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Ausgabe:

1953 Nr. 6

Spalte:

329-331

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Quellen zur Geschichte der tibetischen Bon-Religion 1953

Rezensent:

Schubert, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 6

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und zwar des ersten Evangeliums tiefer einzudringen." Der evangelische
Bibelleser kann hier sehen, wie der katholische Gebildete
zur „Betrachtung" des Bibelinhaltes angeleitet wird. Es sind kurze
und schlagende Hinweise auf den Sinn des Mt; sie bringen zwar
nichts Neues, aber sie bringen das Alte neu. Manches ist doch
hochinteressant; z.B. zu Mt 16,18: „Auf zwei Säulen ruht diese
Kirche: auf dem Geist und dem Amt. Der Geist ist der Glaube.
Denn auf Grund seines Glaubens wird Simon selig gepriesen...
Dieser Glaube ist das Fundament und die Wurzel. Zum Glauben
kommt das Amt. Der erste, der das Glaubenswort klar ausgesprochen
hat, wird durch Christus zum ersten großen Amtsträger
bestellt" (vgl. zu Mt 16,21—28). In Summa: Vom Geschlechtsregister
des Mt, über die Kindheitsgeschichte, über Bergpredigt
und Vaterunser, über Primat und Eucharistie, bis zu Mt 28,
16—20 führt Gutzwiller seine Leser so, daß die bekannte „bibel-
arbeitliche" Langeweile nicht aufkommt.

Und dieselben katholischen Bibelkreise werden sich von
Giovanni Papini* gerne, Begeisterung gegen Begeisterung,
„das Leben des Herrn", die Storia di Cristo, erzählen lassen.
Freilich schrieb Papini dieses Buch zu allererst für die der Bibellesung
, ja dem Christentum erst zu Gewinnenden. Da ist es ein
lobenswertes Unternehmen, diesen Kreisen einmal ein rundes
Glaubenszeugnis vor die Augen zu legen, das Glaubenszeugnis
eines auch in jenen Kreisen bedeutenden Schriftstellers. Tatsächlich
ist das Buch das, was man in der treffsicheren pietistischen
Sprache eine „Zeugnisablegung" nennt. Papini erzählt den Inhalt
der vier Evangelien in der Art eines Diatessaron, aber eben
mit der Meisterschaft des europäischen Schriftstellers (wobei für
die deutsche Sprache der Übersetzer Max Schwarz seine Meriten
hat). Und er erzählt „aus Glauben". Formal gehört das
Buch in die Reihe der vielen katechetischen und homiletischen
Nacherzählungen der evangelischen Perikopen, besonders in die
Reihe der „Rahmen-Erzählungen" — und allerdings bildet es hier
einen Gipfel. Etwas anderes ist natürlich die Frage, wie weit so
ein Buch, auch das Papinis, nun den wirklichen Inhalt der Evangelien
getroffen hat; und diese Frage läßt sich, wie nun einmal
<hc Dinge liegen, nur von der zünftigen Exegese und ihren
Kommentaren her beantworten. Darum sind Papinis Anwürfe
gegen die Professoren (und die Pfarrer), die Felsbrockenwürfe
des „Vorworts", zwar in der Stilisierung entzückend, sachlich

') Papini, Giovanni: Das Leben des Herrn. Deutsch v. Max
Schwarz (Ital. Ausg.: „Storia di Christo"). München: Kösel-Verl.
11951]. 552 S. 8°. Lw. DM 18.50.

aber Dilettantismus, der weder zu Papinis sonstiger Art noch
zu einem Erbauungsbuch paßt. Papst Pius' XII. Rundschreiben
über die zeitgemäße Förderung der biblischen Studien (Divino
afflante Spiritu, 1943) redet von den Exegeten und den Pfarrern
anders. Doch lassen wir das „Vorwort"; der eigentliche Inhalt
des Papini-Buches ist schon dadurch ein Ereignis, daß Papini damit
den Inaktiven und Apathischen auf den Leib rückt. Ob freilich
mit einer „Zeugnisablegung" schon alles getan ist, und ob
nicht von den angeredeten Bibelfremden Gründe und nochmal
Gründe verlangt werden — darauf sei nur der Finger gelegt. Oder
soll der Angriff auf Professoren und Pfarrer die Frage nach
Gründen so anathematisieren, daß man sich nicht mehr traut?

Noch eine Art der Arbeit am NT, hier speziell an den
Johannesschriften, ist den Katholiken durch Linus Bopp5 ins Ge-
dächtnis gerufen worden. Martin Deutinger d. Jüngere hat als
Universitätsprediger in München das Johannesevangelium, die
Johannesbriefe und (in nur 2 Predigten!) die Apoc behandelt
(im Druck erschienen 1862 Bd. I und II, 1867 Bd. III). Er übte
die spekulative Auslegung, die eine „Einlegung" wäre, hätte
nicht Deutinger eine große exegetische Zucht und theologische
Vorsicht angewendet. Da es sich um spekulative Auslegung der
Johannesschriften handelt, konnte Linus Bopp ein gefälliges
Kompendium fertigen, das eine rasche und sichere Einführung
in Deutingers Theologie gewährt. Daß Bopp das Kompendium
für die nun vorübergeschwebte „Theologie der Verkündigung"
schrieb, mindert den Wert des Büchleins nicht im geringsten.
Bopps kenntnisreicher Rahmen hat auch seinen Wert. Bloß: eine
Warnung vor der spekulativen Auslegung wäre am Platze, nämlich
für jeden, der „schwärmen" statt hören will. So wie das verdienstvolle
Boppsche Kompendium „Erlösung" nun vorliegt, wird
es besonders denjenigen weiterhelfen, die am Gegensatz Natur
und Geist und am Gegensatz Natur und Gnade leiden.

Wenn auch die besprochenen Werke mehr zufällig hier zusammenkamen
, so kann man aus ihnen doch einen guten Überblick
über die Arten der katholischen Literatur zum NT gewinnen
— und die Parallelität zur evangelischen Literatur liegt auf
der Hand. Bloß eine Art fehlt in der katholischen Bibliothek:
die historisch-kritische. (Doch ist es eine Frage, wieweit sie auf
evangelischer Seite kirchlich „vorhanden" ist.)

*) B o p p, Linus: Erlösung nach Martin Deutingers Betrachtungen
über das Reidi Gottes nach Johannes. Ein Beitrag zur Geschichte und
Bereicherung unserer Theologie der Verkündigung. Bonn: Sdiwippert
1947. 274 S. 8°. Pp. DM 5.80.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

"j"B>nn, Helmut: Quellen zur Geschichte der tibetischen Bon-
Religion. Hrsg. u. übers. Mainz: Verl. d. Akademie d. Wissensch,
u. d. Literatur; in Komm. b. Franz Steiner Verl., Wiesbaden [1950].
319 S. m. 5 Abb., Ii Taf. u. l Kt. gr. 8° = Akademie d. Wissensch.

<j. Lit.-, Abhandl. d. Geistes- u. Sozialwiss. Klasse, Jahrg. 1950,
4. S. 125-443. DM 30.-.

, Auf..die/""äße nach dem Wesen der „Bon"-Religion - viel-
le.cht wäre der Ausdruck Religion überhaupt besser durch den
öcgnrr Lehre zu ersetzen - ist trotz aller Forschungen noch
keine befriedigende Antwort zu geben. Das Beste, was in dieser
Richtung geleistet worden ist, faßt das in Rede stehende höchst
vorzügliche Werk zusammen! Wie der Verf. selbst
sagt, will das Buch „keine Darstellung der Bon-Religion" (S. 13)
und auch „keine Darstellung der Lehre und Götterwelt der späteren
, vom Buddhismus gewandelten Bon-Religion (S. 14) sein,
sondern bringt lediglich eine Auswertung des im gebotenen
Wuellenmaterial vorhandenen Stoffes" (S. 13/17).

18 tibetische Schriften, von den Manuskripten des Padmasam-
£nava, des Begründers der alten „Rotmützen-Sekte aus dein l./f. Jahr-
undert n. d. Zw. bis zu moderneren historischen Schriften, d.h. der
^cschichtc des Buddhismus in der Mongolei" des 'Ajigs-med-rig-
pai ■ rdo • rjc. aus dem Jahre 1819, sind genauestens auf Bon-Stellen hin
untersucht. D>csc Teile sind auf den S. 243-423 in umschriebenen (benutzt
« Umschrift S. 423) Text (S. 345—423) und Übersetzung (S. 243-
345) abgedruckt. Bei den Auszügen aus der Biographie des Padmasam-
bhava (Gu • ru padma • 'abyun • gnas • kyi • skyes • rabs • rnam • par • thar • pa)
und den Liedern (Mgur-'abum) des Mi-la-ras -pa ist neben dem Wortlaut
des tibetischen Textes auch der Text der mongolischen Übersetzung
(nach Pekingdrucken der jetzt Westdeutschen Bibliothek in Marburg
sowie einem guten Abdruck aus Statens Etnografiska Museum in
Stockholm) in Umschrift beigegeben (S. 3 51—396), der zum Verständnis
des sehr schwierigen tibetischen Textes wesentlich beiträgt.

Das aus dem Textmaterial erhaltene Resultat, dem Vorwort
(S. 129/130), Inhaltsverzeichnis nebst Verzeichnis der Abbildungen
(S. 131/133) und eine. Einleitung (S. 1 3 5—1 38) vorangeht, ist in zwei
Abschnitte gegliedert. In dem ersten (S. 138—210) wird der „ursprünglichen
Bon-Religion", d.h. ihrer Geister (S. 138—174), der Beziehung
zwischen Geistern und Menschen (S. 174—186), der Totenzeremonien
und der schwarzen Magie (S. 186—192), sowie der Methoden der Schicksalsbefragung
(S. 192—197) gedacht und ein ausführlicher Vergleich
zwischen Bon-Religion und Schamanismus (S. 197—210) geliefert. Der
zweite Abschnitt, der der „geschichtlichen Entwicklung der Bon-Religion
" (S. 210—243) gewidmet ist, spricht von der Zeit der tibetischen
Universalmonarchie (S. 210—227), von der Periode seit dem Ende dieser
Monarchie (S. 228—236) und der gegenwärtigen Verbreitung der
Bon-Religion (S. 236—243). Der „Register"-Teil (S. 423—443) enthält
außer dem Verzeichnis der „Abkürzungen" (S. 423) und der „Bibliographie
" nichteinheimischer, d. h. nicht-tibetischer (S. 424—428) und
einheimischer, d. h. tibetischer Werke (S. 428), das bestens gegliederte
Namens- (S. 429—438) und Wortverzeichnis (S. 438—443). Ein Verzeichnis
der Abbildungen im Text und auf den Tafeln (S. 13 3) und