Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 5

Spalte:

300-301

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Braunfels, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Auferstehung 1953

Rezensent:

Kollwitz, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

299

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 5

300

das der abstrakten Kunst eigene „Zerbrechen der Dinge" bannt
(S. 79). Denn die Tiefe hat für W., wie wir noch sehen werden,
zumal eine bewahrend-ordnende Kraft. Diese Sicht ist geradezu
der Skopus seiner Schrift und entspricht einer homiletischen Tendenz
seines Philosophierens (S. 32). Jedoch, diese Tendenz will
metaphysisch und nicht theologisch verstanden werden. Damit
stehen wir vor dem grundsätzlichen Teil der Abhandlung.

Dieser zweite Teil zeichnet nach der solcherart aufbereiteten
„Erfahrung" am Kunstwerk (1. Teil: „Das Kunstwerk und seine
Tiefe", (S. 7—44) den „Grundriß einer Metaphysik der Kunst"
(S. 45-80).

Auch für die Tiefe, so wie sie sich im Kunstwerk zeigt, gilt
der allgemeine Wesenszug, daß „wirklich" ist, „was von sich selber
her wirksam ist" (S. 46). So wird das Kunstwerk „einer der
vorzüglichsten Orte der Begegnung mit der wahren Wirklichkeit
". Sie ist überhaupt der „Ursprung der Dinge", „die Urwirk-
lichkeit". „Die Erfahrung des Kunstwerkes ist echte metaphysische
Erfahrung" (S. 48). „Sofern er damit zugleich zum Ursprung
seiner eigenen Existenz vordringt, erfährt er sich selber als verspannt
in jene. Im Angesicht der Kunst vermag der Mensch zu begreifen
, daß er vom Wesen her ein ,animal metaphysicuin' ist"
(S. 49). Mit dieser der Tierwelt abgenommenen Prädikation des
Verspanntscins dürfte der S. 18 zwar genannten, aber in der
Folge nicht mehr ausdrücklich diskutierten idealistischen Metaphysik
der Freiheit doch wohj gewollt der Kampf angesagt sein.
Das Motiv dafür ist jedoch, in der Sprache der Reformation ausgedrückt
, nicht eine Einsicht in das versklavte arbitrium, sondern
eine dem Schwärmertum benachbarte Abgrundserfahrung, wie sich
gleich zeigen wird.

Die „metaphysische Wirklichkeit" ist (als Tiefe) „mächtige
Wirklichkeit" und (aus der Tiefe) „gegliederte Welt" (S. 50).
Alle Kunstwerke „erötfnen sich" so „gegenseitig": sie „entrük-
ken" „in die gleiche Tiefe" (S. 51). Die „metaphysische Welt"
umfaßt die Bereiche der Kunst, der Natur, des sittlichen Handelns
, der philosophischen Vergewisserung des Seins, der mystischen
Versenkung, des religiösen Vernehmens. Aber nur „im
Felde der Kunst" vollzieht sich „die Erscheinung der Tiefe" „im
Werk und durch das Werk hindurch" (S. 51). Dieses „Werk" ist
„die sich gestaltende, die in die Gestalt sidi fügende Tiefe"
(S. 52). Das „Dasein der Kunst vergewissert uns dessen, daß die
Tiefe kein Chaos, sondern ein Gefüge, daß die metaphysische
Wirklichkeit, der Ursprung des vordergründig Wirklichen, eine
Welt der Ordnung ist" (S. 53). Jener heute so wohlbekannte,
beim Untergang von Kunstwerken nachwirkende „Schmerz darüber
, daß die Welt des Vergänglichen das Wesenhafte nicht bewahren
kann", aber mehr noch die „Stille", „die um das Kunstwerk
steht", lassen das „wesenhafte Sein des Kunstwerks" „so
erfahren, als sei es der Zeit und ihrem Wechsel enthoben" (S. 5 5).
Die Kunst ist eine Erscheinungsweise des „Absoluten" als des
„Urgrundes", des „Ursprungs" und des „Abgrundes", wie es
schon „die jonischen Naturphilosophen erschaut" haben, während
sich Hegels Inanspruchnahme des Absoluten für den Geist
„nicht mehr aus der unmittelbaren Erfahrung des Kunstwerks bewahrheiten
" lasse (S. 58 f.). — Ein kritisches Referat über Heideggers
Interpretation des Kunstwerks (S. 59—67) kann hier übergangen
werden; offenbar ignoriert W. die intentionale Struktur
des Seins bei Heidegger, so daß er behaupten kann, Heidegger
identifiziere das Sein mit der Wahrheit; damit hängt zusammen
, daß W. die Beziehung zwischen dein Sein und der Sprache
(eine bei Heidegger wesentliche Beziehung) überhaupt nicht
erörtert. — „Christliche Kunst" kann es nach W. natürlich nur
gebrochen geben, weil der persönliche Gott nicht „als Weltding
erscheint" (S. 68). Gewiß. Immerhin sähe man dann gerne die
Frage erörtert, wie sich W. s Metaphysik der Erscheinung des Absoluten
zum Phänomen des Sakraments stellt! Und wie steht es
mit der doch wahrlich nicht prosaischen Sprache der Liturgie?
W. scheint für diese Phänomene keinen Sinn zu haben. Das deutet
darauf hin, daß gerade er trotz der behaupteten Verwandtschaft
aller Bezüge des Absoluten (S. 5 3 u. 50; Bachs Fugen werden
natürlich genannt!) die Bezirke des Phänomenalen zu Gunsten
seiner metaphysischen These verkürzt. Wenn er sagt: „Als
Möglichkeit aber bleibt bestehen, daß das in der Begegnung mit

dem Kunstwerk erfahrene Absolute und der den Gläubigen anredende
persönliche Gott nur zwei Aspekte einer und derselben
religiösen Wirklichkeit sein könnten" (S. 69), so dankt ihm die
Theologie diese Paarung mit dem Religiösen trotz allem Respekt
vor W. F. Otto (S. 70) nicht: wo bliebe bei solcher metaphysischer
„Vertiefung" die Relation des Gotteswortes zum Hören? Ist denn
Gott unter irgend einem Gesichtspunkt ein „Aspekt"? Eine Philosophie
, die sich da nicht bescheiden kann, vermag der Theologie
gerade auf dem Felde der Erfahrung (W. will dieses Feld
doch einhalten!) nicht oder nur als eine Mystik der Untiefe zu
begegnen. Die Theologie wird dieser Kunstbetrachtung die Frage
zurückgeben, ob man in solcher Tiefenerfahrung nicht einfach
nach vorne falle, während uns doch Kunstwerke eben dort
aufhalten und entgegenstehen wollen, wo wir ohne sie ins Bodenlose
gerieten? Auch wenn sie das Bodenlose des Menschen abspiegeln
wie bei Goya! Besteht das Wesen des Kunstwerks am
Ende darin, gerade nicht das Absolute, sondern das Endliche zu
verklären? Rede ich damit dem Idealismus das Wort? Wenn
aber Philosophie zu den e r klärenden Tätigkeiten des Menschen
gehören sollte, wird man zweifeln, ob sie dazu berufen
sein kann, der Gottesgabe des Kunstschaffens einfach,
dankbar und bescheiden, ohne eigenen Anspruch gerecht zu
werden. Was ist schön? W. sagt uns das nicht. Vielleicht liefe
die echt philosophische Antwort auf diese Frage auf eine Tautologie
hinaus; denn Philosophie ist Tautologie und hat darin
ihr eigenes Recht. Der Künstler selbst dagegen weiß uns zu antworten
: „Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst"
(S. 18; lucet, trotz E. Staiger!). Ist man wirklich bei der Erfahrung
am Kunstwerk geblieben, wenn man von der Frage umgetrieben
ist, ob „das Absolute (auch) im Zerbrechen wirksam
sein kann" (S. 77)? Das Schöne aber, sollte man meinen, hat sich
noch immer so hervorgetan, daß es vor dem verweilen ließ, was
mehr ist als aller Zerbruch. Die ontologische Frage nach der Möglichkeit
des Schönen gründet doch wohl nicht in der Erfahrung
am Kunstwerk, sondern in der Begegnung mit der Kunst selbst.
Was besagt es, daß der Mensch das Endliche verklären „kann"?
Und: wie verhält sich diese seine „Kunst" zu der Frage, ob und
wann er das Endliche verklären „darf"? Man möchte den leidenschaftlichen
und wcltoffenen Denker bitten, es doch einmal in
aller Breite mit einer Metaphysik der Kultur zu versuchen.
Tübingen Ernst Fuchs

Brnunfcls, Wolfgang: Die Auferstehung. Düsseldorf: Schwann
[1951]. XXXI S., 32Taf. 4" = Lukas-Bücherei zur duistl. Ikonographie
. Bd. III. Hlw. DM 6. 80.

B. setzt mit dem vorliegenden Bändchcn die schöne Reihe
seiner Studien zur christlichen Ikonographie fort (s. ThLZ 1951,
560). In sehr feinsinniger Weise wird wieder eine große Anzahl
von Darstellungen interpretiert, wobei, wie es schon in dem
Bändchen über die Verkündigung geschehen war, auch die mannigfaltigen
Zwecke der Bilder (Lektionar, Erbauungsbuch, Glasmalerei
, Altartafeln) sowie ihr geistesgeschichtlicher Standort
(Mystik, Naturalismus des 15. Jh.) der Erklärung dienstbar gemacht
werden. Die frühesten Darstellungen des Themas erscheinen
relativ spät. Nach einer vereinzelten reichenauer Miniatur
ist es eigentlich erst die Miniatur- und Glasmalerei des
13. Jh., in der das Thema häufiger begegnet; die Tafelmalerei
folgt erst im 15. Jh. nach. Die altchristliche und byzantinische
Kunst kennt die Darstellung des Auferstehenden nicht; an ihrer
Stelle stehen der Gang der Frauen zum Grabe resp. die Höllenfahrt
. B. gibt hierfür eine etwas seltsame, mit dem übrigen Text
auch in keiner Weise zusammenhängende Erklärung. In den
ältesten Jahrhunderten christlicher Kunst habe das Bild eine dreifache
Funktion gehabt, als Symbol, als Gleichnis und als Spiegel.
Erst mit dem großen Umbruch, „den der byzantinische Bilderstreit
im Osten vorbereitet hat und den die monastischen Reformbewegungen
der Cluniaccnser im Westen veranlaßt haben",
hätte das Bild dazu eine „eigne Heilsbedeutung" gewonnen. „Es
erlangt über die Fähigkeit, die Ereignisse der Evangelien widerzuspiegeln
, das Vermögen hinzu, sie gleichnishaft nachzuvoll-
ziehen. . . . Die Bilder Christi und der Heiligen gewinnen neue
Segensmacht" (IX). Was hier vom Bilde gesagt wird, hat sich