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Ausgabe:

1953 Nr. 6

Spalte:

327-330

Autor/Hrsg.:

Fendt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Katholische Literatur zum Neuen Testament 1953

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327 Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 6 328

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Katholische Literatur zum Neuen Testament

Von Leonhard Fendt, Augsburg

Das Gegenstück etwa zu dem evangelischen Unternehmen
des Göttinger Verlags Vandenhoeck und Ruprecht „Das Neue
Testament Deutsch" ist im deutschen Katholizismus heute das
„Regensburger Neue Testament" des Verlags Friedrich Pustet in
Regensburg (herausgegeben seit 1938 von Alfred Wikenhauser
und Otto Kuß, in Verbindung mit Josef Freundorfer, Joh. Michel,
Josef Schmid und Karl Staab). Das Werk hat neun Bände, mit
dem beabsichtigten „Register-Band" zehn, und dazu liegt als
„Ergänzungsband" schon die „Synopse" von Josef Schmid vor.
Die Bände beginnen seit einiger Zeit in zweiter Auflage zu erscheinen
, was auf guten Zuspruch schließen läßt. Beachtenswert
ist es, daß es im evangelischen wie im katholischen Falle ungefähr
die gleichen Schichten sind, welche nach dem Göttinger
bezw. dem Regensburger Bibelwerk greifen: die Geistlichkeit
beider Kirchen und aus der Bibelgemeinde diejenigen Bibelleser,
welche von der Arbeit der Gelehrten Bibelhilfe erhoffen. Noch
beachtenswerter aber dürfte es sein, daß beide Bibelwerke die
gleiche Höhenlage haben: es gilt, auf den Inhalt des NT zu hören
, dieses Hören zu ermöglichen und zu größter Schärfe zu erheben
; alles, was man vom NT und im NT „wissen" kann, wird
für das Hören auf das NT fruchtbar gemacht. Dagegen wird in
jeder Weise vermieden, „einleitungswissenschaftlich" über das
ganze NT oder über Teile des NT zu richten und zu entscheiden
(man vergleiche etwa den ganz anderen Standpunkt der Schreiber
und Leser des Göttinger Bibelwerkes von 1907 und 1908 „Die
Schriften des NT neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt",
ed. Johannes Weiß/). Ungefähr hat man jetzt in Göttingen wie
in Regensburg die Position erreicht, auf welche Franz Overbeck
(vgl. WalterNigg, 1931) mit den Worten hindeutete:
„Die Tradition einer uralten Entstehungsgeschichte hätte vor
allem Anspruch, mit subjektiver Konjektural- und Hypothesen-
Kritik verschont zu weiden — aber gerade mit ihr wird der Überlieferung
des Urchristentums am rücksichtslosesten zugesetzt"
(Nigg 106). Da die katholische „Einleitungswissenschaft" immer
die Tradition vom NT darlegte und verteidigte, hat sie heute
gute Zeiten und ist gewillt, ihrer evangelischen Schwester, welche
aus der „Kritik" kommt, die Hand zu reichen. Denn schließlich
war es die „Kritik", welche die These wissenschaftlich zum Siege
führte: „Die Schriften des NT sind Glaubenszeugnisse". Während
aber Overbeck dafür eintrat, die beste Methode, diesen Glaubenszeugnissen
(er sagte „der Urliteratur") gerecht zu werden, sei die
Allegorese, haben Göttingen und Regensburg das Gegenteil getan
, nüchterne Buch-Exegese. Und während Overbeck gegen die
konfessionell oder praktisch ausgerichtete Exegese den Vorwurf
der Befangenheit dem Texte gegenüber auftat, ist Göttingen gut
evangelisch und Regensburg gut katholisch — aber beide suchen
durch immer stärkere Akribie aus jeder Befangenheit herauszukommen
und schrecken nicht vor dem Eingeständnis zurück: „So
urteile ich als Evangelischer, so urteile ich als Katholik", und
der Leser wird nicht überrumpelt. Aber freilich beide Werke
sind für die „Bibelleute" geschrieben, keines von beiden für die
Leute, die erst zur Bibel kommen sollen! Hier ist die große
Frage: Wie bringt man denjenigen zur Bibel, welcher nach fleißiger
Lektüre des Göttinger und des Regensburger NT vieles begreift
, bloß das eine nicht, warum e r, gerade er und seinesgleichen
, nun biblisch werden soll! (Aber viele Exegeten verstehen
heute diese Frage gar nicht mehr und häufen Bibelsprüche,
wo sie Gedanken häufen sollten.)

Der ThLZ liegen von den 2. Auflagen des „Regen;bur-
ger NT" heute drei charakteristische Bände vor: Mt und Lc, bearbeitet
von Josef Schmid1, und Apoc, bearbeitet von Alfred

') Schmid, Josef: Das Evangelium nach Matthäus übers, u. erkl.
2., umgearb. Aufl. mit einer Palästinakarte. Regensburg: Pustet 1952.
309 Si 8° = Das Neue Testament übers, u. kurz erkl., hrsg. v. A. Wikenhauser
u. O.Kuß Bd. 1. kart. DM 10.80; Hlw. DM 12.80.

— Das Evangelium nach Lukas übers, u. erkl. 2., umgearb. Aufl.
Regensburg: Pustet 1951. 296 S. 8° = Das Neue Testament übers, u.
erkl. Hrsg. v. A. Wikenhauser u. O.Kuß. 3. Bd. kart. DM 8.50; Hlw.
DM 10.50.

Wikenhauser*. Die Schmidschen Kommentare haben ihre
Besonderheit darin, daß sie von der heutigen Bibelwissenschaft
aus und mit dem ganzen exegetischen Spürsinn der Gegenwart
eine der Tradition kongeniale Wiedergabe und Auslegung der
Synoptiker erstreben und leisten. Schmid vertritt die Priorität
des Mc, die Benützung des Mc durch Mt und Lc, aber nicht die
des griechischen Mt durch Lc. Schmids Urteile stehen auf der
Höhe der gegenwärtigen Diskussion. Man lese seine Exkurse,
z. B. im Mt-Kommentar „Das theologische Problem der Bergpredigt
" — oder gar „Die Echtheit, Geschichtlichkeit und der Sinn
der Primatverheißung"! Hier fragt Schmid: „Ob die dem Petrus
gegebene Verheißung nur diesem für seine Person gilt oder auch
seinen Nachfolgern?" und antwortet: „Der Wortlaut des Textes
sagt nichts von den letzteren"! Gewiß vertritt dann Schmid die
katholische Lehre vom Primat, aber als ,,in der Konsequenz des
Sinnes" des Textes gelegen, nicht als im Text direkt ausgesprochen
. Ziehen wir auch Schmids Mc-Kommentar heran: der Mc-
Schluß Mc 16, 9—20 wird sachgemäß erörtert — trotz einer „Entscheidung
der päpstlichen Bibclkommission"; und der Exkurs ?.u
den Brüdern Jesu (Mc 3,31 ff.) kann eine Diskussionsgrundlage
abgeben. Im Lc-Kommcntar gilt das Gleiche vom Exkurs über
die „Schätzung des Quirinius", der alle Ventile für diese luft-
hungerige Angelegenheit zieht. Ist ferner die Überlieferungsgeschichte
der Geburts-Erzählungen bei Lc und Mt soweit vorgetrieben
, wie es Schmid darlegt (vgl. auch K. H. Rengstorf im
Göttinger NT, Band 3), so muß die Liturgiewissenschaft fragen:
Wer benützte im Zeitalter des Mt und Lc solche der Leidensgeschichte
analogen Lesungen — und wo?

Wikenhausers Kommentar zur Apoc ist keinerlei Parallele
zu den Visionen des sei. Bartholomäus Holzhauser (f 165 S;
vgl. seine Expositio in Apoc 1—15,5 und die Visiones) noch zu
der zahlreichen Nachfolgerschaft Holzhausers, sondern eine nach
allen Seiten gediegene Parallele zu Behm, geeignet, die katholische
Apokalypsenluft gründlich zu reinigen. Wikenhauser lehnt
die „kirchengeschichtliche" Deutung der Apoc ab, auch die „traditionsgeschichtliche
" der Gunkel, Boll, Bousset, Lohmeyer, die
immerhin auch nach Wikenhauser zur Erforschung der „Motive"
in der Apoc wertvoll ist, aber über den von Johannes gemeinten
„Inhalt" nichts zu entscheiden haben soll; die „endgeschichtliche"
Deutung hält Wikenhauser nur so für möglich, daß damit die
„zeitgeschichtliche" verbunden wird. So geht dann Wikenhauser
durch die Apoc und erarbeitet einen Kommentar, der neben Behm
(und auch neben Johannes Weiß im 2. Band der „Schriften des
NT", Göttingen 1908) den Bibelleser erleuchtet und vor Gefahren
beschirmt. In den Einzelheiten ist Wikenhauser ebenso selbständig
wie vorsichtig. Z.B. die naq&hoi 14,4 sind ihm
nicht Ehelose, sondern „eher" die von antiker Unsittlichkeit
Freien. Die Gebärerin 12,1 ff. ist „das Volk Israel in seiner Bestimmung
als Volk Gottes, aus welchem der Messias kommt",
zugleich das neutestamentlicbe Gottesvolk, die Kirche. Die Weissagung
auf ein „tausendjähriges Reich" (c. 20) „ist bildlich
zu verstehen". „Fraglich ist nur, was Johannes durch sie darstellen
will. Darauf gibt es keine wirklich befriedigende Antwort
". Die Exkurse „Die Deutung von Kapitel 11" und „Die
beiden Tiere und die Stadt Babylon" sind aller Erwägung wert.

Etwas ganz anderes bietet denselben katholischen Bibellesern
RichardGutzwiller' mit seinen „Meditationen über
Matthäus". Gutzwiller will den Menschen, „die im Lärm der
Städte und in der Hast ihrer Berufsarbeit stehen", „behilflich
sein, in den religiösen Sinn und Gehalt eines biblischen Buches,

') Wikenhauser, Alfred: Offenbarung des Johannes übers,
u. erkl. Regensburg: Pustet 1949. 145 S. 8° = Das Neue Testament
übers, u. kurz erkl. Hrsg. v. A. Wikenhauser u. O.Kuß 9. Bd. kart.
DM 4.50: Hlw. DM 5.80.

3) Gutzwiller, Richard: Meditationen über Matthäus. 1. u. II

Einsiedcln, Zürich, Köln: Benziger [1951/52]. 254 u. 255 S. kl. 8™.
je Bd. Lw. sfr. 8.90; DM 8.60.