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Ausgabe:

1952 Nr. 2

Spalte:

89-90

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Von den Ungarneinfällen bis zur Beilegung des Investiturstreites 1952

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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89

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 2

90

Bauerreiß, Romuald: Kirchengeschichte Bayerns. 2. Band: Von den

Ungarneinfällen bis zur Beilegung des Investiturstreites (1123). St. Ottilien:
Eos-Verlag (1950). XII, 260 S., mehr. Tat. gr. 8°. DM7.— ; Lw. DM 8.60.
Der 2. Band von Bauerreiß, Kirchengeschichte Bayerns,
umfaßt im wesentlichen nur ein Jahrhundert, das elfte. Wenn
einer fragen wollte, ob genügend Stoff für die selbständige
Schilderung dieses Zeitraumes vorhanden sei, es sich also lohne,
ihm eine besondere Würdigung zuteil werden zu lassen — er
wird bald merken, wie die Menge des Stoffes die vorgeschriebenen
Grenzen zu sprengen droht und oft genug nur
straffste Zusammenfassung zum Ziele führen konnte. Aber
auch die Frage wird sich erheben, bedeutet das 11. Jahrhundert
einen derartigen Einschnitt in die Kirchengeschichte
Bayerns, daß eine gesonderte Betrachtung berechtigt ist, um
so mehr, als der Verf. selbst mit der Schilderung Bischofs
Ulrich und des Investiturstreites über die obige Zeit hinaus-
greift ?

Ich darf wohl erinnern an die Grundsätze, die der Verfasser
bei seinen Arbeiten befolgt. Er sieht ab von einer Zusammenschau
, er greift einzelne Fragen heraus, um diese allerdings
dann um so gründlicher zu behandeln. Dem folgt er auch hier.
Er behandelt zunächst das Leben um die Jahrhundertwende,
das vollkommen durch die Reform bestimmt ist. Daran
schließt sich der äußere Ausbau; der dritte Teil behandelt das
Wirken der bayrischen Kirche außerhalb Bayerns, besonders
auf dem päpstlichen Throne. Den Abschluß bildet der Investiturstreit
. Vor allem tritt das zutage, wenn man die Abteilungen
des „äußeren Ausbau" betrachtet: „Das neue Bistum
Bamberg; die Metropolitanansprüche Passaus; die Anfänge
der bayrischen Archidiakonate; Neue Klöster; Verfassungsrechtlicher
Ausbau." Und doch, dem Leser kommt
sofort der Unterschied vom i. Band zum Bewußtsein. Ein einheitlicher
Gedanke faßt alles zusammen. Es steht alles unter
dem Gesichtspunkt der „Reform". Das ist wohl zu verstehen;
denn dem Verf. gebührt neben den gelehrten Mönchen von
Münsterschwarzach P. Carl Wolff und P. Cassius Hallinger das
Verdienst, zuerst den „ordo Gallicus", der dem kirchlichen
Leben in Bayern in diesem Jahrhundert weithin das Gepräge
gab, klar erfaßt und gewürdigt zu haben. Die wenigen, die
davon Kenntnis nahmen, wie Hauck, suchten ihn als eine Art
Cluniacensischer Bewegung zu deuten. Bauerreiß weist nun
nach, daß es sich hier um die Gorze-Trierer Klosterreform
handelt, die oft im schärften Gegensatz zu Cluny stand. Weltflucht
, Ablehnung des Privatbesitzes, Freiheit in der Abtwahl
waren die Ziele dieser Bewegung. Aber der auf das Innere
vor allem gerichtete Geist (S. 181) zog auch Laien, Adelige,
Fürsten in seinen Bann, zumal die Fragen, die Cluny bewegten
, wie die Investitur keine Bedeutung für diese Reformfreunde
hatte, vielmehr ein enges Band weltliche und geistliche
Obrigkeit umschloß. Eingehend schildert daher der Verf.
die Klöster, die die Mittelpunkte dieser Reform in Bayern
waren: Regensburg; Tegernsee; Niederaltaich; Münster-
schwarzach, die Persönlichkeiten, die vor allem Träger dieser
Bewegung waren, den weiten Bereich derselben, die sich
nach Italien und Norddeutschland ausdehnte und ihre kulturelle
Auswirkung auf Wissenschaft und Kunst (Otloh. Meinhard
) . Äußerst interessant ist es zu sehen, wie sich unter dem
Einfluß dieses Geistes das kirchlich-religiöse Leben gestaltete:
das Aufkommen neuer Heiliger, das Wallfahrtswesen usw. Der
2. Teil: „Der äußere Ausbau" schließt sich organisch an diesen
ersten grundlegenden Teil an. Denn der gleiche Geist erfüllte
Geistliche und Laien. Auch die Kaiser waren Reformer. So
legt denn der Verf. vor allem Nachdruck auf die religiösen
Gründe, die Heinrich II. zur Stiftung des Bistums Bamberg
bewogen haben; der Eifer Wolfgangs von Regensburg um die
kirchliche Organisation von Böhmen und Mähren findet daher
die rechte Beleuchtung und auch Piligrimsl. von Passau Fälschungen
will er in einem milderen Lichte erscheinen lassen. Wie
alle solche Bewegungen, auch diese Gorze-Trier-Reform wird
alt; es kommt zu einer Nachblüte besonders in den Kanonikat-
stiften durch die Passau-Rottenbacher-Chorherren-Reform vor
allem durch Bischof Altmann von Passau. Aber auch sie kann
darüber nicht täuschen; ihre Zeit war abgelaufen. Gerade aus
dieser späten Bewegung entstammen die energischen Vertreter
Clunys in Hirsau. Wie sehr allerdings der alte Refonngeist
die Gemüter beherrschte zeigt die Zeit des Investiturstreites.
Die bayrischen Bischöfe hatten weithin kein Verständnis für
die Kämpfe mit der weltlichen Gewalt (S. 219). Eine Sonderstellung
in diesen Ausführungen nimmt doch der 3. Teil:
„Bayern und Rom" nach der Jahrtausendwende" ein. Der
Gedanke: „Reform" ist zwar nicht verschwunden, aber den
Verf. bewTegt noch ein anderer Gedanke. Bayern ist nach ihm
in jener Zeit in kirchlicher Hinsicht vorherrschend in Deutschland
(S. 253). Die oben geschilderte Entdeckung hat ihn zwar

vor allem bewegt; der andere Gedanke hätte eine ganz andere
Gestaltung erfordert; aber hier ringt sich doch diese Schau
durch.

So erhalten wir denn zwar keine Kirchengeschichte
Bayerns in jener Zeit in jeder Hinsicht; die einzelnen Diözesen
erscheinen nur dann, wenn sie in den Bannkreis der Reform
treten. Aber in geistvoller Weise wird jene Zeit uns vor Augen
geführt. Das umfassende Wissen und die tiefe Conception
geben sich aufs beste die Hand.

Bei solcher Darstellung ist es verständlich, daß man ohne Verweise nicht
auskommt. Das ,,s. 0." oder ,,s. u." ist oft wahrzunehmen. Aber hier sei eine
Bitte gestattet. Es würde dem Forscher viel Mühe ersparen, wenn die Seite
immer angegeben würde. Da das Register auch nur eine Auswahl enthält, ist
es oft schwer möglich, die Hinweise zu eruieren; es hat auch öfters der Drucker
„u" mit „0" verwechselt. So findet sich der S. 151 als „erwähnt" bezeichnete
Wechsel in der Bedeutung der Archidiacone doch wohl erst S. 184. Die Lage
der Stifte in Kreuzform (S. 121) ist erst S. 164 erwähnt. Die Klosterchronik
Williams ist s. 68 und 76 erwähnt. Hier muß das ,,0" dem ,,u" weichen. Von
den Klöstern Goß und Nillstadt, die nach S. 157 ,,oben" schon erwähnt worden
sein sollen, finde ich s. 206 nur ersteres. Das hier genannte Hasungen ist sonst
nicht zu finden; fehlt auch im Register. Die Erlaubnis für den Bischof, die Mitra
zu tragen S. 186, ist wohl schon S. 136 gemeint. S. 211 die Erwähnung
Victor II. findet sich schon S. 200. Druckfehler: S. 59 Z. 19 v.u.: „er".
S. 118 Z. 7 v. 0. u. S. 182 Z. 16 v. 0.: „Propst". S. 90: Anm. 252 ist nicht verständlich
. S. 174 ist eine Anmerkung zu viel; 1 gehört wohl auf S. 173.

Doch sollen diese Bemerkungen nur ein kleines Zeichen
des Interesses sein, das der Rezensent diesem schönen Werk
entgegenbringt.

Nürnberg Karl Schornbaum

Hau, Johannes, o.s.b., u. Nikolaus Irsch: Achthunderl Jahre St.

Matthiaskirche in Trier. Erinnerungsgabe zum 800. Jahrestag der Weihe
von St. Matthias durch Papst Eugen III. Im Auftrage des Festausschusses
dargeboten. Trier: Paulinus-Verlag 1948. 66 S., 16 Taf. gr. 8°. Kart. DM 3.—.

Noch jetzt greift man gern zu dem mit photographischen
Beilagen aus der Geschichte des altchristlichen und mittelalterlichen
Trier ausgestatteten Büchlein, das die Mönche von
St. Matthias zu Trier gelegentlich der 800 jährigen Wiederkehr
der Weihe ihrer Klosterkirche durch Papst Eugen III. am
12. 1. 1148 dargebracht haben. Es ist keine Monographie, die
historisch-kritischen Anforderungen genugtuen könnte oder
wollte. Darum bleiben historische Fragen wie die Geschichtlichkeit
und Herkunft der Matthiasreliquien und -legende, sowie
hinsichtlich der ältesten Geschichte des Christentums in
der Belgica und Germania inferior (Maternus in Trier oder
Köln) fast unberührt. Die Schrift schöpft wesentlich aus der
reichen kirchlichen Tradition. So gibt sie Gelegenheit zur Entfaltung
nicht nur der Legende, der ihre eigene Bedeutung zukommt
, sondern auch zur Darstellung christlich-archäologischer
Funde, der kirchlichen, kunstgeschichtlichen wie literarischen
Bedeutung des alten Trier in den historischen Tagen
wie ihrem Nachklang in der Gegenwart. Für den, der das
alte und heilige Trier liebgewonnen hat, ist es trotz all' seiner
Schranken ein ansprechendes Büchlein.

Königswinter A. Hamel

Franke, Walter: Evangelischer Aufbruch. Berichte zur evangelischen
Kirchengeschichte 1948. Hamburg: Reich & Heidrich [1949]. 128S. 8».
DM 3 .—.

Mueller-Graaf, Carl H., Dr.: Irrweg und Umkehr. Betrachtungen über
das Schicksal Deutschlands. Stuttgart: Reclam [1948]. 262 S. gr. 8°. Kart.
DM 6.80; Hlw. DM 8.50; Lw. DM 10.—.

Seppeit, Franz Xaver: Das Bistum Breslau im Wandel der Jahrhunderte
. Aschaffenburg: Pattloch [1948]. 41 S. m. 1 Titeibl. 8° = Die Schle-
sische Reihe. Werkhefte der Eichendorffgilde, hrsg. v. Rudolf Jokiel. H. 2.
DM 1.50.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Meer, F. van der: Augustinus der Seelsorger. Leben und Wirken eines
Kirchenvaters. [Übers, v. N. Greitemann.] Köln: J. P. Bachem 1951. 786 S.,
24 Abb. auf Taf., 1 Kt. gr. 8°. Lw. D*l 28.—.

Altaner, Berthold: In der Studierstube des Heiligen Augustinus. Beiträge
zur Kenntnis seines schriftstellerischen Schaffens. Freiburg: Herder
1950. 8° = Sonderdruck aus „Amt und Sendung" S. 378—431.

Das Buch v. d. M.s, das uns jetzt durch Ubersetzung bekannt
gemacht wird, ist 1947 in holländischer Sprache erschienen
und in seiner Heimat schon berühmt. Es handelt sich
um eine ungewöhnliche Leistung, die wirklich „eine Lücke ausfüllt
" — in diesem Fall nicht nur eine Lücke auf dem gelehrten