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Ausgabe:

1953 Nr. 4

Spalte:

223-224

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hilpisch, Stephan

Titel/Untertitel:

Das Benediktinertum im Wandel der Zeiten 1953

Rezensent:

Uttenweiler, Justinus

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223

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 4

224

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Dauber, Heinz: Die Geschichte der Christenheit in Gestalt einer
Zeittafel mit besonderer Berücksichtigung der Württ. Kirchengeschichte
. Stuttgart: Quell-Verlag 1950. 87 S. Quer-8°. kart.
DM 4. 50.

Jede Zeittafel will zunächst an dem gemessen werden, was
sie sich zum Ziel setzt. Die hier vorliegende ist für Schüler gedacht
und möchte aus Mangel an Lehrbüchern (die Kirchengeschichte
von Schuster ist inzwischen in zweiter Auflage erschienen
) mehr geben als die Daten, sie möchte die inneren Antriebe
und die typischen Ausprägungen des Christentums in Erscheinung
treten lassen.

Die Übersicht (am Schluß) zeigt den Aufbau des Ganzen: Der
Stoff ist in vierzehn Perioden (A—O) gegliedert, dadurch treten die so
einprägsamen vier Hauptteile gar nicht in die Erscheinung. Jede Periode
umfaßt drei Abschnitte (abgesehen von A: Urchristentum und H:
Luther), die die Haupttendenzen eines jeden Zeitalters vermitteln.
Weniger Wichtiges, aber vielleicht doch Wissenswertes, wird durch diese
Methode ausgeschaltet. Die drei Themen erscheinen in der Zeittafel
selbst nebeneinander entfaltet, so daß der Eindruck einer synchronistischen
Tabelle entstehen muß. Der Synchronismus ist aber nicht durchgeführt
, weil häufig noch innerhalb der drei Rubriken eine inhaltliche
Gliederung angewandt wird. So wird z. B. S. 25/26 bei der Behandlung
der spätmittelalterlichen Frömmigkeit die ganze Entwicklung des
Ablasses nachgeholt. — Die Dreiteilung jeder Periode ist zwar für das
Auge angenehm, hat aber doch ihre Schranken. Sie werden sichtbar,
wenn z. B. in J III das Schwärmertum und die Anfänge der Gegenreformation
in einer Rubrik behandelt werden und in F III die Scholastik
dem Papsttum eingegliedert wird. — Kurze Zeittafeln zur Württembergischen
Kirchengeschichte sind den Perioden angeschlossen,
schlicht nach Jahren geordnet und nicht in drei Rubriken untergeteilt.
Sie erhöhen die Brauchbarkeit des Buches für diesen Bereich. — Daß
die Tabelle bis zur Gegenwart durchgeführt wird, ist auf alle Fälle ein
Verdienst, wenn auch schon die kommende Generation anders auswählen
wird.

Die Formulierungen zu den einzelnen Daten sind im allgemeinen
schlicht und klar, es gelingt dem Verfasser weithin, in
Kürze Wesentliches auszusagen. Aber wäre es bei allem Willen
zur Vereinfachung nicht doch geraten, nicht gesicherte Zahlen
und Tatbestände als solche sichtbar zu machen? Es besteht sonst
die Gefahr, daß gerade sie sich einprägen und ein ungenaues Geschichtsbild
erzeugen. (Z. B. S. 3 zu 60—70: Synoptische Evangelien
und Apostelgeschichte in einem Ateml Oder: S. 4 Sp. 1
zu 64: Märtyrertod der Apostel Petrus und Paulus).

Leider haben sidi auch einige Fehler und LIngenauigkciten eingeschlichen
. Ich hebe nur einiges Wichtige heraus. S. 4 Sp. 2: Marcions
Kanon benutzt das Lukasevangelium, nicht das des Johannes. Der
Montanismus wird jetzt meist in die sechziger Jahre datiert. S. 7 C II
ist die Überschrift ..Reichskirche" falsch. S. 12 Sp. 3: Nicht die Franken
, sondern die Römer rufen Karl zum Augustus und Imperator aus.
S. 13 Sn. 2: Die Kämpfe zwischen Kaisertum und Papsttum haben andere
Wurzeln als die hier genannten. S. 75 Sp. 1 zu 1900 ist bei Har-
nacks Wesen des Christentums der wichtige Zusatz: ,,wie es Jesus verkündet
hat" weggefallen und die Bemerkung Mißverständnissen ausgesetzt
. Ich schließe mit dem Hinweis auf stilistische Mängel, die in einer
N^uauflnc»e vermieden werden können. S. 14 Sp. 3: Die isidorischen
Dekretalen ..erscheinen erstmals"! S. 21: Thomas hat nicht den Unterschied
von Vernunftwahrheit und geoffenbarter Wahrheit „eingeführt"!
Druckfehler: S. 86: Die byzanthinische (I) Reichskirche.

Jena H. Jursch

Hilpisch. Stephanus. Dr., O.S.B.: Das Benediktinertum im Wandel
der Zeiten. St. Ottilien: Eos Verlag der Erzabtei St. Ottilien 19 50.
XI, 203 S. 8° = Benediktinisches Geistesleben. Zeugnisse und Ab-
handl. aus dem Gebiet der Askese und Mystik. Hrsg. Dr. H. S. Brechter
. Bd. II. Hlw. DM 4. 50, Lw. DM 5. 40.

Drei Bändchen dieser Reihe erschienen bisher; ansprechend und gehaltvoll
orientieren sie über die religiöse und geschichtliche Geistigkeit
des ältesten Ordens im Abendland. Der bekannte belgische Benediktiner
G. M o r i n bot vor Jahrzehnten französisch nach Art hochstehender
geistlicher Übungen ein kleines Opus, das nun schon zum
zweiten Mal deutsch mit dem Titel: „Monitum und Urkirche" erscheint
, zuerst für katholische Akademiker und dann als Nr. 1 dieser
benediktinischen Schriftenreihe (157 S.).

Schon vor einiger Zeit bot P. Stephan-H i 1 p i s c h von Maria
Laach zwei weitere Bändchen, eigentliche Geschichte des Ordens, deren
3. sich als „Geschidite der Benediktinerinnen" betitelte (136 S.). Ein
Rcz. meinte: „Verf. verstehe es meisterhaft, auf schmälstem Raum den
Weg der Benediktincrinnen durch die Jahrhunderte vorzuführen und
dabei vor allem ihre Sendung einst und jetzt klar und eindringlich
herauszuheben." Man hätte wohl eingehender über solch eine Schrift
handeln können ....

Das gut 200 Ss. umfassende Buch des schon weithin bekannten
Laacher Mönches, dessen beachtliches Erstlingswerk „Geschichte
des benediktinischen Mönchtums, in ihren Grundzügen
dargestellt" ,ob jueundam memoriam originis Casinensis (529—
1929)' trotz mancher Mängel verdiente Anerkennung gefunden
hat, ist in Kürze nicht leicht zu würdigen. Wenn der Waschzettel
vom Verf. als „Altmeister benediktinischer Ordensgeschichtsschreibung
in Deutschland" spricht — sonst war seit dem Belgier
U. B e r 1 i e r e noch niemand mit diesem Ehrentitel verdient erhoben
worden — so kennt er einerseits die umfassende und gründliche
Forscherarbeit eines anderen Gelehrten von Maria Laach
(Dr. Paulus Volk über die einst berühmte sog. Bursfelder Kongr.
unweit Göttingen u. a.) nicht, und anderseits sieht er neben dem
wirklich gescheiten Inhalt des größeren Bandes von Hilpisch und
seines neueren Werkchens, dessen Ungenauigkeitcn und historische
Fehler nicht. — Das gefällige Bändchen entbehrt wissenschaftlicher
Aufmachung, ist aber voll der geistigen Anregung,
wirklich ein Schreiten von St. Benedikts Mönchsregel und Orden
durch mehr als 14 Jahrhunderte. Im I.Teil ist der hl. Patriarch
und die erste Ausbreitung seines bewährten Gesetzes bis ins
9. Jahrhundert, im 2. Abschnitt das Aufblühen der burgundischen
Abtei von Cluny und ihre weitgreifende Ausdehnung in alle Lande
bis ins päpstliche Bereich hinein geschildert; ein 3. Teil führt
vom hohen Mittelalter über mannigfache Kongregationsbildungen
und Reformen bis in die Tragik der Aufklärung und Säkularisation
, um schließlich das monastische Aufleben neuerer
und neuester Zeit im bewegten Auf und Ab geistiger Entwicklungen
aufzuzeigen. Damit sind die inneren Entfaltungen und
geistigen Entwicklungen eines Ordens, der durch Jahrhundertc
das Geistesleben der Kirche bestimmte, hernach aber auch tragische
Schwankungen durchmachte, um dann doch wieder hoffnungsvoll
aufzublühen, nur sporadisch angedeutet. Man muß
das gehaltvolle Büchlein aufmerksam lesen und seine mannigfachen
Entwicklungen religiöser und kultureller Aufstiege, denen
auch wieder Rückgänge folgten, auf sich wirken lassen, um einigermaßen
vom „Benediktinertum im Wandel der Zeiten" eine
Vorstellung zu gewinnen. Es steckt viel Arbeit und sehr viel
Wissen in dem gewinnenden Bändchen, das doch fast nur ein
Notbehelf sein will, bis der Verf. sein Erstlingswerk in gereifter
und vervollkommneter Gestalt nicht nur der Ordensiugcnd. sondern
der ganzen familia benedictina und den Gebildeten insgesamt
vorleben kann.

Die Probleme, welche s-'ch seit Jahren mit der Frühgeschichte St.
Benedikts und seiner Re^el. der soc. Regula Mneistri und dem Insel-
Mneter I er<n in S'i^frnnkre'ch. verknüpfen, bleiben dem erwarteten
H-nmfwerk H s vr>'b»hnltcn. Auch die iiinost sehr umstrittenen Fragen,
oh Cassino oder Fleurv den Leib St Benedikts und seiner heiligen
<Mtw*t*r aufbewahrt, harren endgültiger Spezialuntersuchungen. Schon
| M-n'"on miinte sich um die Klärunc — Daß bei diesen vielen Namen
und Z-iHen auch Versehen nicht ausbleiben, ist verständlich. Nur dürfte
der bekannte italienische Ahnte Luici Tosti. der mehrfach in letzten
Jahren mit falschen Daten und Anerben, selbst durch Benediktiner, beigster
wurde, historisch korrekt eeführt werden. Tosti ist geb. am
n.Febr. Uli in Neapel, trat sehr früh in Monte Cassino ein, schrieb
eine Anzahl bed-„tcnder Werke, wurde 1 8 58 Titularabt, waltete einige
MtWiW« als Unrernrchivar am Vatik. Archiv, war nie regierender
Ahnis Or-Hnorn,«! Ve,n M. Cassino: gest. am 24. Sept. 1897. — Bcuron
w-r Viis XOt Säkularisation Cbnrn^rrenstift der Aueusriner; der Ausdn-ck
Kloster" sollte für solch- Or^ensstiftnncen vermieden werden. Der
verdiente T iternrhistoriker O S B. Professe von Zwiefalten etc.. hieß
MKrnnMd Zi*<"lkmf. nicht Mnrnnnrdt (gest. 1750). Der treffliche
Forscher »no" BibHotnekar von St. Blasien zur Zeit des großen Abtes
Martin Gerhert hieß nicht Carl, sondern Amilian Ussermann (gest.
179«V — Als Abt auf der Reichenau tdänzte im ll.Jahrh. der bedeutende
T itunriVer B e r n o . dessen 900. Todesiahr vor einiger Zeit
0ri4«1 festlich hee-ineen wurd» (nicht 1084V Andere Irrtümer begegnen
bei genauem Zusehen in dem sonst beachtlichen kleinen Buch.
Beuren Justlnus U ttcnweilcr