Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 5

Spalte:

303-306

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Weltschöpfung und Weltende 1953

Rezensent:

Neuberg, Arthur

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

303

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 5

304

perforiert. Die Literaturangaben sind so exakt wie bisher. Aber
über dem allen haben die Artikel doch Reiz und Lesbarkeit durchaus
behalten.

Die 26. Lfg. ist neben dem „Bürgerhaus" (A. Bernt) fast
ganz von der „Burg" (K. H. Clasen) ausgefüllt. Daran schließt
sich die „Burgkapelle" (ders.) mit ihrer interessanten Entwicklung:
vom kleinen, dem Wehrbau eng verbundenen Kultbau über das
zentrale Kirchlein in der Befestigung bis zur typischen Schloßkapelle
. Den Klosterbau betrifft das „Calefactorium" (K. Hecht).
Neben der „Büste" (H. Keller) erscheint das „Bursar"- und „ßü-
stenreliquiar" (J. Braun), dessen große kunstgeschichtliche Bedeutung
Harald Keller in der Jantzen-Festschritt 1952 beleuchtet
hat. Andere, auch kulturgeschichtlich höchst anziehende Artikel
von z. T. erheblichem Umfang wie Büttenmann, Butzenscheibe,
Callotfiguren, Capriccio, Castrum doloris, Chaiselongue, Chinoi-
serien seien wenigstens genannt. Verschiedenes betrifft wieder
Kleider, Stoffe und dergl.: Bursa, Byssus (der bevorzugte Stoff
zur Umhüllung der Reliquien), Cachenez, Canons, Caperation,
Capa, Cappa und Cappa magna. Unter den ikonographischen Gegenständen
ist der „Busch" (O. Gillen) von theologischem Interesse
, die in ihrer Prägung meist etwas blasse „Caritas" (M. Wel-
lershof-v. Thadden) und der oft mit den Seraph vermengten „Cherub
" (A. Schönberger). Besonders reich sind die zahlreichen weltlich
-antiken Themen, die dann doch am Rande der „christlichen"
Ikonographie eine Rolle spielen: die „Caritas Romana" (= Valerius
Maximus und seine Tochter), Cato, die sog. „Cebestafeln",
der Cerberus und die seltsamen Wundervögel Carabas, Carista
und Charadrius. Wer wußte bisher, daß sogar Caesar im legendarischen
Gegenüber zu seinem Feldherrn Antipater (der seine
Wunden weist) zum Typus Gottvaters geworden ist? Am Schluß
der 28. Lfg. steht ein großer Artikel des Herausgebers Ernst Gall
über den „Chor". Er vereinigt in musterhafter Weise eine klare
Übersicht über die Geschichte dieses liturgisch bedingten Bauteils
(in seinem Verhältnis zum Altarraum und zur Laienkirche)
mit einer reichen Aufzählung der wichtigsten Beispiele, die nicht
auf Deutschland beschränkt bleibt. Es ist ein nicht überraschendes
, schönes Zeichen für die Verbreitung des RDK, daß der Verlag
bereits erwägt, ein Verzeichnis der Stichworte in französischer,
englischer und italienischer Sprache herauszubringen.

Ob wohl jeder Leser über die „Zeit Hadrians 1." (S. 348) ohne
weiteres im Bilde sein wird? — Ein ärgerliches Versehen scheint S. 363
stehen geblieben zu sein: „Bellum catilinarum". Die im Zusammenhang
mit dem „Chanukkaleuditer" fallende Bemerkung, „Schamasch"
hieße hebräisch „Diener" trifft nicht zu. Gemeint ist wohl: aramäisch.
— Zum Artikel „Cephalus und Prokris" (L. Ettlinger) darf vielleicht
noch erwähnt werden, daß dieser Gegenstand auch für Wandtapeten u.
dgl. beliebt war. Ich kenne ihn beispielsweise als Wandmalerei in meinem
livländischen Elternhause Orellen aus den fünfziger Jahren des
18. Jhds. Audi auf den Wechsel von Speer und Pfeil in der Aulfassung
des „iaculum" wäre zu achten.

Heidelberg H. v. C a m peil Ii a u seil

PHILOSOPHIE UND BELIGIONSPHILOSOPH1E

Heim, Karl: Weltsdiöpfung und Weltende. Hamburg: Furche-Verlag
[1952]. 216 S. 8° = Der evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart
. Grundzüge einer christlichen Lebensanschauung. 6. Bd.
3. Folge von: Der diristl. Gottesglaube und die Naturwissenschaft.
Lw. DM 12.80.

Ein Buch von Karl Heim nehme ich immer mit einer Art
Ehrfurcht in die Hand. Nicht ohne ein gewisses Bangen, denn es
steht ernste Denkarbeit bevor und eine Beschäftigung mit spekulativen
Begriffen, die mir, wie ich schon in meiner Rezension der
vorhergehenden Bände ausgeführt habe (ThLZ), kein Behagen
erweckt. Aber eben deshalb mit Ehrfurcht vor der Geistesarbeit
eines der schärfsten und tiefsten Denker, die wir heute haben.
Es ist ein Ruhmestitel für die Theologie, daß an der Spitze bedeutender
Denker der Zeit ein Theologe steht, wie einst in den
Tagen Schleiermachers. Und ich füge hinzu: ein in der Naturwissenschaft
, auch der neuesten, so wohl orientierter, im naturwissenschaftlichen
Denken so sicher stehender Mann, wie Karl Heim.

Daß dies in dem vorliegenden sechsten, abschließenden Bande seines
großen Gesamtwerkes mehr der Fall ist als in den vorhergegangenen
, daß hier noch reiner die Tatsachen reden, die spekulativen
Begriffe zurücktreten, war meine besondere Freude. Zwar
geistern auch hier noch die „polaren und überpolaren Räume",
die „Dimensionen des überpolaren Raumes" und das ganze
„Denken in Räumen", das uns naturwissenschaftlichen Seelen —
ich rechne mich ganz dazu — unbehaglich ist, weil wir damit nichts
anfangen können. Aber es tritt doch vor den einfachen Tatsachen
der Wissenschaft wie des Glaubens wohltuend zurück.

Der Band behandelt die beiden Schlüsselprobleme auf dem
Gebiete der Auseinandersetzung biblisch-gläubigen Denkens mit
dem naturalen Denken: Anfang und Ende alles Werdens, jenes
gegenüber der automatischen Entwicklungslehre, dieses gegenüber
der Lehre von der Entropie. Beide Teile ergeben einen etwas
verschiedenen Stimmungsgehalt. Der erste sucht noch mehr die
Synthese, den Zusammenklang des an der Naturwissenschaft
orientierten Denkens mit dem biblisch orientierten, besonders in-
bezug auf die beiden Schöpfungsberichte der Genesis, die selbstverständlich
, wie es für ein wissenchaftliches Bibelverständnis
nicht anders sein kann, in ihrem zeitgeschichtlichen Charakter
genommen werden, wobei jener Respekt vor etwas unbegreiflich
Hohem bestehen bleibt, dem Heim auf S. 95 schönen Ausdruck
gibt: ,, Das Wunderbare an diesem Bericht (Gen. l), das
uns immer wieder beim Lesen den Gedanken nahe legt, eine unsichtbare
Hand habe dem Erzähler die Feder geführt". Im zweiten
Teile aber tritt die Antithese und Frontstellung mehr hervor;
davon später.

Im zweiten Abschnitt des ersten Teiles, der die neueren
kosmologischen Systeme darstellt, besonders die Entstehung des
Sonnensystems, ist die Hypothese von Weizsäcker besonders ausführlich
wiedergegeben. Ich bezweifle, ob unter den vielen neueren
Hypothesen (Jordan, Lemaitre-Milne, Feyerabend, O. J.
Schmidt, Fessekow) gerade die Weizsäckersche die anerkannteste
oder meist beachtete ist; sie ist nur eine von vielen, und keineswegs
die wahrscheinlichste. Beachtenswert ist jedenfalls die Tatsache
, daß die einst für „bombenfest" gehaltenen Hypothesen
von Kant und Laplace wissenschaftlich aufgegeben sind, weil sie
zu primitiv und doktrinär waren. Irgend etwas Entscheidendes
gibt es noch nicht, wir können ruhig abwarten, wie sich da die
Wissenschaft weiter entwickelt. Im biologischen Gebiet — Entwicklung
des Lebens auf der Erde bis auf den Menschen — bekennt
sich Heim klar und entschieden zur Deszendenzlehre
(„Gegen das Daß der Deszendenz kann kein grundsätzlicher
Einwand mehr erhoben werden", S. 60) mit Recht, hat sich aber
etwas zu sehr von Heberer in Jena (S. 27 ff.) abhängig gemacht,
den ich keineswegs für den einwandfreiesten unter den Darwinisten
halte, da er noch sehr einseitig in der Jenaer Tradition steht.
Die Phylogenie der Zukunft wird viel besser von Otto Sdiinde-
wolf vertreten, der doch Heim viel näher ist — in Tübingen; ihn
hätte Heim neben Beurlen vor allem zitieren sollen. Fr. von
Huene ist zwar hervorragender Paläontolog, besonders in der
Saurierkunde, aber in der Mensdienentwicklung ist er doch merkwürdig
eingestellt und kein sidirer Gewährsmann. Die Ausführungen
über die Schöpfung des Menschen, besonders S. 8 8 ff.,
sind wertvoll, wissenschaftlich gründlich und theologisch weitsichtig
. „Zwischen den beiden Beziehungen, in denen alle Dinge
stehen, indem sie einerseits einen Teil des irdischen Zusammenhangs
bilden, andrerseits in einer ewigen Entscheidung Gottes
begründet sind, kann keine Kollision enstehen." (S. 72). „Gott
außerhalb der ganzen Kette von Ursachen und Wirkungen" (87).
„Eine und dieselbe Wirklichkeit wird in der ganzen Bibel gleichzeitig
unter zwei verschiedenen Aspekten gesehen, ohne daß sie
einander stören oder aufheben. Die Früchte der Erde wachsen
durch eigenen, langsamen, natürlichen Entwicklungsprozeß aus
dem Boden hervor, Mark. 4, 28 ff.; von der andern Seite betrachtet
sind alle Früchte der Erde Speisen, die Gott geschaffen hat,
I. Tim. 4, 3." (S. 90). „Darum schließen auch die Schöpfungsakte,
von denen das erste Buch Mose erzählt, in keiner Weise aus, daß
die neue Stufe, die mit jedem neuen Schöpfungstag erreicht wird,
biologisch gesehen in organischer Aufwärtsentwicklung aus der
niedrigeren Stufe herausgewachsen ist. Der priesterliche Erzähler