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Ausgabe:

1953

Spalte:

9-16

Autor/Hrsg.:

Harbsmeier, Götz

Titel/Untertitel:

Theologie als kirchliche Wissenschaft 1953

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Theologische Literaturzeitung 195 3 Nr. i

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nehmen, darf es doch als für damals typisch gelten, wenn C 1 e-
mens AI., Strom. I 146,1 von ihnen zu berichten weiß: Sie
feiern den Tag der Taufe Christi, „indem sie die ganze vorhergehende
Nacht mit Lesen zubringen15". Sind also die Lesungen für
die Festifizierung wichtig, so versteht man die Aufforderung
Kunze s18, einmal die Sache von Epiphanias und Weihnachten

lj) Vgl. auch Peregrinatio Aetheriae ed. Heraeus
p. 33 f. no. XXV 12 und XXIV. Hingegen gibt für unsere Frage der
Festifizierung trotz dem Augenschein die Stelle bei Augustinus (ep. 55,
al. 119, Migne P. L. 33, 244 f.) nichts aus, „diem natalem Domini non
in sacramento celebrari, sed tantum in memoriam revocari, quod natus
sit" etc., denn Odo Casel hat JLW 6 S. 167 f. gezeigt, daß„mystc-
rium" hier nicht das kultische Mysterium bedeutet, sondern die „Allegorie
" als Symbol verborgener religiöser Wahrheiten I Weihnachten
war damals allein Feier der Geburt Jesu, sonst nichtsI Aber „kultisch
"!

le) Gerhard Kunze. Die gottesdienstliche Schriftlesung I 1947,
S. 169; vgl. auch 90—92; 96 f.; 147.

mit der Perikopenforschung anzufassen. Aber geschieht das nicht
schon, z. B. bei Frank in dem auch methodisch instruktiven
Aufsatz „Hodie caelesti sponso" (in dem Sammelwerk „Vom
christlichen Mysterium" S. 192 ff.), bei I. A. J u n g m a n n („Gewordene
Liturgie") — und bei Kunze selbst? Aber vielleicht
will Kunze vorschlagen, es einmal nur durch Perikopenforschung
zu versuchen, „als ob noch nichts geschehen wäre"? Es könnte in
der Tat das Gegebene sein, es einmal „ganz anders" anzugreifen.
Der Weg ist frei, da wir in der Hauptangelegenheit von Hypothesen
leben.

Aber soviel enthüllte die bisherige Weihnachts- und Epiphaniasforschung
doch: Um einen bloß äußerlichen Vorgang
handelte es sich keinesfalls, als die Fundamente dieser Feste gelegt
wurden. Im Christentum, ja im Christustum ging da etwas
vor sich. Wüßten wir die eigentliche Entstehungsgeschichte von
Epiphanias und Weihnachten, so hätten wir einen tieferen Einblick
in das damalige Christustum. Und das kann die Forscher
immer von neuem befeuern.

Theologie als kirchliche Wissenschaft

Zum Problem einer theologischen Enzyklopädie heute1

Von Götz Harbsmeier, Reiffenhausen

I

Noch immer ist der Platz der Theologie unter den Fakultäten
umstritten. In welchem Sinne Theologie Wissenschaft sei
und welches der ihr gebührende Ort unter den anderen Wissenschaften
ist, das sind zwei Problemkreise, die seit Kant weder
für die protestantische noch für die katholische Theologie ihre
besondere Aktualität verloren haben. Dies macht das unten genannte
Buch von Hermann Diem ebenso deutlich wie der bedeutsame
Aufsatz des katholischen Gottlieb Söhngen „Die
Theologie Im Streit der Fakultäten" im „Hochland" Jg. 1952,
Heft 3.

Auf evangelischer Seite ist aber noch ein neuer Aspekt hinzugetreten
; der Aspekt der Kirchlichkeit der Theologie.
Der Kampf um den Platz unter den Fakultäten ist hier zugleich
gekoppelt mit dem Kampf um den Platz der Theologie
in der Kirche, in der Gemeinde.

Will die Theologie ihren Gegenstand nicht verlieren und
also aufhören, Wissenschaft zu sein, dann muß sie vor allem anderen
kirc bliche Wissenschaft sein. Sie muß auf dem Boden der
Kirche, im Blick auf die Gemeinde Theologie sein, ja sie ist
eine Funktion der Kirche selbst. Ihr gegenüber ist sie weder
autonom noch autark. Sie hat keine Eigenständigkeit gegenüber
der Kirche, sondern sie ist ein Dienst innerhalb der Gemeinde
und nur so auch die Rechenschaft, die sie der Welt
schuldet. Als solche nur hat sie das Recht auf ihren eigenen Platz
unter den Fakultäten.

Jedoch handelt es sich insoweit nur um die Rückkehr zu
einer Einsicht, von welcher man sich auf katholischer Seite
grundsätzlich und faktisch niemals hat entfernen können und
dürfen.

Soll nun aber diese Rückkehr etwas anderes als innere
oder auch äußere Rekatholisierung des Protestantismus bedeuten
, so muß das spezifisch evangelisch-reformatorische Verhältnis
der Theologie zur Gemeinde, muß also jene „Kirchlichkeit
" näher bestimmt und von der katholischen Konzeption
hinreichend unterschieden werden. Eben das tut Hermann
Diem. Die Kirchlichkeit besteht nicht darin, daß die jeweilige
Kirchenleitung die Theologie „normt". Eine vorfindhehe Kirche
ist als solche in keiner Weise die normative Instanz für Probleme
und Ergebnisse der theologischen Wissenschaft. Das ist
sie auch nicht in der Gestalt eines zu diesem Zweck geschaffenen
Amtes. Eine solche „Theologie" unter der Regie eines
kirchlichen Lehramtes, das seinerseits das Ergebnis immer
schon vorweggenommen haben muß, um normativ zusein, wäre
keine kirchliche Wissenschaft; denn die Vorwegnahme des
Ergebnisses schließt jede echte Wissenschaft aus. Sie wäre aber
auch nicht kirchlich ; denn die direkte Absolut- und Gleichsetzung
einer vorhandenen Kirche und ihrer Instanzen mit der

') Diem, Hermann: Theologie als kirchliche Wissenschaft. Handreichung
zur Einübung Ihrer Probleme. München: Chr. Kaiser 1951. 280 S.
gr. 8°. DM 13.— ; HIw. DM 14.80.

Kirche, die wir glauben, schließt die Geburt und das Leben von
Gemeinde unter dem verkündigten Wort aus. Eine klerikal domestizierte
Theologie ist faktische Verleugnung des Kirchenregimentes
Christi durch die Uberführung dieses Regiments in
die Hand „stellvertretender" Instanzen. Es ist dabei gleichgültig
, ob diese Instanz das „kirchliche Lehramt" oder ob sie
ein bestimmtes, absolut gesetztes Bekenntnis ist. In beiden
Fällen wird das Gegenüber der Kirche zu Christus aufgehoben,
indem die Kirche das ihr von Christus geschenkte und ihm
allein gehörende Leben nunmehr selbst in die Hand nimmt. Der
Theologie insbesondere aber wird so die ihr wesenseigene Funktion
der kritischen Konfrontation eines jeweiligen Lebens, Denkens
und Handelns der Kirche mit ihrem Herrn und der faktischen
Autorität der ihn bezeugenden Schrift genommen. Die
Theologie ist dann durch die Kirche inhaftiert und der ihr zukommenden
Freiheit und Ehre wie auch der von ihr zu bringenden
Frucht beraubt.

Dies alles macht Diem einleitend sehr eindrucksvoll deutlich
. Wenn Diem dennoch an der „Kirchlichkeit" der Theologie
als Wissenschaft festhält, so ist das nun positiv wie folgt gemeint
: Theologie ist die Betätigung des dem Glauben innewohnenden
, mit diesem zugleich ins Leben gerufenen kritischen
Verstehens. Indem in der Predigt Gemeinde geboren wird und
lebt, wird zugleich in und mit diesem einen und selben Akt auch
jenes Erkennen und Verstehen geboren, welches auch verstehend
umfaßt, was der Glaube glaubt. Ohne solche Betätigung
dieses Verstehens in der Theologie ist Glaube nicht Glaube,
Gemeinde nicht Gemeinde, Predigt nicht Predigt, Zeugnis nicht
Zeugnis von Jesus Christus. Zweifellos ist solches Verstehen
nur eine Seite dieser Neuschöpfung aus dem Wort Gottes. Aber
diese eine Seite gehört ursprunghaft integrierend mit dazu.
Wird in der Gemeinde Theologie getrieben, so ist das nicht eine
Tätigkeit, die man zwar tun, die man aber auch lassen kann,
sondern sie ist der Vollzug einer wesensnotwendigen Lebensäußerung
des Glaubens der Gemeinde. Ist Theologie nicht dieser
Vollzug, dann handelt es sich nicht um echte Theologie. Und
ist in der Kirche dieser Vollzug nicht wesensnotwendig, dann
ist in ihr der Glaube erstorben. Insofern muß alle Theologie
kirchliche Wissenschaft sein, als sie ihr Woher und ihr Wozu
nirgends sonst hat als in der Permanenz der Geburt und des
Lebens der Gemeinde aus dem verkündigten Wort.

Dem entspricht genau die Eigentümlichkeit und die Entstehung
der vorliegenden Enzyklopädie von Hermann Diem.
Sie ist nichts weiter als der Rechenschaftsbericht des Gemeindepfarrers
, für den sich alle theologische Bemühung rein aus dem
ergeben hat, was in seinem Alltag auf ihn zukam. So lesen wir
ausdrücklich im Nachwort (S. 280): Die Suche nach der Antwort
auf die Fragen: was soll ich morgen meiner Gemeinde sagen ?
was soll ich in ihr, mit ihr tun ? Wie soll ich ihr recht predigen
und sie recht lehren ? macht die Kirchlichkeit dieser Enzyklopädie
aus.

Sie gibt dem Ganzen die Geschlossenheit. Sie hateinenum-