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Ausgabe:

1952 Nr. 3

Spalte:

173-175

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Townsend, Henry

Titel/Untertitel:

The claims of free churches 1952

Rezensent:

Roth, Erich

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173 Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 3 174

digkeit ebenso gedient wie die geschichtliche Erhellung der
heute in Schottland, trotz der Reunion von 1929, noch vorhandenen
presbyterianischen Gruppen (was S. 120, 222 dazu
beigebracht wird, sind nur Andeutungen). Wenig ausführlich
wird etwa von Cromwell und seiner Gruppe, oder von der
Mission gehandelt (S. 210) und so gut wie gar nicht von den
eng verwandten amerikanischen Presbyterianern (S. 209).
Uberhaupt wird derjenige viele Dinge in interessanter Weise
angerührt finden, der ohnehin Bescheid weiß. Gar die eigene
Anschauung ist nötig zum Verständnis des Satzes, daß der
Thron des „King's Commissioner" in der Halle der General
Assembly „technically not within the House" sei (Seite 199);
er befindet sich auf einer Empore über dem Sitz des Moderators
. An kleineren Wünschen wären weniger Wiederholungen,
mehr Reformvorschläge, ein wenigstens beschränkter Quellennachweis
des reichen Zitatenschatzes und ein Register zu nennen
. Im Blick auf die ökumenische Annäherung und speziell
die Unionsbestrebungen ist es schade, daß das auf einer öffentlichen
Vorlesung basierende Kapitel über das kirchliche Amt
nicht theologischer ausgefallen ist, und die als epochemachend
bezeichnete Kirchenunion von Südindien, an der auch
die Presbyterianer beteiligt sind, nicht näher besprochen
wurde. Dafür erfährt man, daß es zwar innerhalb der Kirche
von Schottland Theologen gibt, die eine durchaus standesmäßige
apostolische Sukzession für sich in Anspruch nehmen
(S. 98), doch bleiben die Ereignisse von 1637 „eine sehr ernste
Schranke gegen jegliche Art von Union mit den Episkopa-
listen" (S. 67).

Alles in allem darf man sagen, daß das Buch bestens geeignet
ist, innerhalb der Kirche von Schottland zur Selbstprüfung
anzuregen und außerhalb ihrer das Interesse für sie
zu vertiefen und ihre Wertschätzung zu steigern.

Göttingen Erich Roth

Townsend, Henry: The Claims Of the Free Churches. London: Hodder
and Stoughton 1949. 320 S. 8°.

Es ist die dritte und — bisher — letzte Selbstdarstellung
dieser Art, welche der um seine Denomination verdiente Autor,
der Leiter eines baptistischen College zu Manchester und Mitglied
des „Free Church Federal Council' ist, im Namen der
englischen Freikirchen vorgenommen hat. Er vertritt darin die
Anliegen von zehn Denominationen, unter welchen die Methodisten
, Baptisten, Kongregationalisten, englischen wie wallisischen
Presbyterianer und Quäker die bekanntesten sind.

Das Buch unterscheidet sich von den beiden vorerwähnten
in mehr als einer Hinsicht. Es hat am meisten wissenschaftliche
Aufmachung, nicht nur durch die Quellennachweise
, sondern auch im Stil. Ferner dient etwa die Hälfte des
Umfanges der geschichtlichen Erhellung, obwohl das Buch
dem Vorwort zufolge, „not a History of the Free Churches"
sein will, sondern „the Statement of a Claim". Und dieses letztgenannte
Ziel war es wohl, das den Gesamtton der Darstellung
etwas unvorteilhaft beeinflußt hat und ihm nicht nur viel an der
Gefälligkeit der Darbietung, sondern auch einiges von der Bereitschaft
zu objektiver Selbstkritik genommen hat. Das Buch
erhebt den historisch zweifellos gerechtfertigten, doch, sofern
in eigener Sache statuiert, für manche Ohren an Feinheit einbüßenden
Anspruch auf die Dankbarkeit „of all English- spea-
king peoples" gegenüber den Freikirchen, und zwar für deren
Beitrag „to religious and political freedom", welcher „the basis
of Western civilisation" gewandelt hat. Den theologischen
Akzent des Ganzen deutet das aus Kierkegaard gewählte
Motto an, in dem er u.a. sagt, er wolle um nichts in der Welt,
auch nicht mit dem kleinsten Teil seines kleinen Fingers, Anteil
haben an dem, was als offizielles Christentum bekannt ist.

Die Einleitung nimmt sich darum etwas merkwürdig und eng aus,
weil sie — ausschließlich — auf die Situation zur Zeit Jesu mit dem einzigen
Zweck rekurriert, den priesterlich organisierten Kirchen (besonders der römischen
und anglikanischen) samt und sonders die Rolle der Hohenpriester
und Pharisäer zuzuweisen. Ohne den Sinn des Kreuzes damit erschöpfen zu
wollen, wagt Verf. den Satz: „In gewissem Sinne können wir sagen, daß
Jesus lieber am Kreuz starb, als daß er das Evangelium der Tradition auslieferte
" (S. 18). Neben der anglikanischen und der von ihr abweichenden
presbyterianischen Stellung zum Begriff der Tradition zeichnet sich hier
eine dritte ab: jegliche A.blehnung, weil man immer unmittelbar zu Gott ist.

Das erste Kapitel will die theologischen Differenzen klären und ist der
„Nature of the Church" gewidmet, jenem freikirchlichen Grundproblem, das
für alle interkonfessionelle Zusammenarbeit und sachliche Annäherung „was,
and still is, the major stumbling — block (S. 31). In einer mit den Reformatoren
sich zwar nicht identifizierenden, ihre Leistung jedoch positiv wertenden
Haltung (S. 47, 215), wird alles abgewiesen, was insbesondere auf die
anglo-katholische Linie des Kirchenbegriffs zu stehen kommt. Ein individueller
Kirchenbegriff wird dem institutionellem entgegengestellt (S. 26). Mit
dem Begriff der Kirche ist der des Amtes engstens verflochten. So recht

aufs Korn genommen wird der im anglo-katholischen Lager gängige Ausdruck
„Essential Ministry", welcher aussagt, daß das Bischofsamt zum esse —
nicht nur zum bene esse — der Kirche gehöre. Gegenüber der apostolischen
Sukzession wird die „spiritual ,succession'" vertreten (S. 67). — Bewegt sich
das alles noch auf reformatorischer Ebene, so bleibt doch auch die Abgrenzung
ihr gegenüber — merkwürdigerweise erst in anderm Zusammenhang — nicht
aus: daß es Gute und Böse in der Kirche geben soll, wird zugunsten eines
puristischen Verständnisses der Kirche abgelehnt (S. 63).

In ähnlicher Weise führt die Lösung des Problems Staat und Kirche,
das nach längeren Darlegungen über die so eindrucksvoll durchgekämpfte
Leidensgeschichte der Nonkonformisten behandelt wird, über die Reformation
hinaus. Wäre Luther nicht ,politically timid" gewesen, „he would almost
certainly have commenced to change the whole political structure of Germany",
einfach durch die Organisation der Kirche zu einer „self-governing society".
Aber seine Ansichten über den Untertanengehorsam „were those of a mediae-
valist" (S. 48). Der Verf., der gern etwas schematisiert, belegt auch Calvin
mit dem gleichen Verdikt: so konstruktiv dieser als Gesetzgeber gewesen
sei, ,,he failed to break away from mediaeval ideas of Church and State"
(S. 49). Dessen ungeachtet finden sich eine Reihe positiver Aussagen über
die Reformatoren; mit Ausnahme ihrer intoleranten Haltung (S. 258) und
dem nur halb verstandenen Umstand, daß Luther für jene kriegerischen Laien,
die seine Grundsätze über religiöse Freiheit in konsequenter Weise auch auf
„politische und ökumenische Probleme" hätten anwenden wollen, nur die
Opposition und den Rat auf „passivity and submissiveness to rulers" übrig
gehabt hätte (S. 255). Seine Berechtigung hat dieser Vorwurf allerdings im
Blick auf die Sklavenbefreiung.

In der Stellung der Dissenters zum Staat redet der Verf. am unmittelbarsten
. Entgegen Joh. 19, 11 wird zum christlichen Verständnis des Staates
erstaunlicherweise gesagt: „Jesus never referred to Caesar as a ruler by
divine right" (S. 197). Es wird unterschieden „between the Kingdom of God,
the Church and the State", und jede Verbindung der Kirche zum Staat
kategorisch abgelehnt (S. 200). Dabei handelt es sich nicht um eine pietistische
Flucht vor politischer Verantwortung, sondern im Gegenteil um jenen
letztlich radikaitheokratisch strukturierten „left-wing Protestantism", dessen
Geschichte gezeigt hat, daß er vor monarchomachischen Konsequenzen, „to
resist tyrannical rulers" (S. 198), nicht zurückschreckt. Es ist ein Stück Ironie
der Geschichte, von den Dissenters mit Behagen wahrgenommen, daß die
einst über sie truimphierenden Anglikaner heute darüber seufzen, daß sie
durch die förmliche Umkehrung der Lage ihre wichtigen Vorlagen im Parlament
nicht durchbringen können und darum anfangen, in eigenem Interesse
für freikirchliche Prinzipien einzutreten. Dabei bleibt ihnen nach der Meinung
des Verf.s nur noch die Zweckmäßigkeit als Begründung für den weiteren
Bestand der Staatskirche übrig, wobei besonders auf die staatlichen
Subventionen gezielt wird (S. 208). In Wirklichkeit sind es noch andere
Gründe (vgl. die Anzeige des Buches von Garbett in ThLZ!).

Was der Verfasser wollte, ist ihm durchaus gelungen: er
hat nicht ohne Sachlichkeit die im Leiden gereiften Leistungen
der englischen Freikirchen daheim und in Ubersee ins Licht
zu rücken verstanden. Die Freikirchler waren es, welche die
englisch redenden Völker — und nicht nur sie — die religiöse
Toleranz, die persönliche Freiheit des Individuums und die
politische Freiheit der Gesamtheit gelehrt haben, kurz — „they
taught Britain democracy" (S.194). Der Verfasser hat damit
so etwas wie eine Rechnung präsentiert, die wissenschaftlich
unanfechtbar, dazu auf politischer — auch kirchenpolitischer
— Ebene eindrucksvoll, auf kirchlich-ökumenischer dagegen
vielleicht doch nicht gläubig genug ist und halb schmerzlich
berührt, weil sie hier zu nicht viel mehr als zu einer Gegenrechnung
herausfordert, und das um so eher, als der Autor es unterlassen
hat, neben die hellen auch etliche dunkle Punkte zu
stellen, die trotz des perfektionistischen Kirchenbegriffs auch
in der Geschichte der Dissenter seit Cromwells Tagen nicht
fehlen. U"nd so berechtigt der Vorwurf des Sazerdotalismus
gegenüber der Staatskirche ist, so gewiß hätte es keines sehr
scharfen Auges bedurft, um etwa jene, bei den Kindern der Reformation
wie im besondern bei deren freikirchlichen Neffen
sich findende Art von Sazerdotalismus auch zu sehen, wo der
Besucher des Gottesdienstes sich an der Person des Predigers
orientiert. Außerdem haben auch die freikirchlichen Gemeinden
Englands ihre Schwierigkeiten, die nicht viel leichter
wiegen als der Institutionalismus, ganz abgesehen davon, daß
auch die Freikirchen ohne organisatorischen Apparat nicht
auskommen.

In historischer Beziehung steht die dürftige Berücksichtigung
des Methodismus in keinein Verhältnis zur tatsächlichen
Bedeutung dieser weitaus größten freikirchlichen Denomination
in England. In theologischer Hinsicht hätte es sich wohl empfohlen
, die einzelnen Gruppen auch gesondert zum reden zu
bringen, statt nur durch eine Sammelstimme gemeinsame Züge
hervorzuheben.

Bei alle dem bleibt diesem lebendig und mit Sachkenntnis
geschriebenen Buch viel Positives. Es ist die neueste Schilderung
der freikirchlichen Problemlage und überschaut die Dinge
an Hand zahlreicher Statistiken und Informationen unter teil-