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Ausgabe:

1952 Nr. 2

Spalte:

85-87

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bietenhard, Hans

Titel/Untertitel:

Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum 1952

Rezensent:

Foerster, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 2

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mals zutage gekommene mykotische Keramik chronologisch
zu ordnen, wobei er sich in erster Linie auf typologische und
stilgeschichtliche Kriterien stützt und stratigraphische Argumente
nur nebenbei verwertet. Seine Ergebnisse sind diese:
Die Einfuhr mykenischer Keramik nach Zypern hat zwischen
1450 und 1425 v. Chr. begonnen. In dem Zeitraum von 1425
bis 1300 v. Chr. steigt die Menge mykenischer Keramik vom
Typus Mykenisch III A auf Zypern weiter an. Die Formen
stimmen mit den in anderen Stätten wie Ugarit an der syrischen
Küste und Jalisos auf Zypern gefundenen überein;
wenigstens teilweise handelt es sich sicher um Importwaren.
In der Zeit zwischen 1300 und 1230 v. Chr. wird die Menge
mykenischer Keramik, jetzt vom Typus Mykenisch III B,
noch zahlreicher. Dabei spielt nach wie vor die Einfuhr eine
bedeutende Rolle, wenn auch eine sichere Scheidung zwischen
importierter und am Ort hergestellter Ware nicht immer möglich
ist. Das gilt auch von der Keramik Mykenisch III C, deren
Ende für etwa 1150 v. Chr., also 50 Jahre nach dem Fall von
Mykenai, anzunehmen ist. In dem bis zu der etwa 1050 v. Chr.
anzusetzenden Aufgabe der Besiedelung von Enkomi übrig
bleibenden Jahrhundert sind dann — mit dem Schnittpunkte
1075 v. Chr. — die beiden submykenischen Keramik-Typen,
die vorhanden sind, unterzubringen. In seinem Vorwort stellt
Schaeffer dem Verf. das Zeugnis aus, daß er aus dem auf die
Ausgrabungen von 1946 und 1947 beschränkten Material herausgeholt
hat, was herauszuholen war, deutet aber an, daß
ihn die stratigraphischen Ausgrabungen der Jahre 1949 und
1950 wohl zu einigen Modifizierungen seiner Ansetzungen
nötigen werden.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

NEUES TESTAMENT

Bietenhard, Hans, Privatdozent Pfr. Dr. theoi: Die himmlische Welt im
Urchristentum und Spätjudentum. Tübingen: Mohr 1951. vi, 295 s.

gr. 8° = Wiss. Untersuch, zum Neuen Testament, hrsg. v. J. Jeremias u.
O. Michel. Nr. 2. DM 24.—.

In dieser ursprünglichen Habilitationsschrift fragt B., wie
sich Judentum und Christentum die unsichtbare Welt Gottes
vorgestellt haben. Er fragt nach dem Weltbild und seinem
Zusammenhang mit der Weltanschauung. Die Arbeit füllt
eine Lücke aus. Die gewollte Beschränkung auf das sog. Spätjudentum
und das Urchristentum ist für saubere Erhellung
des Tatbestandes gerechtfertigt. B. weiß aber urn die religions-
geschichtlichenZusammenhänge. Seinen Ausgangspunkt nimmt
er, soweit möglich, bei dem AT.

Das 1. Kap. unter dem nicht ganz passenden Titel „Einführung
" bietet in einem Uberblick über die Quellen zugleich
eine Ubersicht über die jüdische Zählung der Himmel, bespricht
die rabbinischen Namen der Himmel und gibt einen
Abriß über das zugrunde liegende babylonische Weltbild.

Das 2. Kap., „Der gestirnte Himmel", bespricht die gegenüber
den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Griechen
naiven kosmologischen Spekulationen der Pseudepigraphen
und der Rabbinen.

Die Anschauung, daß die Gestirne lebende Wesen sind, ist mit einigen
Stellen belegt, aber ohne zu entscheiden, ob im NT die gleiche Auffassung
vorliegt.

Das 3. Kap., „Zeichen am Himmel", gliedert sich in
„Astrologie" und „Kosmische Erschütterungen bei der
Parusie".

Die von B. leider nur angedeuteten Aussprüche, daß nur Israel nicht
dem Einfluß der Gestirne untersteht, stehen neben solchen, die den Sternen
mehr Einfluß einräumen. Mit Recht lehnt B. es ab, in diesen Zusammenhang
die Forderung nach einem „Zeichen vom Himmel", Mark. 8, 11, zu stellen,
erwägt aber nicht, ob nicht hier „Himmel" Ersatz für Gott ist. Die kosmischen
Erschütterungen bei dem Weltende oder der Weltwende bilden für das NT
und für das Judentum nicht die Hauptsache, doch ist das Interesse an diesen
Dingen deutlich bei der jüdischen Uberlieferung stärker. Man vermißt ein
Wort über die „Kräfte des Himmels", Matth. 24, 29, auf das der Leser nach
der Einführung wartet.

Das umfangreiche 4. Kap., „Der Himmel als Wohnstatt
Gottes", S. 53—100, bespricht auch jüngere jüdische Traditionen
über den Thron Gottes, den Vorhang vor ihm, den
Feuerstrom, der von ihm ausgeht. Daneben hat B. Apk. 4L
gestellt und mit Recht betont, daß Johannes wohl in einer
Tradition stellt, sie aber frei gestaltet hat. Was das Judentum
und das NT grundlegend voneinander trennt, ist die Erhöhung
Jesu zum Thron Gottes; wichtig ist für das NT nicht die Beschreibung
der Himmelfahrt, sondern die eschatologische Botschaft
von der Erhöhung und Wiederkunft.

Dieses Kap. schließt (abgesehen von einem Exkurs über sl. Hen. 24—33)

mit einer Beurteilung der rabbinischen Spekulationen über Gottes Thron. Das
„ma'aseh merkaba war für die Rabbinen ein mysterium tremendum ac fascino-
sum. Der von vier Rabbinen berichtete Eintritt ins Paradies wird mit Recht
auf ekstatische Zustände gedeutet. Der Rationalismus der Buchstabenexegese
verbindet sich mit der Mystik (S. 95). B. wertet in der Linie von Joach. Jeremias
die apokalyptische Literatur als Geheimlehre der Pharisäer. So kommt er
zu der These, daß die Kosmologie für die Apokalyptiker zum Kerygma, für
die Rabbinen zum Geheimwissen gehöre.

Das ähnlich umfangreiche 5. Kap. steht unter der Uberschrift
„Die Engel im Himmel". Angesichts des großen und
komplizierten Stoffes kann und will B. nur summarisch verfahren
. Er handelt über die Engel und ihre Aufgaben, die
Engelklassen, die Völkerengel, den „Fürsten der Welt", den
himmlischen Gerichtshof, den himmlischen Kult und den
himmlischen Lobgesang (S. 101—142).

Leider ist er nicht näher auf die auch von Paulus genannten „Mächte,
Herrschaften, Gewalten" usw. eingegangen, obgleich es sehr nahe gelegen
hätte. Denn diese haben im Judentum stets einen hohen Platz unter den Engeln,
während man sich bei Paulus fragen muß, ob er nicht (wie auch die Apk.
durch ihr Schweigen nahelegen könnte) die Engel als zur reinen Welt Gottes
gehörend von den zur „gefallenen" Schöpfung gehörenden „Mächten" trennt.
Wird für das NT, wie B. später ausführt, der Himmel durch den Sturz Satans
zur reinen Lichtwelt, so ist die Folge die Trennung der „Engel" von den
„Mächten". Schwierig bleibt allerdings die von B. falsch zitierte Stelle Eph.
6, 12 auch in ihrem wirklichen Wortlaut. Auch bei dem, was B. über die Völkerengel
sagt, bleiben Fragen. Nicht nur vermißt man ein genaueres Eingehen
auf die „Wächter" —Damask., das sie (neben anderen Schriften) nennt, ist bei
B. nicht erwähnt, — sondern die Verwertung der gelegentlichen Identifizierung
Satans mit dem Engel Roms scheint mir überbetont. — Aus den rabbinischen
Äußerungen, daß sich der „himmlische Gerichtshof" an den irdischen in seinen
Beschlüssen gelegentlich bindet, schließt B., daß der Jude Gott gegenüber
autonom sei auf Grund der Thora. Dieser Gedanke, der bei B. verschiedentlich
wiederkehrt, scheint mir unglücklich formuliert. Den Ausführungen über das
himmlische Heiligtum, in dem Michael als Hoherpriester Dienst tut, wird in
längeren Darlegungen der Gedankengang des Hebr. gegenübergestellt. Zu
kurz sind die Ausführungen über die jüdischen Parallelen zur Lehre von der
Interzession Christi. Während nämlich von einem Eintreten Michaels für Israel
und von einer Fürbitte der „Väter" bei den Pseudepigraphen und den Rabbinen
reichlich die Rede ist (obgleich B. die Stellen, die eine Interzession der Väter
ausdrücklich ablehnen, nicht genannt hat), scheint das Heil und die Gerechtigkeit
jedenfalls in älterer Zeit nicht auf den Kult Michaels im oberen Heiligtum
zurückgeführt zu sein. Dieser himmlische Dienst Michaels hat keine
Heilsbedeutung.

Ein besonderes — das 6. — Kapitel ist den Henoch-Me-
tatron-Spekulationen gewidmet, mit denen sich im Judentum
die Gefahr zeigte, den Gottesbegriff zu zerspalten, „Metatron
wurde in gnostisierender Weise von Gott getrennt, Christus
wurde durch das dogmatische Denken der alten Kirche nur
immer mehr mit Gott vereinigt." 160.

Das 7. Kap. handelt über den Himmel als Ort der Seligkeit
, des Näheren über das himmlische Paradies (da wäre eine
schärfere Abgrenzung des Paradieses als Zwischen- und als
End-Zustand erwünscht gewesen), die himmlische Akademie
und die Paradiesesvorstellungen der späteren Midraschim.

Hier wird dann auch über 2. Kor. 12, 1 ff. gehandelt und mit Recht
hervorgehoben, daß hier die Kosmologie für Paulus nicht zum Kerygma gehört
. Die Frage nach dem Zwischenzustand stellt sich nach B. als notwendig
dar bei dem Zusammentreffen der Auferstehungslehre mit der griechischen
Lehre von der Unsterblichkeit der Seele (S. 185). Schade ist, daß hier nicht
mehr über Luk. 16, 19—31 und über 2. Kor. 5,1 ff. gesagt ist. Ferner ist zu
fragen, ob man von einem Eindringen griechischer Unsterblichkeitslehre
sprechen kann, ohne den fundamentalen Unterschied zu nennen, der darin
liegt, daß für das Griechentum die Seele etwas vermöge eigenen Wertes Unsterbliches
ist.

Im 8. Kap. ist vom himmlischen Jerusalem die Rede. „Die
jüdische Hoffnung hält hier ... an der Dualität und am
Parallelismus (des irdischen und himmlischen Jerusalem)
fest ; . . . die christliche Eschatologie erwartet die Aufhebung
dieses Parallelismus." (S. 204.) Wenn B. in diesem Zusammenhang
es als einen für das Judentum unvollziehbaren Gedanken
bezeichnet, daß das neue Jerusalem keinen Tempel haben
werde (Apk. 21, 22), so hätte darauf hingewiesen werden können
, daß die Amoräer für die Endzeit ein Aufhören der Opfer
(bis auf die Dankopfer) annahmen (StrB. IV 917. 936L).

Dann folgt (9. Kap.) „der Himmel als Ort der Strafe".
Lohn und Strafe gehören von Anfang an zum göttlichen Weltplan
(ältester Beleg die Baraitha b. Pes. 54 a, nicht erst der
Midrasch zu Ps. 90, den B. S. 207 ob. nennt), so befindet sich
auch der Ort der Strafe im Jenseits, d.h. im „Himmel". Auch
Satan hat dorthin einen Zugang. Mit Recht hebt B. hervor,
daß hier ein grundlegender Unterschied zwischen Judentum
und Christentum vorliegt: für die Christen ist durch die Erhöhung
Jesu Satan aus dem Himmel verbannt, der nun ganz
reine Lichtwelt wird.