Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 4

Spalte:

216-218

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Aus Antike und Orient 1953

Rezensent:

Kießling, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

215

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 4

216

nicht beschatteten „doxa" des heiligen Gottes heraus. In der
alten kirchlichen Weisheit, daß die vier die Zahl des Menschen,
die drei die Zahl Gottes ist, liegt eine Erkenntnis, die bei Jung
von seinen Voraussetzungen aus nicht zur Geltung kommt. Wir
stehen hier freilich in den letzten weltanschaulichen Entscheidungen
. Aber Empirismus und Realismus fordern eine Würdigung
und Einbeziehung dieser anderen Seite der Wirklichkeit.

Und das kommt zum deutlichsten Ausdruck im Kirchen-
Problem. Hier muß schon gesagt werden, daß Jung von seinem
empirischen Standort aus ein wesentliches Stück der Empirie nicht
sieht. Es entspricht einfach nicht dem Tatbestand, daß Kirche
nur als Schutz, als Sicherung gegen unmittelbare Erfahrung da
sei. Diese Möglichkeit ist der Mißbrauch. Die echte Kirche führt
mit Hilfe der Gotteserkenntnis (eben durch die Offenbarung)
gerade zu all dem hin, was Jung nur außerhalb ihrer sucht: der

unmittelbaren Erfahrung des Urgrundes, sogar in ihrer Furchtbarkeit
und in ihrem Doppelsinn, dem Ansporn des Gewissens,
dem echten „Verdauen" der Sünden — und dann zu einer fruchtbaren
Beichte, zu einer Gewißheit, die nicht usurpierende Projektion
, nicht Sicherung, sondern reale Tragkraft und Gestaltungskraft
sein kann und bei echter Kirchlichkeit ist, ebenso zu
einer echten Möglichkeit, die Schwelle des Unbewußten zu überschreiten
, und zu einem gesunden und realistischen Leben i n der
Kirche. Diese ist auch im Protestantismus nicht Befreiung von
unechten Bindungen zu einem isolierten Subjektivismus hin,
sondern Eingang in die tiefste und echteste Gemeinschaft, Selbstrealisierung
und Seinserfahrung — „in der Erkenntnis Gottes".

Aber eben innerhalb dieser „Kirche" und dieser „Wahrheit
" kann und soll das große Lebenswerk Jungs mit voller
Dankbarkeit aufgenommen und unverkürzt realisiert werden.

ALLGEMEINES

Jalabert, Louis, et Rene Moutcrde, S. J.: Inscriptions Grecques
et Latines de la Syrie. Tome Troisieme. Premiere Partie. Region de
l'Amanus. Antioche. Nos 699—988. Paris: Geuthner 1950. S. 385—528.
4° = Bibliotheque Archeologique et Historique, Tome XLVI.

Das 1929 begonnene Werk der beiden Professoren an der
St. Joseph-Universität in Berut, von denen der erste, Louis
Jalabert, am 12. August 1943 durch den Tod aus seiner Arbeit
abberufen worden ist, will die in Syrien aufgefundenen
griechischen und lateinischen Inschriften sammeln, wobei die —
bald nach der islamischen Eroberung des Landes ohnedies abbrechenden
— griechischen Inschriften vollständig berücksichtigt
werden, während für die lateinischen der Beginn des Mittelalters
als untere Grenze gesetzt ist. Nachdem der erste Band
des Werkes die Inschriften der Landschaften Commagene und
Cyrrcstica (Nos 1—256) und der 1939 veröffentlichte die der
Chalcid'ica und der Antiochena (Nos 257—698) gebucht hatten,
legt der 1950 erschienene erste Teil (Nos 699—988) des dritten
Bandes die Inschriften aus der Amanus-Gegend und aus Antiochien
vor, indem er, hier und da unter Beigabe einer Abbildung
, die Inschriftenträger beschreibt, die für sie in Betracht
kommende Literatur anführt, die Inschrift in ihrem Wortlaut
mitteilt und sie gründlich kommentiert. Dabei wird den zahlreichen
kleinen Grabinschriften dieselbe Sorgfalt zugewandt wie
den großen und wichtigen Inschriften von der Art der 1934 in
Syria 15, S. 33-74, Taf. IX-X von P. R o u s s e 1 veröffentlichten
und seitdem viel behandelten Inschrift von Rhosos (No. 718
= S. 395-411).

Wie es sich bei der bunten Mannigfaltigkeit der Lebensäußerungen
, die sich in den hier vorgeführten, ein Jahrtausend
umspannenden Inschriften niedergeschlagen haben, von selbst
versteht, sind eine ganze Reihe von Wissenschaften an ihnen
interessiert; außer den Gräcisten und Latinisten sind es besonders
die Profanhistoriker, die Kunsthistoriker, die Religionshistoriker
und die Theologen, die in ihnen reiche Ausbeute finden werden.
Dem Profanhistoriker liefert nicht nur die schon genannte Inschrift
von Rhosos wichtiges neues Material, sondern etwa auch
die Grabinschrift No. 837 aus Antiochien, die über die Verwendung
eines Tribunen der legio Xä Fretensis erwünschte Auskunft
gibt. Dem Kunsthistoriker helfen die Beschriftungen von Mosaikdarstellungen
(No. 799 aus Antiochien: Scene aus der Ilias;
No. 709 aus Myriandros: Darstellung der Weltteile mit Winden
und Himmelsrichtungen) die Bilder verstehen. Dem Religionshistoriker
sind die auf zwei Altären aus Alexandrette stehenden
Inschriften, die Dionysos und Demeter, Poseidon und Aphrodite
nennen und ihnen charakteristische Epitheta beigeben, wichtig,
um so mehr, als sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit datieren
lassen, nämlich auf die Zeit nach der glücklich verlaufenen Seefahrt
des Octavius aus dem Orient nach Rom, 19/l8v. Chr.
Religionshistorisch wichtig sind auch manche der in den Inschriften
vorkommenden Personennamen, etwa der in einer Grabinschrift
aus Antiochien (No. 944) enthaltene Kaooi6du>QO<;, dessen
erster Bestandteil Ä'aaöto-sich wohl, wie S. 514 vermutet wird,
in der Tat auf Zevg Kdatog beziehen wird. Für den Theologen

sind außer den mannigfachen christlichen Grabinschriften besonders
die auf den Bau von Kirchen bezüglichen Inschriften von Bedeutung
, darunter No. 774 aus Antiochien, die den Bau einer
„Exedra" nach dem aus literarischen Quellen bekannten Antio-
chenischen Bischof Flavianus (381—404; vgl. Fr. Loofs, PRE Vf,
1899, S. 93—95) datiert, oder No. 832 ebenfalls aus Antiochien,
die sich auf die bei Malalas, Chronogr., 326 — M i g n e, PG
XCVII, col. 487 erwähnte Weihung der oktogonen Basilika durch
Kaiser Konstantius (337-350) bezieht und jener literarischen
Nachricht Leben und Farbe verleiht.

So wird das vorliegende Buch viele dankbare Leser finden,
die der am Schluß der Vorbemerkung (S. 386) ausgesprochenen
Hoffnung, daß das Werk trotz des Todes von R. P. Jalabert
bald vollendet werden möchte, von Herzen Erfüllung wünschen.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

[Schubart - Festschrift]. Aus Antike und Orient. Festschrift Wilhelm
Schubart zum 75. Geburtstag. Hrsg. v. Siegfried M o r e n z. Leipzig
: Harrassowitz 1950. 165 S. gr. 8". Hlw. DM 14.—.

Die Festschrift, die dem bekannten Papyrusforscher Wilhelm
Schubart zum 75. Geburtstag (21. Okt. 1948) gewidmet ist, verdankt
ihre Entstehung seinem Leipziger Seminarkreis und bringt
uns wieder die erstaunliche Vielseitigkeit des Jubilars auf allen
Gebieten der Altertumswissenschaft so recht zum Bewußtsein.

Als langjähriger Leiter der Papyrussammlung der Staatlichen
Museen zu Berlin befaßte sich Wilhelm Schubart naturgemäß in
erster Linie mit der Entzifferung und Auswertung der Berliner
Papyrusschätzc, und seine mustergültigen Papyruseditionen mit
ihren zuverlässigen Lesungen und anregenden Kommentaren sind
grundlegend für unsere Forschung geworden. Gerade im Lesen von
Papyrusoriginalen ist Wilhelm Schubart ein unerreichter Meister,
und er hat gar manchen mit rührender Geduld und unermüdlicher
Hilfsbereitschaft in die Geheimnisse dieser schwierigen Kunst
einzuweihen gewußt.

Außer der Papyruskunde gehörten aber bereits in Berlin,
dann aber auch in Leipzig, wo Schubart nach dem Zusammenbruch
als Professor für Geschichte des Altertums wirkte, zahlreiche Gebiete
der gesamten Altertumswissenschaft zu dem Arbeitsgebiet
des Gelehrten. Die Bibliographie seiner Werke, die von seinem
verstorbenen Schüler H. Kortenbeutel zusammengestellt und von
I M.-C. von Krause weitergeführt mit über 300 Nummern die Festschrift
eröffnet, beschränkt sich keineswegs auf das an sich schon
weite Gebiet der Papyrusforschung, sondern enthält daneben eine
große Anzahl grundlegender Darstellungen aus dem Gebiet der
allgemeinen Geschichte, der Kultur-, Religions-, Verwaltungs- und
Rechtsgeschichte sowie der Sprachwissenschaft und mancher anderer
Disziplinen. Die Vielseitigkeit seiner Interessen spiegelt sich
auch in den Festbeiträgen seiner Freunde und Schüler wider,
welche aus verschiedenen Teildisziplinen der Altertumswissenschaft
genommen sind.

Sie beginnen mit einer Arbeit von A. Alt: Ein Dorfbezirk
im Hinterland von Damaskus. Es folgen dann Aufsätze von S i r
Harold Bell: A Happy Family; J.Friedrich: Assyria
grammata; J. L e i p o 1 d t: Von Übersetzungen und Übersetzern;
S. Morenz: Ägypten und die altorphische Kosmogonie; C. H.