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Ausgabe:

1952 Nr. 3

Spalte:

158-161

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Michaelis, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Versöhnung des Alls 1952

Rezensent:

Schneider, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 3

158

Auffassung von Übersetzungstreue „homonyme" Wiedergabe von Homonymen

erfordert, immer im Blick auf Hörer und Leser, die der Ursprache mächtig

und im Besitz der Auslegungstradition sind. Sie könnte also, durch keines

unsrer Bedenken beschwert, auch dann änoxalvntiiv wählen, wenn sie die

Stelle mit W. Robertson Smith von jnQ III „das Haar frei wachsen lassen"

her erklärte. Das wäre nicht einmal eine Neuerung: mit verschiedenen Vokabeln

wird fast stets „entblößen" übersetzt, in der LXX Lev. 106, 2110 drroxtöapovv

„den Turban(x('<5apis)abnehmen",2110das Synonym anouaoovv (fi'noa) inL,

Ez. 4420 ycXovv, sonst aTtoxaMizteiv. einigermaßen sinngemäß Nu. 518 „das

Haar lösen (frei fliegen lassen?)" djioxaMyiet rfjv xe<pa?.ijv, und Lev. 134E,

außerdem hexaplarisch in Lev. 10s, 2110. Steckt dahinter etwa die Auffassung,

daß das gepflegte Haar unter Kopfbedeckung, das frei wachsende ohne solche

getragen wurde? Sinngemäß und gut griechisch rpicpeiv nur Nu. 65 und

Eßp.Cvp. Ez. 4420, sowie Nu. 65 A' fieye&vvcov, C aiicov. FürjnD II, das

sonst auf die verschiedenste Weise übersetzt wird, finde ich Vergleichbares nur in

II Par. 2818, wo L in eine Lücke von (5, stark hebraisierend, also wohl nach

einem Jüngeren, dv^ äv ÖTzexdAvwev iv reo Iovda = !TPirP3 S"HSn n3

t

„zügellos handelte" einsetzt, und Theodoret, das Übersetzergriechisch mißverstehend
, daißeiav beifügt. Nehmen wir hinzu, daß in Deut. 3242, der einzigen
Sinnparallele, C (retrovertiert) and xea-aXrjg dvaxexaAvfi/ucvqs sagt, und an
unsrer Stelle, Jdc. 52, iv reo dvaxaAvyjao&ai xttpaldg, so haben wir die
Vorbilder, die B hier befolgt, nur noch folgerichtiger, indem statt xs(pa?.ds, nur
im numerus gegen 9JI, das stammgleiche dnoxdkvfifia eintritt.

Beobachten wir noch, daß B in der unmittelbaren Fortsetzung sowie in 59
eine Vokabel gebraucht, die im weiten Umkreis des Griechischen sonst nirgends,
und in der LXX selbst nur in II Esdr. vorkommt1, aber siebenmal inA.', dreimal
in C' und vereinzelt in &' und der Quinta, sowie als stehende, der Hexapla
entnommene Korrektur Lucians in Par. statt jioo&vfieZo&ai, weiter, daß in 52
A' die nächstverwandte Lesung bietet (B iv ttö ixovaiaa-d-fjvac laöv, A'
iv exovoiaofi(52 Xaov für 027 2.y]5rnS, dagegen A iv Tzpoalpeaec }.aov), und
daß sich 5S A 01 dvvdatai xov ?.aov und B ol exovota^öfisvot iv t.aw für

Qi^3nsn ebenso gegenüberstehen wie Prov. 1726 (5 bvvdaxaig und C'
ixovoia£6fievov (—cu»'?) = B"Q"H3,'endlich, daß der A'-Lesung ixova. gelegentlich
bei C' Tjyovucvoi entspricht —woraus sich das vielberufene Jtvevfiari
fiyeiiovixu) Ps.5014 ohne Annahme stoischen Einflusses erklären dürfte, cf. C
Js. 328 dpyßvtixd. -, dann erhalten wir aus diesem einen Vers 5- ein klares Bild:
mindestens in dem vielkorrigierten Deborakapitel ist der B-Text eine Arbeit,
die sich auf stärkste an die posthexaplarische Tradition des A'- und C-
Textes anlehnt, wie es auf lateinischem Boden nur Hieronymus in der Vulgata
getan hat, und wie wir es griechisch nur bei den ifO-Rezensionen finden. Von
diesen ist R (MNhyb2) für Jdc. erkannt; in Ruth entstammt sie einer neuen
Befragung der Hexapla als Ganzes und nicht nur ihrer LXX-Spalte, lang nach
Origenes. Dieser Text datiert zwischen 350 und 400. In Jdc. weist er, unter
Umständen (818a) mit einer vollen Dublette, starke Einflüsse von B auf, dessen
Text demnach in das beginnende 4. Jahrhundert gehören dürfte. Zwei unsrer,
von den Mischtexten abgesehen, vier Textformen von Jdc. sind also deutlich
posthexaplarisch. Eine fünfte mag als dritte Spätform hinzukommen, wenn
es gelingen sollte, die in Jdc. eng mit B verbundenen Catenen-HSS als relativ
selbständige Gruppe G von B abzusetzen, was nicht leicht und bisher nicht
versucht ist, obwohl die Analogie des Nachbarbuches Ruth dazu einlädt (vgl.
Katz, Philo's Bible, 152f.). Sollte eine Durchprüfung von B das Ergebnis dieser
Probe bestätigen, so wäre die Ausführlichkeit dieser Darlegungen gerechtfertigt
.

Die zwei weiteren von Verf. für abweichende Übersetzungen einer gleichen
hebräischen Grundlage angeführten Stellen ergänzen das Bild des B-Textes
nach einer andern Seite. 196 lautet der imp. yy N3"3Nin „sei so gut und
übernachte" in AOR dp^dfievog (0 + dij xai) avXia&riri, L inuixwg
fitlvov, und der B-Gruppe äye ör, aviio&rjri. dp^duevog ist auch für &' bezeugt
, aber auch hier folgt er nur der LXX. Denn in l27 35haben alle ijp^aro, und
in 17" weicht nur L mit rjiööxrjoav ab. iip%ead,ai für ^N"1 H Hif. ist die überwiegende
Deutung der LXX, eigentlich berechtigt nur in Deut. I5, aber von
Gen. 182' („sich erdreisten") an für alle Abschattungen von „sich zu etwas
bestimmen" angewandt. Gegen den Sinn des Zusammenhangs ist in Hiob 69
sicher „anfangen" verstanden, sonst hätte der zweite Stichus nicht einen willkürlichen
Gegensatz mit eig teP.og = "irr statt "irPv.ins Hif .einleiten können.
Gegenüber dem allem wirkt das gut passende und seit Homer gebrauchte
dys drj frei und leicht. Aber einmal enthält es das asterisierte drj, und dann
erhebt sich daraufhin der Zweifel, ob nicht trotz Bezeugung in der ganzen
B-Gruppe ATE auf APSE = äp^ai zurückgehe. Ähnlich stammt auch in
143 rpeaev = rPCj"1 nicht aus &'■ denn aus unsrer Stelle ist in 141 in allen
außer B allein und den zweiO-HSS bx der frühe -f Zusatz xai rjpeaev ivcoTtiov
aitov eingedrungen. Wenn B mit Trabanten in 143 ev&eta = mi2P adj.
liest, so mag das eines der Beispiele für freies Spiel mit den vorliegenden Konsonanten
des Urtextes sein, das sich InA' und C' weit häufiger findet, als man
denken sollte. Also Abhängigkeit des B-Texts von der frei verwandten Traditionsmasse
, wie sie in den jüngeren Hauptübersetzern A' C' aufgespeichert ist!
Damit wird dieser Text zu einem neuen Beleg für die posthexaplarische
Arbeit, die wir nur erschließen können und bisher aus Ruth R und den abweichenden
Philolesarten kennen gelernt haben. Verf. irrt also beträchtlich,

') Außerdem in I Macc. einem übersetzten Buch, 242.
2) Vgl. II. Esdr. 7'6.

wenn er aus rein apriorischen Erwägungen einen nochmaligen selbständigen
Rückgang auf die Tradition nach Origenes im Blick auf die Schwierigkeit der
Aufgabe für unwahrscheinlich hält (105). Nur soviel ist zuzugeben, daß die
Durchführung dieser Aufgabe hinter unseren Ansprüchen recht weit zurückbleibt
. Schon die Frage der „unechten" Asterisken (ThLZ 1938, 32) hätte ihm
einen Durchblick auf die spätere Arbeit am Text gegeben; sie marschieren
indes, nach Brooke-MCLean, als Obelen auf.

Das Vorstehende wollte dem so redlichen wie tüchtigen Autor Hinweise
für künftige Arbeiten geben. Es wird ihn interessieren, daß ein Schüler des
Ref. von langer Hand eine Arbeit über das gleiche Thema vorbereitet.

Daß das Buch, mit dem Verf. den theologischen Doktorgrad der Universität
Helsinki erworben hat, deutsch'erscheint, ist Dankes wert. Das Deutsch
ist zwar nicht inkorrekt, doch vielfach deutlich das Ergebnis harter Bemühung.
Die termini technici aber müssen hinter seltsamen Verdeutschungen erraten
werden, offensichtlich weil kein deutschsprachiger Fachgenosse beigezogen
wurde. Rez. kennt diese Nöte wohl und würde sich darum nie getrauen, etwas
Englisches ohne sach- wie sprachverständigen Rat hinauszugeben.

Cambridge Peter Katz

NEUES TESTAMENT

Lohmeyer, Ernst, Prof. D. Dr.: Das Evangelium des'Markus. übers, u.
erkl. 11., nach dem Handexempl. d. Verf.s durchges. Aufl. mit Ergänzungsheft
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1951. 6*, 368 S., Ergänzungsheft
19 S. gr. 8° = Kritisch-exeget. Kommentar über das Neue Testament.
Begründet von H. A. W. Meyer. l.Abt., 2. Bd. DM21.60; Lw. DM24.60;
Erg.-H. einzeln DM 1.40.

Ernst Lohmeyers Markuskommentar gehört zu den Werken
der neutestamentlichen Wissenschaft, die dem Fachmann
ebenso wie dem Studierenden und Pfarrer im Amt unentbehrlich
geworden sind. Da das Buch seit längerer Zeit vergriffen
war, ist es sehr zu begrüßen, daß sich der Verlag entschließen
konnte, das Buch durch einen Neudruck wieder zugänglich zu
machen. L. selber hatte eine Neubearbeitung geplant, wie zahlreiche
kleinere Verbesserungen und Änderungen in seinem
Handexemplar zeigten. Es war darum der gegebene Weg, das
Werk in der Fassung der i. Auflage photomechanisch abzudrucken
und in einem Anhang die Nachträge und Verbesserungen
aus dem Handexemplar des Verf.s hinzuzufügen. Lohmeyers
Schüler Gerhard Saß hat sich dieser mühsamen Aufgabe
unterzogen und neben kleineren Verbesserungen tmd Änderungen
im Text, die das Satzbild nicht verändern (nach der Angabe
des Vorworts etwa 360), im Anhang mitgeteilt, wo L. selber eine
Änderung des Textes schon eingetragen oder wo er nur die Notwendigkeit
einer Änderung angedeutet hatte. Der Leser erhält
so einen Eindruck davon, wo L. genauer oder anders formulieren
wollte, und erfährt zugleich eine Reihe von Literaturergänzungen
. Die so entstandene Neuauflage ist selbstverständlich
nur ein Notbehelf; denn oftmals erfährt der Benutzer
ja nur, daß L. etwas ändern wollte, und die Literaturnachträge
sind ebensowenig vollständig wie die Fehlerverbesserungen
. Aber da kein anderer Weg übrig blieb, wollte man das
unentbehrliche Werk möglichst den letzten Absichten des
Verf.s gemäß veröffentlichen, wird jeder Benutzer dem Herausgeber
für seine sorgfältige Betreuung-;der Neuauflage Dank
wissen. Sachlich neu dürfte unter den Nachträgen wohl nur
sem, daß L. offensichtlich"die Abhängigkeit des Matthäus und
Lukas von Markus nicht mehr anerkannte, da er sorgfältig
alle dahin weisenden Formulierungen abgeändert hat. Daß L.
mehrfach Thesen seiner letzten Arbeiten (Kultus und Evangelium
, Gottesknecht und Davidsohn) einarbeiten wollte, ist
selbstverständlich.

Das Vorwort des Herausgebers ist noch in Unkenntnis des
wirklichen Schicksals E. Lohmeyers geschrieben. Seit wir
darum wissen, läßt die notgedrungen behelfsmäßige Neuauflage
dieses Hauptwerks doppelt schmerzlich seinen Verlust
empfinden. Und man ist dankbar, daß der Verlag es ermöglicht
hat, daß sein Werk wenigstens in dieser Form auch
weiterhin benutzt werden kann.

Unerklärlich ist, daß zweimal 1947 und 1949 erschienene Arbeiten von
J.Jeremias zitiert werden (zu S. 86 Anm. 1 und S.289 Anm.2); hat hier der
Herausgeber Andeutungen Lohmeyers präzisiert? — S. 117 fehlt der Stern
neben Z. 5.

Mainz Werner Georg Kümmel

Michaelis, Wilhelm, Prof. D.: Versöhnung des Alls. Die frohe Botschaft
von der Gnade Gottes. Gümligen (Bern): Verl. Siloah [1950]. 198 S. 8°.
kart. sfr. 9.50.

Der Verf. geht davon aus, daß die Apokatastasislehre
durch Barth und Brunner neu in das Blickfeld der dogmatischen
Auseinandersetzung gerückt worden ist. Er sieht aber
seine Aufgabe nicht in erster Linie darin, zu untersuchen, ob