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Ausgabe:

1953 Nr. 6

Spalte:

342-343

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Philippidis, Leonidas

Titel/Untertitel:

Der erste Pastoralbrief des Apostels Paulus an Timotheus (griech.) 1953

Rezensent:

Giompliakis, Athanasius

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 6

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zweckmäßig erscheinen, von vornherein auf gewisse bedeutsame
Veränderungen aufmerksam zu machen.

Umfaßt die erste, im Zwingli-Vcrlag zu Zürich erschienene Auflage
114S., so ist die zweite als Lizenzauflage bei Vandenhoeck & Ruprecht
in Göttingen herausgebrachte auf 162 Seiten Text angewachsen. Wenn
der Verfasser im Vorwort zur 2. Auflage betont, daß besonders die Einzelauslegung
der Gleichnisse ausführlicher gestaltet worden sei, so mögen
als Belege folgende Hinweise dienen: zu Markus 4,11—12 Zusätze
auf S. 8—9 und 12. Ergänzungen zum Gleichnis vom verlorenen
Schaf auf S. 28, zu Lukas 16, 1—8, auf S. 130, zu Lukas 16,9—31, auf
S. 131 f., zu Lukas 14,7—11 auf S. 137 f., zu Lukas 11, 24 ff. auf
S. 141. Das Gleichnis vom Schalksknccht — in der ersten Auflage S. 103
mit lOZeilen skizziert — beansprucht in der zweiten S. 148—150. Das
Gleichnis vom Weltgericht (l.Aufl. S. 102—103) ist in der 2. Auflage
auf S. 145—148 dargestellt mit der wichtigen Anmerkung 2 über das
Verhältnis der Rechtfcrtigungslehre Jesu zur paulinischen. Das Gleichnis
vom barmherzigen Samariter (2. Aufl. S. 143—145), vom reichen
Mann und armen Lazarus (ebenda S. 131—133) und vor allem vom
Pharisäer und Zöllner (S. 113—117) sind erheblich ausführlicher behandelt
worden. Eingefügt ist die Auslegung des Gleichnisses vom
verlorenen Sohn (S. 106—109), das nach Meinung von Jeremias richtiger
das Gleichnis von der Liebe des Vaters heißen sollte, da der liebende
Vater die Hauptperson dieses zweiteiligen Gleichnisses sei.

Dieselbe starke Veränderung ist auch bei den Anmerkungen zu beachten
. Wurden sie in der ersten Auflage durchgezählt — es sind insgesamt
304 — so wurden sie in der 2. Auflage für jede Druckseite num-
ncriert, was einen Vergleich etwas schwieriger macht. Gleich die große
Anmerkung 1 mit Literaturangabc ist ausgelassen. An ihre Stelle ist
ein stark erweitertes Literaturverzeichnis dem Ganzen auf S. 163—165
angehängt worden. Die Anmerkung 16 (auf S. 10 der 1. Auflage mit
Beispielen von Rückfällen in die Allcgorisierung bei W. Michaelis und
E. Lohmeyer) ist in der 2. Auflage (an der gleichen Stelle S. 12) ausgelassen
. Die Anmerkung 213 (l.Aufl. S. 80) zum Bildwort von Vater
und Kind (Matth. 7,9—11) mit der Zustimmung zur Interpretation von
Cadoux fehlt in der 2. Auflage (S. 100), dagegen ist ebendort auf
S. 101 eine Anmerkung 4 neu, in der der Verfasser sich mit M. v. Rhijns
Auslegung von Lukas 10, 18 auseinandersetzt. Außerdem sind in der 2.
Auflage eine Reihe von Anmerkungen erweitert oder ganz neu hinzugefügt
worden. Sic legen davon Zeugnis ab, wie intensiv der Verfasser
in den zwischen den beiden Auflagen liegenden 5 Jahren diesen Stoff
weiter durchgearbeitet und die Darstellung vervollkommnet hat.

Aber auch die Stoffeinteilung im Großen ist abgeändert worden.
Zwar sind die 4 Hauptteile (I Problem. II Von der Urkirchc zu Jesus
zurück! III Die Botschaft der Gleichnisse. IV Schluß) geblieben. Aber
der Abschnitt II wurde von 5 auf 7, III von 8 auf 9 Unterteile erweitert
und der Text der Überschriften zum Teil geändert, wobei auch die
Welt des Hellenismus noch stärkere Berücksichtigung fand. Es erübrigt
sich, das hier im einzelnen vorzuführen. Diese Bemerkungen mögen
den Leser darauf hinweisen, daß er ohne die 2. Auflage nicht auskommen
kann.

Es ist das Verdienst von Joachim Jeremias, daß er unter dem
Eindruck und in Anknüpfung an wichtige Untersuchungen Dodds,
Torreys und Mansons, denen er eigene Beobachtungen und solche
deutscher und anderer ausländischer Theologen in Fülle hinzufügt
, eine zusammenfassende Darstellung vom Fortschritt der
Auslegung der Gleichnisse Jesu gibt, wie sie uns seit Adolf Jülichers
großem Werk gefehlt hat. Unter Anerkennung der Leistung
Jülidicrs (Befreiung von der Allegorcse) führt Jeremias in
Anknüpfung an die formgcschichtliche Methode und an Dodds
energischen Versuch, Jesu Gleichnisse realistisch zu deuten, den
m. E. weithin geglückten Nachweis, daß Jesu Gleichnisse in seinem
Leben selbst ihre Anknüpfung haben, da Jesus sich bei seinen
Erzählungen konkreter Begebenheiten bediente, und daß diese
Gleichnisse dann im Leben der Urkirchc einen zweiten „Sitz
im Leben" erhielten. Stößt man unter behutsamer Verwendung
der durch die Formgeschichte gewonnenen Erkenntnisse und der
durch den Vergleich der synoptischen Uberlieferung wie der Rc-
dequelle ermittelten Unterschiede energisch zur konkreten Situation
Jesu selbst vor, so gewinnt man 7 Gesetze der Umformung
(S. 89 f.), welche erkennen lassen, daß der Wechsel der Zuhörerschaft
(Gegner: Gemeinde), die Änderung der Situation (das
Ausbleiben der Parusie, die Mission in der hellenistischen Welt),
die Freude an der Ausschmückung des Erzählten, Wandlungen
der Urform hervorgerufen haben, die später noch durch Allegorcse
wie durdi ihre Verwendung im Dienst der Paräncse, durch
Fusionen bei der Glcichnissammlung wie durch Gestaltung eines
Rahmens bei der Einordnung in die Gesamtkomposition der
Evangelien weitere Änderungen erfuhren.

Benutzt man die so gewonnenen Urfassungen, um daraus
die Botschaft Jesu zu ermitteln, (III) so ergibt sich eine überraschende
Vereinfachung insofern, als sich Ketten von Gleichnissen
bilden lassen, welche denselben Grundgedanken in verschiedenen
Bildern ausdrücken. Diese Gleichnisse handeln von
der Königsherrschaft Gottes, von der Gegenwart des Heils in
der Person Jesu und seiner Verkündigung, von Gottes Erbarmen
mit den Verschuldeten — aber es gibt auch Gleichnisse, die mit
Ernst den Hörer auf Katastrophe und Gericht hinweisen und ihm
die Forderung der Stunde konkret vor Augen stellen. So werden
sie zur indirekten Darstellung der Person und Sendung Jesu und
fordern als Zeugnisse einer „sich realisierenden Eschatologie" die
Entscheidung der Menschen (S. 162).

Überblicken wir nun dieses Ergebnis, welches die moderne
Eschatologie wie die moderne Formgeschichte gleicherweise nutzbar
macht, so erkennt man den Abstand von der Interpretation
Adolf Jülichers, der in den Gleichnissen möglichst allgemein verbindliche
sittliche Grundsätze finden möchte und ihrem Charakter
als Selbstzeugnissen Jesu nicht ganz gerecht wurde. Es ist hier
nicht der Ort, sich mit Jeremias im einzelnen auseinander zu setzen
, ob er nicht hier und da in der Behauptung eines Selbstzeugnisses
Jesu zu weit gehe, aber das darf doch gesagt werden, daß
die Folgen dieser Erkenntnisse für die Geschichte des Urchristentums
wie für die Gestaltung einer neutestamentlichen Theologie
nicht unterschätzt werden dürfen, insofern als man m. E. nicht
mehr im Sinne Adolf von Harnacks von einem doppelten Evangelium
in der urchristlichen Verkündigung reden kann, weil sich
einerseits die Rechtfertigungsauffassung Jesu als die Grundlage
der paulinischen erweisen läßt und andererseits die synoptischen
Gleichnisse als Selbstzeugnisse an die Allegorien des 4. Evangeliums
und an seine Offenbarungsreden, die ja auch den Charakter
des Selbstzeugnisses tragen, näher heranrücken.

Daß dabei die philologische Seite —die sorgfältige Prüfung,
ob im einzelnen ein mehrdeutiges aramäisches Urwort richtig ins
Griechische übertragen worden sei oder nicht — eine wichtige
Rolle spielt, braucht man bei einem Sachkenner wie Jeremias nicht
besonders zu betonen, zumal er dabei weitgehend sich auf Forschungen
der genannten englischen Gelehrten stützt.

In diesen Zusammenhang gehört die (auf S. 7—12) entwickelte
Ansicht des Verf., Mk 10—12 sei als ursprünglich isoliertes Logion am
besten hinter dem Petrusbekenntnis (das heißt in der Zeit der esoterischen
Predigt Jesu) einzuordnen, sei aber von Mk. deshalb ins Gleichniskapitel
eingefügt worden, weil er jiaQaßnXt) als „Gleichnis" verstand
, während es als Äquivalent für aramäisches mathla „Rätselwort"
bedeuten müsse und das Schicksal aller Evangeliumspredigt schildere.

Man kann nicht nur dem jungen Theologiestudenten, sondern
man muß auch dem älteren Pfarrer im Amt empfehlen, diese
zusammenfassende Darstellung mit ihren Ergebnissen neuester
Einzclforschungen neben dem klassischen Werk von Jülicher
gründlich zu studieren, um daran die Fortschritte der Gleichnisdeutung
in den letzten 2 Menschenaltern zu erkennen.

Für die nächste Auflage ist ein sinnstörender Druckfehler zu verbessern
auf S. 28 Zeile 10 und 11.

Oreifswald Erich Fase her

P h i 1 i p p i d i s, Lconidas Joh., Prof. Dr. Dr.: 7/ ngdnrj nQÖt Ti/utdeov
xotfinvTixr] iximolri zov 'Anoarölov Tlavlnv. (Der erste Pastoralbrief
des Apostels Paulus an Timotheus.) Athen 1952. 242 S. (In
griech. Sprache.)

Leonidas J. Philippidis, Professor der Theologischen Fakultät
an der Universität Athen, der durch viele Arbeiten auf den
verschiedenen Gebieten der Theologie und der Religionswissenschaft
hervorgetreten ist, bietet hier einen Kommentar zum ersten
Timotheusbriefe, der als Hilfsmittel für Studenten gedacht
ist.

Der Verfasser, dem außer der Literatur der Kirchenväter
auch die Ergebnisse der neuesten wissenschaftlichen Forschungen
bekannt sind, bringt eine gründliche philologische und theologische
Exegese. Als Voraussetzung für das rechte Verständnis
beweist er in der Einleitung die Echtheit der Abfassung des Briefes
durch Paulus. Anschließend behandelt er den Brief in sechs
Kapiteln und erörtert besonders die Stellung der Kirche gegen