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Ausgabe:

1953

Spalte:

340-342

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Joachim

Titel/Untertitel:

Die Gleichnisse Jesu 1953

Rezensent:

Fascher, Erich

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wesen wären. Von J. Jeremias sind nur „Die Abendmahlsworte
Jesu" und „Jesus als Weltvollender" ausgewertet, nicht dagegen seine
Aufsätze zu einzelnen Markustexten (zu 2,15 f. in Z.N.W. 1931,
578 ff.; zu 4,21 in Z. N. W. 1940, 237 ff.; zu 14,3 ff. in Z. N. W. 1936,
75 ff.; zu 2,19 f. im Theol. Wörterb. z. NT IV, 1094 ff.) oder seine
„Gleichnisse Jesu", 21952. Zu 1,24 fehlt O. B a u e r n f e i n d, Die
Worte der Dämonen im Markusevangelium, 1927; zu 7,20 ff. Ph. C a r-
rington, The Primitive Christian Catechism, 1940; zu 8,34
A. Fridrichsen, Conjectanea Neotest. 2, 1936; zu 9,2 ff. H. R i e -
senfeld, Jesus transfigure, 1947; zu 11,15 ff. LLohmeyer,
Theol. Blätter 1941, 257 ff.; zu 12, 1 ff. W.G.Kümmel, Melanges
Gognel, 120 ff.; zu dem Exkurs über „die Zwölf und die Apostel"
H. von Campenhausen, Studia Theologica 1, 1947, 96 ff. — Bei
der Besprechung der Quellenhypothesen vermißt man die Arbeiten von
R.Thiel, Drei Markusevangelien, 1938 und E.Hirsch, Frühgeschichte
des Evangeliums 1, 1941, bei der Untersuchung der Sprache
des Markusevangeliums M. Z e r w i c k, Untersuchungen zum Markusstil
, 1937. —Die Abkürzungen sind für den nicht-englischen Leser gelegentlich
schwer verständlich: daß „V G T" bedeutet: Moulton
and M i 11 i g a n, Vocabulary of the Greek Testament, ist nirgends
erklärt; ebensowenig wird die Abkürzung „RSV" = Revised Standard
Version aufgelöst; S. 218 steht CN für „Conjectanea Neotestamen-
tica" statt „CNT", wie das Abkürzungsverzeichnis angibt; S. 161 ist
„Da vi es" unverständlich (gemeint ist das S. 120,1 zitierte Buch von
W. D.Davies, Paul and Rabbinic Judaism); „Lake, HER" auf S. 606
ist völlig unerklärt.

Taylor geht in der Einleitung von dem bekannten Papias-
Zeugnis aus, das hinter dem Markusevangelium das Zeugnis des
Petrus sehen will, und bemüht sich nachzuweisen, daß dieses
Zeugnis in dem Augenblick als unausweichlich richtig erscheint,
wo man hinter dem Evangelium auch noch andere Quellen neben
dem Zeugnis des Petrus erkennt. Dieser Nachweis erfolgt nun
freilich in einer sehr merkwürdigen Weise. T. lehnt die ausführlich
referierten Quellenhypothesen für Markus ab und teilt das
dem Markus vorliegende Material nach formgeschichtlichen Gesichtspunkten
ein: pronouncement-stories, miracle-stories, sto-
ries about Jesus, Markan construetions, summary Statements,
sayings and parables und sucht darüber hinaus nachzuweisen, daß
an verschiedenen Stellen einige dieser Einzeltexte bereits vor
Markus in einem ursprünglichen Zusammenhang überliefert wurden
oder von Markus schon vor der Abfassung des Evangeliums
in einen Zusammenhang gestellt worden waren (4,35-5,43 ist
ein Beispiel für die erste Annahme, 1, 21—39 für die 2. Annahme
). Bei dieser Gruppierung gehen freilich stilistische und geschichtliche
Gesichtspunkte völlig durcheinander (Taylor hat im
wesentlichen dieselbe Gruppierung schon 1933 vorgetragen in seinem
Buch „The Formation of the Gospel Tradition", s. dazu
Th L Z 61, 1936, 196 f.). Wo die „Jesusgeschichten" als besonders
„picturesque" erscheinen, wird Petrus als Tradent postuliert
, und wo eine Reihenfolge keine typischen Markusgedanken
verrät, soll sie auf einen „earlier Compiler" oder auf geschichtliche
Überlieferung zurückgehen. Es ergibt sich auf diesem Wege,
daß eine Erzählung wie die Heilung des Blinden 8,22 ff. infolge
ihres „bold realism" als geschichtlich besonders zuverlässig erscheint
, und daß die Scheidung zwischen „Jesusgeschichten" und
„Markusbildungen" nur mit dem Maßstab vorgenommen werden
kann, daß die zweite Gruppe von der ersten sich unterscheidet
„in being based less directly upon testimony". Es ist leicht zu sehen
, daß so nicht formgeschichtliche Kriterien und nicht geschichtliche
Wahrscheinlichkeitsurteile, sondern eine unklare Mischung
beider die Scheidung und Beurteilung der Einzelüberlieferungen
beherrschen, daß aber auf diesem Wege keine überzeugenden
Resultate erzielt werden können. So überzeugend im Folgenden
dann die Darstellung der besonderen Theologie des Markus ist
(Apokalyptische Eschatologie, Menschensohn im individuellen
Sinn, Jesus von Natur Gottessohn, Menschensohngeheimnis aus
der Tradition aufgenommen), so wenig wird Glaubensurteil des
Evangelisten und geschichtlicher Tatbestand scharf geschieden
(Schweigegebote sind schon bei Jesus Ausdruck seines besonderen
Messiasverständnisses, die Opfergedanken gehen auf Jesus selbst
zurück usw.); und das zeigt sich erst recht im abschließenden Kapitel
der Einleitung über den geschichtlichen Wert des Evangeliums
. Mag man über die Frage verschiedener Meinung sein, ob
T. die für die Abfassung des Evangeliums bestimmenden Motive
richtig bestimmt hat (Parusieverzögerung, das Verschwinden der
Augenzeugen, der Wunsch, die mündliche Tradition zu erhalten),

so wird man schwerlich von der Behauptung überzeugt werden,
daß eine lange Liste von „vivid details" (S. 135—139) beweise,
daß der geschichtliche Wert des Markus sehr hoch sei, zumal diese
„lebendigen Züge" in den von Markus selbst geschaffenen Texten
fehlten (als ob die Überlieferung nicht auch lebendige Züge
schaffen könne!). Und erst recht wird man hinter die Behauptung
ein Fragezeichen setzen, daß die Naturwunder „natürlich"
erklärt werden könnten und eine vom übrigen Evangelium verschiedene
Christologie des Deus revelatus verrieten. Diese Vermischung
formgeschichtlicher Maßstäbe mit konservativ-psycho-
logisierender Geschichtskritik führt so nicht nur gelegentlich zu
unmöglichen Rationalisierungen (6,45 ff. berichtete ursprünglich
von einem Waten Jesu durch das seichte Wasser in der Nähe der
unsiditbaren Küste; 7,24 ff. beschreibt nicht eine Fernheilung,
sondern übernatürliche Kenntnis Jesu usw.!), sondern auch zu sehr
fragwürdigen Geschichtskonstruktionen (die Heilungen im heidnischen
Gebiet 7, 24—37 sollen hinter 8,22 a einzuordnen sein;
Jesus verließ aber nicht aus Furcht vor Antipas das jüdische Gebiet
, sondern „because the Galilean Mission had failed", und
weil Jesus das Bedürfnis empfand „to consider the nature of His
work and the tragic fate which apparently awaited Hirn", S. 636;
in der lehrreichen Zusammenfassung seiner Resultate „Mark's
Use of Gospel Tradition", Studiorum Novi Testamenti Societas,
Bulletin 3, 1952, 37 f. führt T. als Beleg für diese These auch
noch Luk 10,18 an, das auch Enttäuschung über den Fehlschlag
der Mission seiner Jünger verrate!). Solchen Konstruktionen gegenüber
wird man grundsätzlich einwenden müssen, daß sie nicht
nur aus lauter Wahrscheinlichkeiten zusammengesetzt sind, sondern
daß sie auch ohne überzeugende Begründung den unzusammenhängenden
Charakter der von Markus verwerteten Tradition
für einen Teil des Markusstoffes bestreiten.

Wird man so gegen wichtige Züge der Beurteilung des Markusevangeliums
durch Taylor wesentliche Einwände erheben müssen
, so darf im übrigen betont werden, daß der Kommentar,
ganz besonders in der sprachlichen und religionsgeschichtlichen
Einzelexegese, eine vorzügliche und sehr förderliche Leistung ist.
T. weist mit überzeugender Konsequenz immer wieder die Ursprünglichkeit
des Markus gegenüber den Seitenreferenten nach,
stellt häufig den rein kompositioneilen Charakter von Sammelberichten
und gerahmten Sprüchen und Nachrichten fest, prüft
sorgfältig den geschichtlichen Wert der Einzelüberlieferung, indem
er die Anschauung des Evangelisten von der seiner Tradition zu
trennen sucht: „No greater disservice to the study of the Gospel
can be done than by a neglect of literary and historical cri-
ticism and of linguistic and textual studies in the supposed in-
terests of theology" (25). Besonders förderlich sind die sehr besonnenen
Ausführungen über das Problem der Semitismen, wobei
die Forderung auf eine Untersuchung der Verteilung der
Semitismen gestellt wird; und beachtlich ist auch der Versuch,
hinter 16,1 ff. als ursprünglich den frühen Glauben nachzuweisen,
daß die Frauen das Grab leer fanden, verbunden mit dem
Kerygma, daß Jesus am 3. Tage auferstanden sei. Daß man vielen
Einzelauslegungen zustimmen und zu manchen ein Fragezeichen
setzen wird, beweist nur, daß T. nicht einfach aus den
vorhandenen Kommentaren eine Durchschnittsmeinung erhebt,
sondern völlig selbständig arbeitet und darum immer interessant
ist. Taylors Kommentar wird neben Lohmeyers für lange Zeit
ein unentbehrliches Hilfsmittel zum Verständnis des ältesten
Evangeliums und damit auch der Verkündigung Jesu bleiben.

Marburg, Lahn Werner Qcorg Kümmel

Jeremias, Joachim, Prof. D. Dr.: Die Gleichnisse Jesu. Zürich:
Zwingli-Verlag 1947. 119S. 8° = Abhandl. zur Theologie des Alten
und Neuen Testaments. Hrsg. v. Prof. Dr. W.Eichrodt u. Prof. Dr.
O. Cullmann. Nr. 11. sfr. 9.—.

- dass. 2. völlig neu bearb. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck k Ruprecht
(Lizenzauf!, des Zwingli-Vcrlagcs, Zürich) 1952. 174 S. gr. 8°.
DM 9. 80.

Der Umstand, daß dem Rezensenten während der Vorbereitung
seiner Besprechung eine zweite, laut Vorwort des Verfassers
völlig neu bearbeitete Auflage zugesandt wurde, laßt es