Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 5

Spalte:

272-273

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Glasenapp, Helmuth von

Titel/Untertitel:

Die fünf grossen Religionen 1953

Rezensent:

Mensching, Gustav

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

271

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 5

272

ken. Die möglichen Bedenken können insofern zurückgestellt
werden, als das Buch weniger Untersuchung als Darstellung ist,
und dabei auf soliden geschichtswissenschaftlichen Fundamenten
ruht.

Zur Sache wäre zu sagen, daß M. — im Gegensatz zur 1. Auflage
seines Werkes — die Einteilung der Religionsgeschichte nach Rassenkreisen
zugunsten einer solchen nach Völkern hat fallen lassen, wozu
freilich bemerkt werden muß, daß 1. das Problem „Religion und Rasse"
doch nicht ganz belanglos ist, und daß 2. auch die Völker keine wesentlich
bessere Grundlage zu bieten scheinen, da sie ja historische Zufallsprodukte
sind. Geht es nicht im Grunde immer wieder um Kulturen
als Religionsböden (die weder mit Rasse noch mit Volkstum
identisch sind)? Die Anhänglichkeit an die völkische Bindung der Religionen
ist ein Erbe der Romantik, über dessen Wert und Pflegebedürftigkeit
man geteilter Meinung sein kann. Was ist überhaupt Volk?
Wir stehen hier an einer Prinzipien- und Methodenfrage in Bezug auf
die Einteilung der Religionsgeschichte, die theoretisch nicht bedeutungslos
ist. Vom Standpunkte moderner Geschichtswissenschaft aus
dürfte sich das Prinzip jedenfalls nur schwer rechtfertigen lassen. Es
versagt z. B. bei der Anwendung auf die Verhältnisse des alten Vorderen
Orients, aber etwa auch auf die der Antike. (Übrigens vermißt
man unter der Literatur C. M. Schröders interessantes Buch über „Rasse
und Religion".)

Im einzelnen wäre vieles zu bemerken. Auch Wünsche sind anzumelden
. Unter den dargestellten Religionen sind die der sog. „Primitiven"
z. B. fraglos zu stiefmütterlich hehandelt. Die Kennzeichnung des Tote-
mismus als „Glaube an tierische Ahnen bestimmter Menschengruppen"
(S. 19) gibt — selbst bei Berücksiditigung der außerordentlich komplizierten
Problemlage — den gesicherten Stand der Forschung nicht halbwegs
adäquat wieder und vereinfacht zu sehr. Eine immanente Gefahr
der typologischen Methode! Die Einbeziehung des Jainismus in die
..Universalreligioncn" (S. 157 ff.) halte ich für unbegründet. Vollständig
fehlen die höheren Religionen des präkolumbianischen Zentral- und
Südamerika, die gerade interessante, wenn auch schwer darzustellende
und zu beurteilende Beispiele für die werdende Kulturgestalt der Religion
sind. Die Literatur, obwohl vermehrt gegenüber der 1. Auflage,
würde man sich stellenweise etwas reichlicher angegeben wünschen.

Abgesehen von derartigen Desideraten, die man je nach den
spezifischen Interessen hier oder dort verlauten lassen oder auch
nicht empfinden wird, kann man die Neuauflage des Mensching-
schen Buches nur bejahen, schon als den mutigen und sachlich
gerechtfertigten Versuch, eine Gesamtschau der Religionsgeschichte
aus einem Guß zu bieten, der nicht im Schmelzofen der
Theologie vorbereitet worden ist. Man wird mit dem Verf. nicht
immer konform gehen in der Verteilung der phänomenologischen
und typologischen Akzente innerhalb der einzelnen Religionen,
und der Fachmann und Einzelforscher wird hier und da Mängel
mehr oder weniger beanstanden. Aber es ist ein Verdienst, heute
eine solche Darstellung zu wagen, die ein Gegengewicht gegen
jene Atomisierung der Religionscesdiidite bildet, die sich immer
wieder empfehlen möchte, und die dann schließlich die oft merkwürdigen
Mosaikcemälde religionsgcschichtlicher Handbücher
liefert, deren vielfach schätzenswerte Einzelbeiträce dem Ganzen
nicht den abstrakten Charakter eines unlesbaren Nachschlagewerkes
nehmen können. Insofern befindet sich M. hier m. E. auf
einer fruchtbareren Linie als mit dem von ihm begonnenen Versuch
eines „Handbuches der Religionswissenschaft" mit Beiträgen
vieler Verfasser. Die Handbücher, deren wir gerade genug haben,
werden die religionsgeschichtliche Einzelforschung und Monographie
ohnehin nicht ersetzen können. Aber sie lassen das vermissen
, was Mensching zu geben weiß, selbst in einem so knappen
Leitfaden wie dem vorliegenden: ein klares Konzept des
Ganzen, das durch Zustimmung oder Widerspruch den Leser fördern
wird.

Marburg/Lahn Kurt Ooldammer

Baetke. Walter: Christliches Lcfingut in der Sagareligion. Das
Svoldr-Problem. Zwei Beiträge zur Sagakritik. Berlin: Akademie-
Verl. 1951. 135 S. 8° =» Berichte über d. Verhandl. d. Sächs. Akademie
d. Wiss. zu Leipzig, Phil.-bist. Klasse, Bd. 98, H. 6. DM 5.50.

Die erste dieser beiden Abhandlungen führt, wenn ihre These
sich durchsetzt, geradezu eine Revolution in der Auffassung
von der Religion der vorchristlichen Germanen herbei. Die neueren
Schilderungen gerade des Glaubens, also der eigentlichen
Religiosität der Germanen, stützten sich sehr wesentlich auf die
isländischen Sagas, denn diese erlaubten, den Germanen „ins

Herz zu sehen". Einige kritische Stimmen des Nordens, die ihren
Quellenwert schon früher bestritten haben, hatten sich nicht
durchgesetzt. W. Baetke nimmt nun diese kritische Arbeit auf
und setzt sie fort. Er kommt dabei zu der These, daß fast alle
Verfasser der Sagas christliche Geistliche waren oder doch geistliche
Bildung genossen hatten, daß sie die heidnische Religion
ihrer Vorfahren also im Lichte der katholischen Theologie gesehen
haben. Der Sinn ihrer Arbeiten war nach Baetke dementsprechend
, „die Vorzüge und die alles überwindende Macht
des christlichen Glaubens vor Augen zu führen", wo immer sie
auf die heidnische Religion zu sprechen kamen. Voraussetzung
für diese kritische Abwertung der Sagas als religionsgcschichtlicher
Quelle ist, daß Heuslers Theorie von der frühen Konzeption
der Geschlechtersagas und ihrer wesentlich unveränderten
mündlichen Tradierung durch Geschlechter hindurch sich nicht
halten läßt. Selbst die Geschlechtersagas müssen von daher als
unzuverlässig gelten. Im Einzelnen weist B. an den Lebensbezirken
Weihen und Segnen, Gebet und Opfer, Kult und Magie,
Schuld und Strafe, Schicksal und Glück das christliche Lchngut in
den Sagas nach. Dabei wird eine reiche nordische Literatur verarbeitet
und so zu unserer Kenntnis gebracht. Positiv glaubt B.
die Skaldendichtung als die primäre religionsgeschichtliche Quelle
für die Nordgermanen ansehen zu müssen.

Es ist zu erwarten, daß die tiefeingreifende These Baet-
kes eine lebhafte Diskussion hervorrufen wird. Wenn auch nicht
alle Einzelheiten seiner Ausführungen den Berichterstatter überzeugt
haben, so erscheint die Grundthese ihm doch als so wohlbegründet
, daß er urteilen muß: niemand, der sich künftighin
zur Frage der Germanen-Religion äußert, darf an Baetkes Aufsatz
vorbeigehen.

Auch die zweite Abhandlung ist quellenkritischer Art; sie
untersucht kritisch die Quellen über die Seeschlacht von Svoldr
i. J. 1000, in der der Norwegerkönig Olaf Tryggvason fiel. Dabei
geht B. nicht nur der Ortsfrage nach, sondern den geschichtlichen
Ereignissen insgesamt, die zu der Schlacht führten. Er bietet auch
damit einen bedeutsamen Beitrag, aber mehr zur politischen als
zur Kirchengcschichte der nordischen Länder um das Jahr 1000.

Hamburg Kurt Dietrich Schmidt

Glasenapp, Hclmuth von: Die fünf großen Religionen. 2 Bde. Düsseldorf
, Köln: Eugen Dicderichs Verl. [1951]. XX, 560 S. 8°. Lw.
je Bd. DM 12. 50.

Mit dem vorliegenden zweibändigen Werke hat der bekannte
Indologe H. v. Glasenapp zum ersten Male in einer Veröffentlichung
sein eigenstes Forschungsgebiet überschritten und
sowohl außerindische Religionen (den chinesischen Universisnris,
das Christentum und den Islam) geschichtlich dargestellt als auch
einen Beitrag zur Vergleichenden Religionswissenschaft geliefert,
indem er in einem dritten Hauptteil die fünf in den ersten beiden
Teilen (I. „Religionen des ewigen Weltgesetzes": Brahma-
nismus u. Hinduismus, Buddhismus, Universismus; II. „Religionen
der geschichtlichen Gottesoffenbarung": Christentum, Islam)
dargestellten Religionen auf Verwandtschaften und Unterschiede
hin vergleicht. In einem zweiten Abschnitt dieses dritten Teiles
wird überraschenderweise die Frage nach dem Wahrheitsgehalt
der Religion behandelt.

Die rcligionsgcschichtlichen Abschnitte dieses gemeinverständlich
ecschricbcncn Buches bieten eine zuverlässige auf gründlicher Qucllcn-
kenntnis beruhende, völlig objektive Darstellung der geschichtlichen
Differenzierungen der Religionen und ihres dogmatisch fixierten Selbst-
verständnisses, aus der der Fachmann vieles lernen kann und die durdi
ihre erhellende Klarheit geeignet ist, den der verwirrenden Tülle religiöser
Vorstclluneen in der Rcligionsgeschichtc verständnislos gegenüberstehenden
„Laien" zum Verständnis zu helfen.

Den Vergleichende Religionswissenschaft vertretenden Referenten
interessierte natürlich besonders der dritte vergleichende Hauptteil
(S. 439—520); denn an sachgemäßer, objektiver Verglcichung der großen
Religionen fehlt es immer noch. Hier werden nun zunächst auf
Grund eines Überblicks über die fünf Religionen in Raum und Zeit einige
interessante allgemeine Feststellungen getroffen: G. meint, daß aus
der bisherigen Geschichte dieser fünf Religionen nicht abzuleiten sei,
daß einer von ihnen der Sieg über die anderen zufallen werde. Weiter
stellt der Verf. fest, daß wie Asien die Ursprungsstättc aller großen
Religionen sei, so seien die im höchsten Sinne religiös schöpferischen
Völker: Inder, Chinesen und Juden, von denen die letzteren außer der