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Ausgabe:

1953

Spalte:

179-180

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rosenkranz, Gerhard

Titel/Untertitel:

Weltmission und Weltende 1953

Rezensent:

Kruska, Harald

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scheinen des Buches von M. Warren, dem Generalsekretär der
Church Missionary Society, ein Zeidien, das Hoffnung weckt. Es
läßt, ohne jede Spur von optimistischer Schönfärberei, erkennen,
daß der Umbruch Möglichkeiten, ja, auch schon Ansätze zu einem
Neuen in sich trägt, die die Kirche zu höchster Verantwortung
rufen. Das ist es, was Warren zunächst als „Mission", d. h. als
Sendung der Kirche in der Welt, ganz allgemein bezeichnet. Was
die Welt von ihr erwartet, und wo sie es am dringendsten erwartet
, zeigt Warren in seinen beiden ersten Kapiteln, in der Gewißheit
, ,,that God is o n e, the Lord of all, and that the world is
intended by Him to reflect His unity" (S. 61). Aber damit begnügt
er sich nicht: „In the course of that consideration the
phrase ,the Christian Mission' has frequently occurred, its gene-
ral meaning being obvious. The time has now come for a more
prccise definition" (ebd.). Diese ihre eigentliche Bedeutung stellt
er zunächst u. a. dar, indem er das Wirken des Abbe Michonneau
unter den Fabrikarbeitern in Paris schildert, um sich dann
der Mission im eigentlichen Sinne, der Heidenmission, zuzuwenden
, deren Leistungen und Verfehlungen er mit gleicher
Objektivität darstellt. Das letzte Kapitel unter der Überschrift
„The hope of the Mission" schließt mit den Worten:
„As the Church recovers her lost unity: as the Christian groups
within the Church attain a new appreciation of their vocation to
a wholeness which can speak a relevant word of hope to the
group collectives of our day: as Christian individuals Jose them-
selves to find themselves again in other men': so the Christian
Mission demonstrates the healing power of God in a language
that the world can understand. In this Wholeness lies obedience.
In such obedience God's purpose for the world is set forth".

Tübingen O. Rosenkranz

Rosenkranz, Gerhard: Weltmission und Weltende. Gütersloh:
Bertelsmann 1951. 61 S. gr. 8° = Beiträge zur Missionswissenschaft
und evang. Religionskunde, hrsg, v. W. Freytag u. G. Rosenkranz
in Verb. m. H. Dürr, J. C. Hoekendijk u. B. Sundkler. H. 2. kart.
DM 5.-.

Die Schrift des Tübinger Missionswissenschaftlers ist die
zweite Veröffentlichung der von W. Freytag und ihm herausgegebenen
„Beiträge zur Missionswissenschaft und evangelischen
Religionskunde". Ihr liegen Vorträge auf Missionskonferenzen
im Jahre 1950 zugrunde, die für den Druck erweitert und mit
zahlreichen wertvollen Anmerkungen versehen worden sind. Die
Behandlung dieses Themas in einem größeren Zusammenhange
ist längst schon erfordert. Die evangelische Mission ringt ja in
der Gegenwart um eine Neubegründung gerade vom Eschatolo-
gischen her. Rosenkranz ist sich auch bewußt, daß „das Thema
.Weltmission und Weltende' nicht nur einen seiner wichtigsten
Abschnitte betrifft, sondern nach dem heute wiedergewonnenen
Verständnis der Heiligen Schrift durch die Reformatoren seine
Grundlegung" (S. 5). Er gliedert seine Ausführungen in einen
religionsgeschichtlichen, theologischen und missionsgeschichtlichcn
Teil. Im ersten Abschnitt „Endzeiterwartung als religionsgeschichtliche
Erscheinung" (11—17) wird ein knapper Überblick
über wichtigste außerchristliche Endzeitvorstellungen gegeben. Der
zweite Abschnitt „Eschatologie und Mission in theologischer
Schau" (17—27) will die christliche Mission auf ihr Verhältnis
zur Eschatologie prüfen. Mission und Eschatologie gehören danach
zusammen. Die eschatologische Botschaft der Bibel drängt zu
missionarischem Wirken. Gegenüber den nichtchristlichen Vorstellungen
vom Weltende mit ihrer Flucht in die Mystik oder die
Apokalyptik ist es für die christliche Eschatologie entscheidend,
daß sie „Bewährung im Gegenwärtigen mit dem Blick auf das
Zukünftige fordert; sie setzt den Menschenwillen in Tätigkeit
in der Unterwerfung unter den Gotteswillen" (18), unter den
Heilswillen, der in dem ,bis an der Welt Ende' seine universale
Ausweitung hat (19). Ebenso ist die Mission nicht nur Trägerin
einer eschatologischen Botschaft, sondern sie ist selbst „eschato-
logisches Zeichen" (27), ein „Faktor der Endzeit" (19). Eine
kurze Darstellung der Aussagen der Propheten, Jesu und der

Urchristenheit zeigt, daß „der prophetische Heilsunivcrsalismus
seine partikularistischen Fesseln nicht sprengt" (19) und Jesus
„auf dieser gebrochenen Linie des alttestamentlichen Heilsunivcrsalismus
stehen geblieben ist" (22). Allerdings liegt bei Jesus
,, eine Spannung vor zwischen seinen Worten über die Heiden
und seinem Verhalten zu ihnen" und „das eschatologische Ereignis
, das .Menschen vom Morgen und vom Abend, von Mitternacht
und vom Mittag' an den Tisch im Reich Gottes führen wird, war
für ihn von bedrängender Nähe". Aber „von einer Heidenmis-
sion, wie wir sie verstehen, finden wir bei ihm keine Spur"
(22 f.). Bis schließlich „die Verkündigung des Evangeliums .unter
alle Völker' in seinen Blickkreis tritt. Er inauguriert sie auch jetzt
noch nicht, aber ihr Zusammenhang mit der Endzeiterwartung
ordnet sich ihm neu . . . Die Heidenmission wird zum Zeichen des
Weltendes, nicht im apokalyptischen Sinn, sondern unter dem
Aspekt, daß das Gottesreich, die Verheißung der Endzeit, bereits
angebrochen ist". Und „dieses Ineinander von Eschatologie ur,d
Universalismus offenbart sich dem Glauben an den Auferstandenen
mit solche§iJflarhcit und Stärke, daß seine Verwirklichung
nun nicht länger aufschiebbar ist" (24 f.). „Mission ist die Beurkundung
des kommenden Herrn und damit des kommenden EmL;s
vor der Welt, ohne daß durch sie ,Zeit oder Stunde' zu erfahren
wäre, .welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat'" (26).
Der dritte und umfassendste Abschnitt „Weltmission und Weltende
im Ablauf der Geschichte" (27—5 3 bzw. 58; dazu ein Anhang
mit einem Abschnitt aus Ph. Nicolais „Historie des Reiches
Christi") fragt danach, „inwieweit die Mission ihr Wesen verwirklicht
hat" (27). Das Ergebnis ist im Grunde die Geschichte
einer „Enteschatologisierung" (55); die Mission ist „ein Schiff,
das mit Schlagseite über die Meere fährt". Nicht daß die Erwartung
des Weltendes verloren gegangen wäre, jedoch hat „die
christliche Mission aufgehört, sich selbst als ein eschatologisches
Faktum zu verstehen" (54). Welche Auswirkungen das für die
katholische Mission hat (Mission einer Kirche, die sich als Gottesreich
auf Erden eingerichtet hat; Mission als eine von der Kirche
getroffene Veranstaltung zu ihrer Ausbreitung) und ebenso
für die evangelische, das kann hier nicht weiter ausgeführt
werden.

Auf zweierlei sei wenigstens noch hingewiesen. Es scheint mir, daß
Rosenkranz weder der „Mission" noch der „Eschatologie" bei Luther
gerecht wird, wenn er urteilt, daß „Luthers ins Individuelle gewandelte
Eschatologie das Aufkommen einer evangclisdicn Mission verhinderte
" (43) und daß „Luthers gänzliches Übersehen der Mission Folge
seiner auf den Einzelnen eingestellten Enderwartung in Verbindung mit
seiner fast mystisch verinnerlichten Reichshoffnung" (4 5) gewesen sei.
Ferner: Rosenkranz sieht für die evangelische Mission die Wende ihrer
Krisis, wenn sie nunmehr zum Wesen und Ziel urchristlicher Mission
zurückfindet (58). „Das wäre eine Revolution, die die Mission aus
ihrer geschichtlich verständlichen, aber längst überfällig gewordenen
Abkapselung in einzelne Missionsgesellschaften befreien, die evange-
lisdie Kirche aber auf ihrem Wege zur Einheit in der Erkenntnis führen
könnte, daß die Mission nicht nur eines der von ihr zu fördernden
Liebeswerke, sondern der eine und einzige Weg ist, ihre Bestimmung
zn erfüllen: .vorzubereiten für das Reich' des kommenden Herrn und
von daher ihre .Ordnung und Gestalt' zu gewinnen" (58). Wäre es
bei diesem entscheidenden Zusammenhang von Mission und Eschatologie
nicht nötig, den ganzen Fragenkreis auch grundsätzlich systematischtheologisch
zu durchdenken? Was dazu im Vorwort gesagt wird (in
Abgrenzung von Ausführungen von Hartenstein und Goodall in „Deutsche
Evangelische Weltmission. Jahrbuch 1951"), ist zu wenig. Rosenkranz
will eine „existentielle Eschatologie" vertreten, keine „end-
gesdiichtlichc"; und er zitiert zweimal den Satz Newmans: daß der Lauf
der diristlichen Mission „nun nicht dem Ende zuläuft, sondern an ihm
entlang, an seinem Rande, und ist zu allen Zeiten gleichmäßig nahe
diesem großen .Ende'" (6 und 18). Es ist zu fragen, ob das wirklich
die biblische Eschatologie ist. Jedenfalls ist bei diesem überaus wichtigen
Thema über das Verständnis der Eschatologie (und der Geschichte und
Endgeschichte) mehr zu sagen nötig.

Berlin Harald Kruska