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Ausgabe:

1952 Nr. 2

Spalte:

95-96

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Nordstrandh, Ove

Titel/Untertitel:

Den äldre svenska pietismens litteratur 1952

Rezensent:

Schmidt, Martin

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95

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 2

96

KIRCHE ^GESCHICHTE: NEUZEIT

Nordstrandh, Ove: Den äldre svenska pietismens litteratur. Mit einer

Zusammenfassung in deutscher Sprache. Stockholm: Svenska Kyrkans
Diakonistyrelses Bokförlag 1951. LVII, 349 S. gr. 8° - Samlingar och Studier
tili svenska kyrkans historia, utg. av Hilding Pleijel 26. (Acta historico-
ecclesiastica suecanca). kr. 15.—.

Ein Schüler Hilding Pleijels legt eine saubere, fleißig gearbeitete
bibliographische Zusammenstellung und Untersuchung
über die altpietistische Literatur in Schweden vor,
die sich sachlich eng an des Werk seines Lehrers „Der schwedische
Pietismus in seinem Verhältnis zu Deutschland" 1935
anschließt. Am Anfang des pietistischen Schrifttums steht die
ausländische, fast ausschließlich deutsche Originalliteratur,
die ein schwedischer Apologet Speners, Nils Lang, im Jahre
1715 nennt (En skiälig f örswarsskrif t). Es erscheinen die Vertreter
der Spätorthodoxie, vor allem der Rostocker
(Paul Tarnow, Johann Quistorp, Theophil Großgebauer,
Joachim Lütkemann, Heinrich Müller), außerdem Johann
Rittmeyer und Christian Scriver, dann Johann Arnd, Spener
selbst und die Frühpietisten Heinrich Horb, Elias Veiel, Gottfried
Vockerodt, Johann Georg Pritius, Johann Hieronymus
Wiegleb, dann der Hallenser Pietismus, vorallem Francke selbst,
daneben Freylinghausen, darnach Gottfried Arnold in größerer
Zahl, das Ehepaar Petersen und Johann Konrad Dippel, der
sich eine Zeitlang in Schweden aufhielt. Dazu trat die Ubersetzungsliteratur
, die mit zwei Schriften Speners (aber nicht
den Pia Desideria) eröffnet wird. Die Hauptrolle spielt in ihr
ein Schüler A. H. Franckes, der Waldecker Anton Wilhelm
Böhme (1673—1722), der als Hofprediger in Dänemark und
England wirkte und eine Reihe von Erbauungsschriften verfaßte
. Insgesamt sind 28 verschiedene Schriften von 12 Autoren
übersetzt worden, dazu drei Anonyma. Auch die klassischen
puritanischen Erbauungsbücher von Lewis Bayly (Prac-
tice of Piety), Arthur Dent (The Plaine Mans Pathway to
Heaven) sowie Emanuel Sonthombs in Deutschland einflußreiches
„Güldenes Kleinod der Kinder Gottes" fanden in
Schweden Eingang, teils aus dem Englischen, teils aus dem
Deutschen übersetzt. Für dieses letzte bisher nicht identifizierte
Buch hat B. Olsson [Författarskapet tili Sonthombs
Gudz barns gyllende klenod (1635) Nordisk Tidskrift för bok-
och biblioteksväsen 1945, den durch J.B. Kraus [Scholastik
, Puritanismus und Kapitalismus 1928] bekannten Robert
Parsons als Verfasser nachgewiesen (Nordstrandh S. 157, A. 83).
Damit ist die — ungenügend begründete — letzte Hypothese
(von August Lang, Puritanismus und Pietismus 1941, 109), es
handle sich um Perkins' Golden Chaine, erledigt. Außerordentlich
spät werden Brecklings und Hoburgs Schriften ins Schwedische
übersetzt (1724, 1729, 1731). Möglicherweise ist hier
Dippels Einfluß beteiligt.

Die einheimische Originalliteratur tritt gegenüber dieser
Ubersetzungsliteratur zurück . . . Die Reihe eröffnet als Vorläufer
des Pietismus Olof Ekmans Programmschrift Siönödz-
löffte (Verheißung an Zion), die sich eng an Großgebauers
Wächterstimme aus dem verwüsteten Zion (1661) anschließt.
Es folgen die Gegenschriften gegen die orthodoxe Polemik, vor
allem die gegen Frischlins Pietismus detectus (1708, schwedisch
1714) und Hannekens Sendschreiben betr. die collegia
pietatis (1690, schwedisch 1723) gerichteten Bücher. Unter den
Autoren ragen außer dem genannten Nils Lang Elias Wolker,
Sten Coyet, ein schwedischer Oberst unter den Gefangenen in
Sibirien, und Nils Grubb hervor. Unter den Erbauungsschriftstellern
ist Johan Bruce am fruchtbarsten gewesen. Besondere
Aufmerksamkeit hat Nordstrandh der leicht übersehenen Gelegenheitsdichtung
(Grabschriften) und der geistlichen Dichtung
überhaupt geschenkt. Hier stehen Jonas Tellman, Johan
Tolpo, Carl Gustaf Oesterling an der Spitze. Auch das ungedruckte
Material aus den Reichsarchiven in Stockholm und
Helsingfors, den königlichen Bibliotheken in Stockholm, den
Universitätsbibliotheken in Lund, Uppsala, Helsingfors, den
Bibliotheken in Kalmar, Karlstad, Linköping, Skara, Växjö,
dem Stadtarchiv in Stockholm ist verwertet.

So liegt eine wohl erschöpfende Materialsammlung und
-gliederung vor, die für jeden Forscher unentbehrlich sein
wird. Ähnliche Ubersichten wären auf territorialgeschichtlicher
Grundlage für die einzelnen deutschen Landschaften zu leisten,
um eine Gesamtgeschichte des Pietismus vorzubereiten.

Was die Auswertung anlangt, so fallen außer den bereits
bemerkten Zügen, dem Ubergewicht der deutschen pietistischen
Literatur und der Spätwirkung des Spiritualismus zwei
weitere Eigentümlichkeiten auf. Die erste ist die Tatsache,
daß Luther nur in ganz geringem Umfange ins Schwedische

übersetzt worden war (i64ff.). Durch den Pietismus erscheint
die von allen Pietisten gepriesene Vorrede zum Römerbrief
1726 auf schwedisch, im selben Jahr außerhalb des Pietismus
Luthers Passionspredigten. Statius' bekannter Lutherauszug
„Lutherus redivivus" (1626) lag 1728 in schwedischer Ubersetzung
vor, durfte jedoch nach dem Willen des Konsistoriums
nicht gedruckt werden. Die zweite Eigentümlichkeit ist das
Erlöschen der altpietistischen Literatur im Jahre 1727. Dies
trifft genau mit Zinzendorfs Urteil zusammen, daß der Pietismus
(in Deutschland) bei August Herman Franckes Tod auf
dem Höhepunkt seiner Geltung gestanden und sie dann rasch
verloren habe (Ilegi 'Eavjov Naturelle Reflexionen o. J. [1746]
Reale Beylagen S. 10).

Berlin Martin Schmidt

Söhngen, Oskar, Lic. Dr., k. Geisti. Vizepräsident: Hundert Jahre Evangelischer
Oberkirchenrat der Altpreußischen Union 1850—1950 hrsg

Berlin-Spandau: Wichern-Verl. 1950. 208 S.8°. Kart. DM 7.80; Lw. DM9.—.

Am i.August 1951 hat mit dem Inkrafttreten der neuen
„Ordnung der Evang. Kirche der Altpreußischen Union" ihre
oberste Verwaltungsbehörde, der Evangelische Oberkirchenrat
, seinen Namen eingebüßt, den er 101 Jahre lang in Ehren
getragen hatte. Er heißt jetzt „Kirchenkanzlei der Evang.
Kirche der Altpreuß. Union". Mußte das sein ? Es ist hier nicht
der Ort, auf die Gründe für die Namensänderung oder auf die
tiefgreifende Strukturveränderung einzugehen, die mit der
Kirche der Altpreußischen Union auch diese Behörde erfahren
hat. Es sei aber dem herzlichen Wunsche Ausdruck gegeben,
daß in der Nachwelt mit dem Namen nicht auch das Gedächtnis
an die Arbeit und an die Leistungen des Evang. Oberkirchenrates
(E.O.) verschwinde, und daß die,,Kirchenkanzlei"
die gute Tradition des „E.O." fortsetze.

Daß beides geschehe, dazu soll auch die oben angezeigte
Festschrift beitragen, die der verdienstvolle kommissar. Geistliche
Vizepräsident Lic. Dr. Söhngen aus Anlaß des loojähri-
gen Jubiläums des E.O. herausgegeben hat. Sie besteht aus
einer Reihe von Beiträgen, die von der Tätigkeit des E.O. auf
den verschiedensten Gebieten des kirchlichen Lebens ein anschauliches
Bild geben.

In einem einleitenden kurzen Uberblick würdigt der bisherige
Präsident des E.O., Bischof D. Dr. Dibelius, die Tätigkeit
dieser Behörde hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt,
daß ihr in erster Reihe die Aufgabe zugefallen sei, die seit Beginn
des vorigen Jahrhunderts erstrebte Loslösung der Kirche
vom Staate oder von der Bevormundung durch ihn praktisch
durchzuführen. Dies sei ihr seit der umfassenden kirchlichen
Verfassungsgesetzgebung der 70 er Jahre in stetig zunehmendem
Maße schrittweise gelungen. Nur kurz werden daneben
die hervorragenden Leistungen des E.O. in Verwaltung und
Rechtsprechung, die oft klassische Formulierung seiner Erlasse
und seine Großzügigkeit rühmend hervorgehoben.

Daß aber das Selbständigwerden der Kirche keineswegs
die hauptsächlichste oder gar einzige Leistung des E.O. war,
zeigt der umfassende Bericht des früheren langjährigen geisti.
Vizepräsidenten D. Burg hart: „Der E.O. in den Jahren 1900
bis 1950". Die vorangegangenen 50 Jahre hatten bereits beim
50jährigen Jubiläum des E.O. in einer Festschrift „die Entwicklung
der evang. Landeskirche der älteren preuß. Provinzen
seit der Errichtung des E.O." eine Würdigung gefunden. B.
unterscheidet, wie es der Natur der Sache entspricht, fünf
Perioden: die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, die des Weltkrieges
, die der sog. Weimarischen Republik, die des Nationalsozialismus
und endlich die Gegenwart seit dem Zusammenbruch
von 1945. In jeder dieser Perioden werden die wichtigsten
Leistungen des E.O. mit der gründlichen Sachkenntnis,
die der Verf. sich in langjähriger Zugehörigkeit zum E.O. erworben
hat, übersichtlich und klar dargestellt. Immer wieder
zeigt sich dabei, wie sich die Arbeit des E.O. in allen Perioden
keineswegs auf die eigentliche Verwaltungsarbeit, d.h. etwa
darauf beschränkt hat, neben den Personalangelegenheiten
über die ihm zufließenden kirchlichen Gelder zu verfügen sowie
in den ihm von den Konsistorien vorgetragenen Einzelfällen
oder über Beschwerden von Geistlichen oder Laien Entscheidung
zu treffen, sondern wie sehr es ihm stets am Herzen
lag, gegenüber der im Volke zunehmenden Unkirchlichkeit und
offenen Kirchenfeindschaft das kirchliche und religiöse Denken
und Leben zu stützen und zu fördern. In einer Zeit, in der das
deutsche Geistesleben auf allen Gebieten, in der Wissenschaft
und Technik, in der Wirtschaft wie im kulturellen Leben auf
imponierender Höhe stand, aber oft wenig Verständnis für
Religion und Kirche zeigte, und in der andererseits die Auswirkungen
rein materialistischer Lehren auf sozialem und
wirtschaftlichem Gebiet in Klassenhaß, Gottlosenpropaganda