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Ausgabe:

1952

Spalte:

81-83

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Text, 1945/49 und Pottery Notes and Plates 1952

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 2

82

ALTES TESTAMENT UND ALTER ORIENT

Glueck, Nelson: Explorations in Eastern Palestine, IV. Part I:

Text. Part II: Pottery Notes and Plates. New Häven: American Schoois
of Oriental Research 1951. (Publ. with the aid of the Jane Dows Nies
Publication Fund.) XX, 711 S. m. 130 Abb. u. 163 Taf. 4° = The Annual
of the American Schoois of Oriental Research, Vols. XXV—XXVIII for
1945—1949. Geb. S 6.— a vol.

Die vorliegenden zwei Halbbände setzen die als Annuals
of the American Schoois of Oriental Research XIV (1933),
XV (1934/5) und XVIII—XIX (1937/39) erschienenen drei
ersten Berichte über die ,,Explorations in Eastern Palestine",
die Nelson Glueck seit 1933 im Auftrag der American School
of Oriental Research in Jerusalem unternommen hat, fort und
schließen sie ab. Hatten es jene mit dem Hochland von Moab,
mit dem Gebirge Edom samt der vom Toten bis zum Roten
Meer sich erstreckenden 'Araba-Senke und ihrem westlichen
Bergland-Gebiet sowie mit ,, Süd-Gilead" zu tun, so behandelt
der vierte Bericht, die Frucht der allen Kriegs- und
Nachkriegs wirren zum Trotz in den Jahren 1939—1940 und
1942—1947 von Glueck unternommenen Forschungsreisen,
den östlichen Teil des Jordangrabens und „Nord-Gilead", d.h.
den zwischen dem Wädi Zerqä (Jabboq) und dem Wädi Jar-
mük (Jarmuk) liegenden Teil des Ostjordanlandes, greift aber
insofern nach Ost und West über diesen Rahmen hinaus, als
er einerseits das sich vom Ostjordanland tief in das Sa'üdische
Arabien hinein erstreckende Wädi Sirhän mit berücksichtigt,
anderseits auch einige Stätten aus dem zwischen Jericho im
Süden und Beth-Sean im Norden sich hinziehenden west-
jordanländischen Streifen nennt. Die dem zweiten Halbband
beigegebene große Faltkarte, auf der die diesmal untersuchten
365 Ortslagen mit Zahlen kenntlich gemacht sind, ermöglicht
einen schnellen Überblick über die Ausdehnung des diesmaligen
Forschungsbereiches.

Der erste Halbband der „Explorations in Eastern Palestine
, IV" berichtet — nach Vorausschickung von Inhaltsverzeichnis
, Liste der im Text gegebenen 130 Abbildungen, Verzeichnis
der Abkürzungen und Vorwort — über die untersuchten
Ortslagen, indem er diese in fünf geographische
Gruppen gliedert, nämlich „Ostliches Gebiet" (Südlicher
Haurän, Wädi Sirhän, Stätten in der Wüste), „Südliches Gebiet
" (Bezirke von Dscherasch und Medwär), „Nördliches Gebiet
" (Wädi Schömer und Wädi Schelläleh), „Westliches Gebiet
: östliche Nebenflüsse des Jordan" (vom Wädi Jarmük im
Norden bis zum Wädi Rädscheb im Süden), „Jordangraben"
(Ostseite des Jordan oberhalb des Wädi Zerqä, zwischen Wädi
Zerqä und Wädi Nimrim, Arböth Moab, Westseite des Jordan
), und die dabei gewonnenen Ergebnisse in einem VI. Kapitel
ganz kurz zusammenfaßt.

Da die Expedition sich unter Verzicht auf Ausgrabungen
auf die Untersuchung des Oberflächenbefundes der einzelnen
Ortslagen beschränkt hat und angesichts der in Betracht
kommenden Stätten — über 1000 im ganzen! — selbstverständlich
auch beschränken mußte, spielen die auf den Stätten
beobachteten und gesammelten Tongerät-Scherben und Feuersteinwerkzeuge
für die Feststellungen über ihre Besiedelungs-
zeiten eine ausschlaggebende Rolle. So nimmt denn, wie in den
ersten drei Berichten, so auch in dem vorliegenden vierten die
Behandlung solcher Fundgegenstände einen sehr breiten Raum
ein. Im ersten Halbband wird jeweilig mitgeteilt, welcher der
vom Neolithikum (7000—4500) über Chalkolitikum (4500 bis
3200), Frühbronzezeit (3200—2100), Mittelbronzezeit (2100
bis 1550), Spätbronzezeit (1550—1200), Eisenzeit (1200—332),
Hellenistische Zeit (332—63 v.Chr.), Römische Zeit (63 v. bis
323 n. Chr.) und Byzantinische Zeit (323—636 n. Chr.) bis zur
Arabischen Zeit (636—1517 n. Chr.) reichenden archäologischen
Perioden, die ihrerseits wieder in Unterperioden gegliedert
sind, die an den einzelnen Stätten gefundenen Gegenstände
angehören, und der sich daraus für Anfang, Dauer und
Ende ihrer Besiedelung ergebende Tatbestand dargelegt, während
der zweite Halbband ganz der Vorführung dieses Materials
gewidmet ist. Hier werden nämlich zunächst auf S. 425
bis 513 die an den einzelnen Stätten gefundenen Objekte in
einer nach dem Alphabet der Fundortsnamen-Anfänge geordneten
Folge unter Verweis auf die S. 515—634 (= Tafel 1—118)
folgenden photographischen Tafel-Abbildungen und die sich
S. 635—681 (= Tafel 119—163) an diese anschließenden Zeichnungen
mit einer kaum zu übertreffenden Sorgfalt genau nach
Farbe, Art des Tons und seiner Verarbeitung, Musterung,
Alter usw. bestimmt. Den Rest des zweiten Halbbandes füllen
Verzeichnisse, die den reichen Inhalt des Werkes auszuwerten
erleichtern, zunächst je eine nach ihren Zahlen und nach dem

Alphabet der Ortsnamen-Anfänge geordnete Liste der Tafeln,
dann eine Liste der Ortsnamen m der Folge der für sie im Text
und auf der Karte gebrauchten Zahlen, weiter ein Verzeichnis
der behandelten Bibelstellen und schließlich ein General-Index,
der neben Sach- Stichwörtern, Forscher-Namen und geographischen
Namen aller Art auch die zur Erörterung gekommenen
biblischen Ortsnamen enthält, darunter in erster Linie die
der mit bestimmten gegenwärtigen Stätten identifizierten
Orte, und damit die Auffindung der in dieser Hinsicht von
Glueck gemachten Vorschläge bequem macht.

Die von der vierten Expedition zur Erforschung des östlichen
Palästina gewonnenen, die der drei vorangegangenen
bestätigenden Ergebnisse, wie sie am Schluß des ersten Halbbandes
kurz zusammengefaßt werden, sind diese: Neolithische
Besiedelung des Jordangrabens; Spuren des ganzen Chalko-
litikums im Jordangraben und sonst im Ost- und Westjordanland
; blühende frünbronzezeitlicüe Kultur im Jordangraben
und im Ostjordanland, die gegen Ende dieser Periode in Nord-
Gilead und im Jordangraben abzusterben beginnt, aber zu
Anfang der Mittleren Bronzezeit eine Neubelebung erfährt,
vielleicht infolge kultureller und ethnischer Einströmungen
von Syrien her; Rückgang der Kultur im Ostjordanland und
im Jordangraben wänrend des zweiten Teils der Mittleren und
des ersten Teils der Spätbronzezeit, also etwa zwischen 2000
und 1300 v. Chr.; dichte Besiedelung des Ostjordanlands und
des Jordangrabeus während der beiden ersten Unterteile der
Eisenzeit (12.—6. Jahrhundert v. Chr.) und — nach einer dazwischen
liegenden Unterbrechung — in der hellenistisch-
römischen und der byzantinischen Zeit; Ursache dieses sich
bis in die Gegenwart erstreckenden Hin und Her zwischen Be-
siedelungs- und Wüstungsphasen im Ostjordanland nicht
Klimawechsel oder sonstiges naturhaftes Geschehen, sondern
menschliche Aktivität und Passivität, bedingt durch die jeweiligen
geschichtlich-politischen Verhältnisse.

Diese Ergebnisse dürfen als gesichert gelten, und ebenso
machen die im einzelnen über die Besiedelungszeiten der untersuchten
Stätten und über deren Identifizierung mit biblischen
Orten vorgetragenen Feststellungen durchweg einen vertrauenerweckenden
Eindruck. Das bedeutet keineswegs, daß nicht
hier und da Anlaß zur Anmeldung von Bedenken gegeben
wäre. So ist die schon früher des öfteren von Glueck geäußerte
und jetzt S. 16 wiederholte Meinung, der ostjordan-
ländische Besitz der Nabatäer mit einer von der Nordspitze des
Toten Meeres nach Osten gezogenen Linie als Nordgrenze und
ihr südsyrisches Territorium mit dem Schwerpunkt im Haurän
und im Dschebel Druz hätten ihre Verbindungslinie ausschließlich
oder doch zum mindesten vorwiegend im Wädi Sirhän
gehabt und nicht etwa in dem — ungefähr mit dem hier in Betracht
kommenden Stück der von Damaskus nach Mekka
führenden Balm, also der Strecke zwischen Qal'at ez-Zerqä
und Ziza — zusammenfallenden „Königsweg" von Num. 21,
22, da dieser durch das Gebiet der Dekapolis geführt und von
ihr leicht hätte gesperrt werden können, kaum haltbar. Denn
in Wahrheit hat sich — wie A. Alt, Das Territorium von
Bostra (Beiträge zur Biblischen Landes- und Altertumskunde
68, 1951, S. 235—245), S. 244, Anm. 25 GluecksfrüherenÄuße-
rungen dieser Art gegenüber dargetan hat — das Territorium
der Dekapolis, genauer: das von Philadelphia und Gerasa, gar
nicht so weit nach Osten erstreckt, daß es jenen „Königsweg"
eingeschlossen hätte. Weiter wäre zu beanstanden die S. 218
im Zusammenhang der im übrigen durchaus überzeugenden
Behandlung der Frage nach der Ansetzung von Jabesch-Gilead
vorgetragene Meinung, Elia habe nach 1. Kön. 19, 15—16
zwar von Jahwe den Auftrag erhalten, Hasael zum König über
Aram, Jehu zum König über Israel und Elisa zu seinem Nachfolger
als Propheten zu salben, habe aber nur den letzten Auftrag
selbst ausführen können, die beiden ersten dagegen laut
2. Kön. 8, 7—15; 9, 1—13 seinem Nachfolger Elisa überlassen
müssen. Denn wenn irgendwo im Alten Testament, so liegt
es hier klar zutage, daß zwei von denselben Vorgängen
handelnde Erzählungen addiert und daß dabei zur Ermög-
lichung dieser Addition Verkürzungen vorgenommen worden
sind, m. a. W.: daß die ursprüngliche Fortsetzung von 1. Kön.
19, 15—16, nach der auch Hasaels und Jehus Salbung durch
Elia vollzogen wurde, weggebrochen und durch 2. Kön. 8,
7—15; 9, 1—13, ein Stück aus der zweiten Erzählung, die
Elisa diese Salbungen vornehmen läßt, ersetzt worden ist.

Während die Bedeutung dessen, was über die Tongefäß-
Scherben und über die Feuerstein-Geräte gesagt wird, also den
Inhalt des zweiten Halbbandes, nur der ganz verstehen und
würdigen kann, der auf diesen Forschungsgebieten wenigstens
annähernd dieselben Erfahrungen und Kenntnisse besitzt wie
Glueck, kann der erste Halbbaud nicht nur von jedem Alt-
testamentler, sondern auch von jedem Bibel- und Palästina-