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Ausgabe:

1953 Nr. 4

Spalte:

229-230

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Fox, George

Titel/Untertitel:

The journal of George Fox 1953

Rezensent:

Roth, Erich

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Seite 1

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229

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 4

230

Pastoralbricfc, die zum allermindcsten aus der Schule Polykarps
stammen müßten. „Und vielleicht ist auch in diesem Fall die einfachste
Lösung wie so oft nicht bloß einfach, sondern auch richtig."

Es ist nicht zu leugnen, daß v. C. seine These mit großem
Geschick und allseitig verteidigt hat. Und auch das ist zweifellos,
daß er auf sehr wichtige und oft übersehene Tatbestände verwiesen
hat, wenn er die Zusammengehörigkeit von Pastoralbriefen
und Polykarp im Amtsverständnis gegenüber Ignatius und in der
Paulusnachfolge gegenüber der gesamten zeitgenössischen Literatur
betont. Und auch die Tatsache scheint mir durch die Untersuchung
des Sprachgebrauchs erwiesen, daß eine literarische Abhängigkeit
des Polykarp von den Pastoralbriefen äußerst unwahrscheinlich
ist, daß vielmehr beide Texte in den gleichen
literarischen Umkreis gehören. An andern Punkten erheben sich
freilich gegen die Beweisführung erhebliche Bedenken. Was die
Pastoralbricfc anbetrifft, so scheint mir zweierlei unbewiesen:
daß die Pastoralbricfc ,,in der Asia entstanden sein müsse n",
ist aufgrund von l.Tim. 1,3 und der literarischen Regsamkeit
des christlichen Kleinasiens nicht sicher zu behaupten; und daß
die Pastoralbricfc als Antwort gegen Markion verfaßt seien, ergibt
sich weder daraus, daß Markion sie nicht benutzt hat, sie
also nach seinem Auftreten entstanden seien, noch daraus, daß
1 • Tim. 6, 20 f. vor den „Widersprüchen der fälschlich so genannten
Gnosis" warnt; die in den Pastoralbriefen vorausgesetzten
Zustände sind Anfang des 2. Jahrhunderts ebenso gut denkbar
wie 40 Jahre später (wir kennen ja die provinziale Entwicklung
im einzelnen garnicht). Was den Vergleich von Pastoralbric-
fen und Polykarpbrief anberifft, so scheint mir der Nachweis
durchaus nicht geglückt, daß Inhalt und Aufbau hier und dort
gleich seien, schon darum nicht, weil die drei Pastoralbriefe sich
im Aufbau völlig voneinander unterscheiden. Was Polykarp anbetrifft
, so ist auch bei ihm durchaus unbewiesen, daß er gegen
Markion polemisiert (das Schimpfwort „Erstgeborener des Satans '
Polyk 7, 1 kann durchaus auch auf einen andern Ketzer gehen,
und was an dieser Stelle als Meinung des bekämpften Ketzers
penannt wird, paßt durchaus nicht zu Markion). Daß die Pastoralbricfc
und der Polykarpbrief In dieselbe Gegend und Zeit gehörten
und beide gegen Markion polemisierten, ist daher schwerlich
bewiesen. Das Problem, das durch die literarische Differenz
der beiden Texte gestellt ist. empfindet v. C. ja selber. So scheint
mir v. C. zwar bewiesen zu haben, daß Polykarp und die Pastoralbricfc
in die gleiche geschichtliche Umgebung gehören; die Abfassung
der Pastoralbriefe durch Polykarp ist dagegen nicht mehr
als eine diskutierbare Möglichkeit.

Marburg/Lahn Werner Oeorg Kümmel

KUiCllENGESCHlCIlTE: NEUZEIT

Nickalls, J. L.: The Journal of George Fox. A Revised Edition
with an Epiloguc by H. J. Cadbury and an Introduction by G. F. Nuttall
. London: Cambridge Univ. Press 1952. XLVIII, 789 S. kl. 8°.
s 21.—.

Der Titel dieser Textausgabe ist etwas irreführend, denn es
handelt sich weniger um Tagebuchaufzeichnungen, als um eine
aus der Erinnerung diktierte Autobiographic des großen Quäkers
George Fox, die aus verschiedenen Quellen vervollständigt
worden ist. Die Ausgabe ist weder die erste ihrer Art, noch in
wissenschaftlicher Beziehung die beste; dafür hat sie andere Vorzüge
.

Es gibt zwei wissenschaftliche Publikationen dieser Stoffe,
die ebenfalls im obigen Verlag erschienen und jeweils von T. E.
Harvcy eingeleitet und von N. Penney mit den nötigen Anmerkungen
verschen worden sind. Die erste, welche 1911 in zwei
Bänden unter dem Titel The Journal of George Fox herauskam,
enthält verbatim und literatim das sog. Spence-Mscr., welches
hauptsächlich aus der Autobiographic besteht, die Fox 1675
seinem Sticfsdiwicgcrsohn Thomas Lower diktiert hat, daneben
finden sich jedoch auch Briefe und allerlei Nachrichten zur Frühgeschichte
des Quäkcrtums. Die zweite ist das 192 5 erschienene
sog. Short Journal, welches eine Handschrift wörtlich und buchstäblich
abdruckt, die Fox im Gefängnis zu Lancastcr 1664 angefertigt
hat. Sie schildert im wesentlichen die Leiden, die Fox
während seiner Predigttätigkeit zugefügt wurden und hat gegenüber
dem Spence-Mscr. den Vorzug, den Ereignissen zehn Jahre
näher zu sein. Diese beiden Editionen des Materials von Fox
stehen für wissenschaftliche Arbeit nach wie vor an erster Stelle.

Nun hat im 17. Jhh. Thomas Ellwood im Auftrag eines
Komitees der Society of Friends in London eine Ausgabe von
Leben und Werken des Quäkervaters zusammengestellt, die 1694
zum ersten Mal erschien und seither nahezu unverändert immer
wieder aufgelegt wurde, in Amerika bis 1892, in England bis
1902. Diese für ein breiteres Publikum bestimmte Textgestaltung
zu verbessern, ist die Aufgabe, für die das Library Com-
mittee der Society of Friends in London in J. L. Nickalls den
rechten Bearbeiter gefunden hat. Er hat dabei Entwürfe zu einer
Neuausgabe verwerten können, die Norman Penney vorbereitet
hatte.

Das Material der so revidierten Ausgabe setzt sich aus fünf
Textquellen zusammen: aus den oben erwähnten beiden Editionen
des „Journals", aus Zugaben, die sich bei Ellwood finden,
sowie aus den von Ellwood nicht verwerteten American Diaries
(Fox war 1671 und 1673 in Amerika) und Briefen von Fox an
seine Ehefrau. Zur größeren Vollständigkeit treten die Vorzüge
einer weniger freien Handhabung der Texte, als Ellwood sie sich
erlaubte. Modernisiert wurde die Interpunktion und Orthographie
, stilistisch sind jedoch auch veraltete Formen beibehalten
worden, um zu zeigen, wie Fox gesprochen hat. Eine Reihe weiterer
Zugaben erhöhen die Gefälligkeit der Ausgabe: die Anmerkungen
bieten knappe Erläuterungen bei unbekannten Personen
und Örtlichkeiten; ein Register ist dem Band beigegeben. G. F.
Nuttall hat ein Vorwort dazu geschrieben und H. J. Cadbury
schildert die letzten fünfzehn Lebensjahre von Fox, für welche
die autobiographischen Quellen versiegen. Erfreulich ist, daß auch
das schöne Vorwort, welches William Penn für die Erstausgabe von
1694 geschrieben hatte, in seinen Hauptteilen wieder mit aufgenommen
wurde. Es enthält eine ergreifende, in ihrer Vortrefflichkeit
noch immer nicht überbotene Charakteristik des Quäkervaters
und schließt mit Penns Epitaph für Fox: „Many sons have
done virtuously in this day, but dear George thou excellest them
all."

Oottinsjen Erich Roth

N e w m a n, John Henry, Kardinal: Apologia pro vita sua. Geschichte
meiner religiösen Überzeugungen. Übers, v. Maria Knoepfler. Mainz:
Matthias-Grünewald-Verl. [1951]. XVI. 372 S. m. 1 Abb. 8°=l.Bd.
d. Ausgewählten Werke v. John Henry Kardinal Newman. Hrsg. v.
M. Laros u. W.Becker. Hlw. DM 15.90; Lw. DM 16.90.

Newmans Apologia pro vita sua, being a history of my reli-
gious opinions, hervorgerufen durch Angriffe Ch. Kingsleys, erschien
erstmals 1865. Im selben Jahre wurde in Köln eine deutsche
Übersetzung dieses Buches herausgegeben, ohne weitere Beachtung
zu finden. Erst in den letzten Jahrzehnten ist vor allem
dank den Bemühungen von Otto Karrer u. a. das Newman-Interesse
und die Newman-Kenntnis in Deutschland gewachsen. Aus diesem
Bestreben ist auch die neue Ausgabe seiner Werke erwachsen, die
erklärlicherweise mit diesem Buch einsetzt.

Newmans innere Entwicklung bis zu seiner Konversion ist
mit der Zeitgeschichte vor 120 Jahren, der Restauration und Romantik
, aufs engste verbunden. Newman gesteht (S. 147), in
seiner Entscheidungszeit selbst keine Theologie gehabt zu haben.
Sein Kampf gegen den Liberalismus entfremdet ihn in zunehmendem
Maße seiner Heimatkirche und läßt ihn von dem in der
Oxfordbewegung so hoch geschätzten Altertum und der Katholi-
zität der Kirche aus den Weg zur römischen Auffassung nehmen.
Die Abneigung vor der „subjektiven" Frömmigkeit läßt ihn dieser
gegenüber oft ungerecht und feindlich werden (S. 142 u. ö.).

Schon die Zeitgenossen betonten, die Apologia pro vita sua,
die im Stile der Confessiones geschrieben ist, biete ein Bild von
den Kirchen, dessen Richtigkeit doch bezweifelt werden muß. Es
fehlt dem Buch auch die echte Unmittelbarkeit, es ist voller Reflexionen
und übt dadurch auf die Leser sehr verschiedene Wirkungen
aus.

Münster/Wcstf. R. Stupperlch