und condenmatrix zu sein. Audi als justificatrix ist sie abgetan.
Gottes Evangelium ist reines Wunder. Es führt den Menschen in
den Ur-Stand des bedingungslosen Kindesvertrauens zurück, ohne
freilich das urständlichc Verhältnis zu wiederholen. Denn der
Schmerz der Buße und die Freude der Heimkehr durchweben das
neue Dasein. Der usus theologicus oder elcnchticus erinnert an
Abfall und Schuld. - 4. Durch das Evangelium wird aus dem
Gesetz wieder das Gebot (23 ff.). Der Gerechtfertigte bleibt
Sunder. Nun drückt das Gebot, wie das Gesetz, Gottes positiven
Willen in der negativen Form des Verbotes aus. Es erlegt dem
Menschen Kampf gegen die Sünde und Absage an das alte Wesen
auf. Der Unterschied zwischen Urstands-Gnade und Evangelium
darf nicht eingeebnet werden (K. Barth). Statt „Evangelium
und Gesetz" heißt es „Gesetz und Evangelium". „Der Christ
ist frei vom Gesetze, aber nicht vom Gebote. Durch das Evangelium
kommt das im Gesetz sich selbst entfremdete Gebot wieder
zu sich selbst" (25). „Der Gott des Evangeliums ist contra
legem, aber nicht contra mandatum". Der Imperativ des Evangeliums
ist „Imperativ der Gnade Gottes . . . Insofern begegnet
aas Evangelium uns in der Tat notwendig in der Gestalt des Gebotes
, aber dieses Gebot ist selber Evangelium ... .Gnadenim-
Perativ' (Eiert)" (26). Glaube und Werk, Heil und neues Leben
gehören nun unzertrennlich, wenn auch nicht kausal, zusammen.
Das Werk ist „konkreter Vollzug des Glaubens", „Akt der

Freude an Gottes Wesen..., Bereitschaft, sich von ihm bewegen
und hinnehmen zu lassen als von dem wahrhaftigen Leben" (27).

Daß der Glaube „in" den Werken lebt, nicht ohne sie und
außer ihnen, wird in zwei Schlußabschnitten trefflich herausgehoben
. Der Christ, als unter dem Gebot Lebender
(28 ff.), hat Gott als den Herrn über sich: Gottes Wille ist Gegenstand
seines Wartens und Fragens; in konkretem Gehorsam
verwirklicht sich das Christenleben. In der Bewertung der guten
Werke behält die reformatorische Doppellinigkeit zwischen Frucht-
und Soll-Motiv ihr Recht. Das Doppelvorzeichen von Sein und
Akt, Indikativ und Imperativ, göttlicher Treue und menschlicher
Verantwortlichkeit ist sachlich notwendig. Freiheit und Gehorsam
sind Modi des neuen Lebens. — „Christliches Ethos ist Geist-
Ethos": der Geist wirkt Erkenntnis und Erfüllung des Gotteswillens
. Um des Fleisches willen gelten aber die biblischen
Weisungen weiterhin (36 ff.). Preiszugeben ist jedoch der
Begriff des tertius usus, da er (a) durch den Gegensatz zum Evangelium
geprägt ist, (b) das Mißverständnis einer gesetzlichen
Lebensregelung nahelegt und (c) dazu verleitet, die Weisung nur
in den Imperativen der Schrift zu finden. Die ganze Geschichte
der Kirche mit den Gotteszeugen trägt Weisung und Vorbild
in sich. Die Formel vom „tertius usus" ist zu ersetzen durch den
Satz: „Der Heilige Geist leitet zur Erkenntnis des Willens Gottes
auch durch die sittliche Weisung und Wirklichkeit in der
Schrift und in der Christenheit" (39).

Man wird Althaus' kleine Abhandlung im wesentlichen nur
mit großer Zustimmung lesen. Sie besitzt für das vorliegende
Problem klärende Bedeutung. Es bleiben allerdings zwei Fragen
(1) im Blick auf die Sache und (2) auf die Abgrenzung gegenüber
K. Barth.

1. ) Wird die Größe und Schärfe der Paulinischen (und der
Lutherschen) Lehre vom Gesetz wirklich gewahrt? Treten hinter
dem Gedanken, daß das Gesetz als „Ausdruck des Verzichtes
Gottes, der Resignation" erscheine (16), nicht die Aussagen von
der Hoheit und Würde des Gesetzes (seiner dö£a'•
2. Kor. 3, 6 ff.), z u t ö t e n, zu stark zurück? Wird hier nicht
dem Menschen als Sünder eine Initiative und der Sünde eine verursachende
Macht, bezüglich der Qualifizierung des „Gesetzes",
zugebilligt, die (ähnlich wie bei K. Barth) Gottes Überlegenheit
„im" Gesetze dämpft? Ist nicht Gottes Zorn mehr als Reaktion
gegenüber dem menschlichen Aufruhr? Wird der herrscherliche
Strafcharakter des „unwandelbaren Gotteswillens" (FC SD VI,
§ 15) durch die Art, in der das „Gebot" geltend gemacht wird,
nicht einigermaßen erweicht? Das wäre auch hinsichtlich des
Christenstandes zu fragen. Die Konkordienformel weiß (hierin
übrigens mit Luther einig) davon, daß „der alte Adam, als der
unstellig, streitig Esel" „auch oftermals mit dem Knüttel der
Strafen und Plagen" in den Gehorsam Christi „zu zwingen" ist
(SD VI, § 24). — Zu vermerken wäre auch, daß Althaus zweimal
(19 u. 38) in 2. Kor. 3, 6 und Rom. 7, 6 yQÜßßa mit YQcupiq vertauscht
und, entgegen Luthers korrekterer Übersetzung und Deutung
, den Gegensatz „Buchstabe (= Gesetz) — Geist" in den
von „Schrift — Geist" verwandelt. „Schrift — Geist" ist aber
kein Paulinischer Gegensatz. Die „Schrift", die nicht ohne weiteres
mit dem „Buchstaben" (= Gesetz) zu identifizieren ist, gehört
keineswegs zum „Knechtsstande unter dem Gesetz" (38),
sondern gerade zum „Kindesstand unter dem Evangelium" (vgl.
dazu G. Schrenk, Artikel yqnßna, yoatpij in: ThWbNT I,
749—769, sowie meine Darstellung „Buchstabe und Geist" in:
Mythologie und Luthertum (1952), 128 ff.).

2. ) Ungeklärt bleibt auch in der sonst so lichtvollen Untersuchung
das Verhältnis der Gesetzeslehre von Althaus zu der
von Barth. Einerseits wird der Gegensatz zu diesem „nicht
nur terminologisch, sondern auch sachlich" (25) genannt. Andererseits
bemerkt Althaus in einer Anmerkung (25 f.): „In dem, was
sachlich gemeint ist, stehen wir nicht weit voneinander. Aber die
Sache leidet bei Barth unter der unglücklichen Formulierung vom
Gesetze als Form des Evangeliums, die als solche durch das Evangelium
wiederhergestellt wird." Gerade in der Frage der Qualifizierung
des Gotteswillens zum Gesetz durch den Menschen geht
Althaus mit Barth. Deswegen kann er u. a. ganz folgerichtig sagen
: „Auch im Gesetze tritt noch, wie gebrochen auch