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Ausgabe:

1953

Spalte:

350

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Langton, Stephanus

Titel/Untertitel:

Der Sentenzenkommentar des Kardinals Stephan Langton 1953

Rezensent:

Stegmüller, Friedrich

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Scholle, Joseph: Thüringische Kirchengeschichte. 2. erw. Aufl. Heiligenstadt
/Eichsfeld: Verl. F.W. Cordier [1951]. 107 S. m. Abb. u
16 S. Bibliographie zur thüring. Kirchengeschichte (als Anhang). 8°.
Hlw. DM 2.40.

Das Bändchen vermittelt in populärer, bisweilen erbaulicher Darstellung
, ohne wissenschaftliche Ansprüche zu erheben, ein ganz lehrreiches
Bild vom Verlauf der Kirchengeschichte in Thüringen. Der katholische
Standpunkt des Verfs verleugnet sich nicht, besonders bei der
Schilderung der Wirkungen der „Glaubensspaltung", ist aber nicht aufdringlich
und ohne Schroffheit. Mit besonderer Liebe geht der Verf. den
Patrozinien, den Klostergründungen, den Bruderschaften, den Wallfahrten
, dem Spitalwesen im Mittelalter nach. Von Versehen nenne
ich: S. 28 veraltete Ansicht über den Stifter der Beginen. S. 50 überholte
Ansetzung der Geburt des Bonifatius. S. 51 (vgl. S. 9) wird ein rein
fiktives Bild vom Wirken Kilians gegeben. S. 68 wird Möhra in die
Nähe von Eisenach verlegt. S. 72: die Radikalen von 1522 waren
praktisch noch keine Wiedertäufer. S. 74: der Reichstagsabschied von
1529 war nicht „milde", sondern für die Evangelischen höchst bedrohlich
. S. 89: Joh. Seb. Bach war nicht „Llniversitätsdirektor in Leipzig'.
S 91: Christian Friedrich Böhme (gest. 1844) war kein hervorragender
Theologe.

Ipna Karl Heussl

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Stroh, Friedrich, Prof. Dr.: Handbuch der germanischen Philologie.
Berlin: de Gruyter 1952. XX, 820 S. m. 37 Abb., 22 Taf. gr. 8°._ Lw.
DM 32.-.

Es stellt für die gesamte Kirchengeschichte diskussionslos
fest, daß es unmöglich ist, die Geschichte der alten Kirche zu
verstehen ohne genaue Kenntnis der antiken, hellenistisch-römischen
Kultur. Leider ist es noch keineswegs ebenso selbstverständlich
, daß die Geschichte der Kirche auf germanischem Boden
genau so wenig verstanden werden kann, wenn man nicht das
Denken, die Kultur, den Glauben der Germanen kennt. Allerdings
fehlten uns bisher ebenso klare Gesamtübersichten über
dies Gebiet, wie wir sie für die Antike seit langem haben. In
diese Lücke tritt nun das Handbuch der Germanischen Philologie
von Friedrich Stroh. Deshalb sei mit Nachdruck darauf hingewiesen
. Es bietet in knappster Form, aber in einer seltenen Vollständigkeit
eine Übersicht über die Hauptprobleme und Hauptergebnisse
der Germanistik, diese in ihrem weitesten Sinne genommen
. Nach einer Erörterung des „Begriffes" der germanischen
Philologie und einer Schilderung ihrer Geschichte bringt der entscheidende
dritte Teil eine systematische Übersicht mit den beiden
Unterteilen: „Volkheit" und „Kultur". Letzterer behandelt
gesondert 1. Sprache, 2. Namen, 3. Schrift, 4. Schrifttum (Litera-
tur 5. Glaube, 6. Sittlichkeit, 7. Sitte und Brauch, 8. Recht,
<>. Kunst, io. Siedlung. Ein letzter Abschnitt erörtert das Verhältnis
von Germanistik und Historie. In jedem Teil bietet der
Verfasser nicht nur seine eigene Meinung, sondern auch die Deutung
der wichtigsten geistesgeschichtlichen Schulen. Als typisch
dafür, zugleich als Beweis für die umfassende Belehrung, die das
Buch vermittelt, seien die Unterabteilungen des Paragraphen
Literaturdeutung unter „Schrifttum" angeführt: Literarphilo-
sophie, idealistische Literaturbctrachtun?, Dichtung und Philosophie
, Materialistische Literaturbetrachtune Literaraesthctik.
Dichtung und Kunst, Poetik. Verslehre, Literarsoziologie, Lite-
rarhistorie. Literaturgeschichte, Literargeographie. Beim Verfasser
selbst wirkt die ors>anoWiscbe Bctrachtunesweise der Romantik
ziemlich stark nach, an Personen bestimmten ihn Grimm
und Dilthey am stärksten.

Geradezu bewundernswert sind die reichen Literaturan-
Raben, die sich auf fast jeder Seite finden. Gelegentlich ist freilich
auch Wichtiges übersehen; aber das ist bei einem so weitschichtigen
Stoff wohl unvermeidlich.

Leider muß der Berichterstatter sagen, daß die Abschnitte
über die Religion (einschl. der Mystik) ihm als die relativ
schwächsten des Buches erscheinen, sachlich wie auf die Literaturangaben
gesehen. Aber da der Theologe hier selbst unterrichtet
ist, ist das für ihn kein Grund, sich die große Hilfe ent
gehen zu lassen, die das Buch mit seiner riesigen Stoffülle bietet
kann. Es macht dem, der sich in das Gebiet der Germanistik ein
arbeiten muß, den Zugang leicht. Als Nachschlagewerk sollte e:
in keiner Seminarbibliothek fehlen. Der Preis ist erstaunlid
gering.

Hamburg Kurt Dietrich Schmidt

Landgraf, Artur Michael: Der Sentenzenkommentar des Kardinal
Stephan Langton hrsg. Münster/W.: Aschendorff 1952. XXXIX, 158 S
gr. 8° = Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie dei
Mittelalters. Texte u. Untersuchungen, begr. v. C. Baeumker, fortgef
v. M. Grabmann, in Verb. m. B. Geyer, L. Ott, F. Pelster, M. Schmaui
hrsg. v. A.M.Landgraf. Bd. XXXVII, H. 1. kart. DM 12.50.

Stephan Langton lehrte c. 1180—1206 in Paris, wurde 1206
Kardinal, 1207 Erzbischof von Canterbury, und starb 1228. Ei
ist sicher methodisch und wahrscheinlich auch inhaltlich für die
Geschichte der mittelalterlichen Theologie von großer Bedeutung:
Er schuf im wesentlichen die heutige Kapiteleinteilung der Bibel
führte die Technik der Quaestio in die Schrifterklärung und
wahrscheinlich auch in die Sentenzenerklärung ein, schrieb einer
Kommentar zur Lombardusglosse der Paulinen, und ist wahrscheinlich
der Verfasser des Hymnus Veni sanete Spiritus. Sein
ausgedehntes, heute noch ziemlich verbreitetes Schrifttum umfaßt
vor allem Bibelkommentare und theologische Quaestionen; davor
ist außer der Glossa in Ruth (Arch. Hist. doctr. litt. M. A. 5
(1930) 86—123), einem Sermo (The Catholic Historical Review 1 5
(1930) 408—420), und verstreuten Bruchstücken noch nichts
gedruckt.

A.Landgraf, der sich schon seit 1923 wiederholt und erfolgreich
um die Klärung des Schrifttums Langtons bemüht hat, legt nun
eine Edition seines Sentenzenkommentars vor. Dieser steht in Neapel,
Biblioteca Nazionale, cod. VII C 14 (XIII; Perg; 150 folia) f. 86—99.
Ihm geht in der Handschrift die Sentenzenglosse des Ps. Petrus von
Poitiers (f. 2—70) und eine anonyme Glosse zu I Sent. d. 1—12
ff. 71—85) voran; es folgt ihm eine anonyme Glosse zu Sent. I—II und
IV d. 1 (f. 100—122), sowie Langtons Glosse zur Historia evangelica
des Petrus Comcstor (f. 123—150).

Die f. 86—99 stehende Glosse zu den Sentenzen des Petrus Lom-
bardus ist anonym. Ihre Zugehörigkeit an Stephan Langton begründet
Landgraf hauptsächlich folgendermaßen: Die anonyme Glosse enthält
15 Verweise auf andere Schriften desselben Verfassers, etwa in der
Form: De hoc plenius extra; de hoc extra in quaestionibus, de hoc
plenius extra super epistolam ad Hebr. (GaL, Philipp.). Es handelt sich
dabei nicht um Zitate, sondern um Verweise, nach dem vom Verfasser
der Glosse formulierten Grundsatz: Quae ergo morosum est lectionibus
inserere, extra quaerantur. Man kann nun tatsächlich den Nachweis
führen, daß die betreffenden Fragen in den Quaestionen oder im Pau-
linenkommentar Langtons eingehender behandelt sind. Dazu kommt,
daß wir nur einen einzigen Autor dieser Zeit kennen, der Quaestionen
und zugleich einen Paulinenkommentar verfaßt hat, nämlich Langton.
Außerdem konnte Landgraf etwa 8 inhaltlidie Übereinstimmungen der
Sentenzenglosse mit dem Paulinenkommentar Langtons nachweisen.

Gegen Landgrafs Zuteilung der anonymen Glosse an Stephan Langton
scheint mir kein ernstlicher Zweifel zu bestehen. Daß in der knappen
Glosse auf die ausführlicheren Quaestionen und den Paulinenkommentar
verwiesen wird, aber nie umgekehrt, scheint durch das oben
erwähnte Prinzip des Verfassers zur Genüge erklärt. Die bei Langton
sonst nicht übliche große Ungenauigkeit bei den Schrift- und Väterzitaten
kann auf Rechnung der Überlieferung kommen, besonders wenn
es sich um die Kopie einer Reportation handelt. Freilich muß man sich
dann fragen, ob diese Ungenauigkeit sich nicht audi auf den Langtontext
erstreckt.

Von dieser Sentenzenglosse ist bis jetzt nur die Neapolitaner
Handschrift bekannt geworden, wo sie als fortlaufender geschlossener
Text geschrieben ist. Dieser ist aber sicher aus einer Marginalglosse
umgeschrieben worden. Hier erhebt sich die weitere Frage, ob diese
Marginalglosse, die ja stets für Erweiterungen offen war, vielleicht
schon Fremdmaterial mit sich führte. Die Weiterarbeit wird daher gut
tun. auf das Verhältnis der Langton-Glosse zu den übrigen Scntenzcn-
glossen der Zeit, besonders zu den Marginalglossen, zu achten.

Die Arbeit Landgrafs ist ein wichtiger und willkommener
Beitrag sowohl zur Überlieferung der Werke Langtons wie zur
Geschichte des Einzugs des Lombarden in die Schule.

Freiburg i. Br. Friedrich Stegmüller