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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

743

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Gabriel, Paul

Titel/Untertitel:

Das deutsche evangelische Kirchenlied von Martin Luther bis zur Gegenwart 1952

Rezensent:

Söhngen, Oskar

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Seite 1

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743

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

744

königliche Billigung Johann«? III. empfangen hatte, nachdem
Johanns Vorgänger, Erich XIV., den Supremat des Königs von
England über die Kirche in Schweden nachahmen wollte.
Augsburg Leonhard Fendt

KIRCHENMUSIK

Gabriel, Paul, d. Dr.: Das deutsche evangelische Kirchenlied von

Martin Luther bis zur Gegenwart. 2., erw. Aufl. Berlin: Evangelische
Verlagsanstalt [19511. 200 S. 8° = Schriften zur Kirchenmusik der Edition
Merseburger. 1108. Kart. DM6.—.

Endlich liegt Gabriels seit Jahren vergriffene, schmerzlich
vermißte Arbeit wieder vor; aus dem unscheinbaren Heft der
Sammlung „Wissenschaft und Bildung" (Verlag von Quelle
und Meyer. 1. Aufl. Leipzig iqt;) ist bei der Übernahme in die
Edition Merseburger ein stattliches Buch geworden. Durch die
Einführung des neuen Evangelischen Kirchengesangbuches
hat Gabriels Arbeit besondere Aktualität bekommen. Jedem,
der wissenschaftlich oder praktisch mit dem Kirchenlied zu
tun hat, kann man nur den dringenden Rat geben: „Nimm und
lies!" Es handelt sich bei Gabriels Werk nicht um eine umfassende
historische oder literarische Erhebung des Stoffes,
sondern um eine theologische Darstellung. „Das Kirchenlied
kommt von der Kirche und führt zur Kirche" (S. 6). So kann
Gabriel die Tatsache, daß die evangelische Kirche in Deutschland
heute wieder auf dem Wege ist, eine singende Kirche zu
werden, als Teilstück der „großen Bewegung der Heimkehr
der Kirche" bewerten: „Das Wort Gottes wird, um mit J. A.
Bengel zu reden, wieder gehört, wie wenn es noch nie gehört
worden wäre" (S. 5). Diesem grundlegenden Zusammenhang
zwischen Wort Gottes und Kirchenlied spürt Gabriel auf jeder
Seite .seines Buches nach; darum kann seine Behandlung des
Lutherliedes in der Feststellung gipfeln, Luther stelle alles,
auch sein Lied, auf die im Worte Gottes verkündigte Liebe
Gottes zum Sünder ab und das reformatorische „allein" spiele
in seinen Liedern keine geringere Rolle als in seinen theologischen
Schriften, darum kann von der „angewandten Dogma-
tik" Ambrosius Blaurers und von der „seelsorgerlichen Zielsetzung
" des Straßburger Dichterkreises die Rede sein, darum
ist Gabriel die Beobachtung wichtig, daß sich im reformatorischen
Liede des südwestdeutschen Raumes der Akzent stärker
auf den „Nutzen", die „Zucht" lege, es zeichne sich auch
die Märtyrerkirche schärfer ab; darum kann die Aktualität Johann
Heermanns in einem Dreifachen erblickt werden: daß er
uns lehre, die Bibel zu lesen, daß er uns beten lehre und daß er
uns lehre, wie der Glaube im Leben verwirklicht werden will.
Uber solcher theologischen Analyse wird derHvmnologerftzum
Hymniker. Es bereitet einen hohen Genuß, Gabriels Buch zu
lesen. Die Darstellung beruht in allen Teilen auf fleißiger und
zuverlässiger Forschung, die einzelnen Urteile sind klug und
wohlerwogen, und es finden sich Formulierungen darunter,
die klassisch genannt zu werden verdienen. Weil der Verfasser
mit Energie die These verficht, daß die Geschichte des Kirchenliedes
keineswegs nur eine Geschichte des Abfalls sei, behandelt
er die einzelnen Epochen des Kirchenliedes (Das Lied der Reformationszeit
1523—1570, Das Bekenntnislied 1570—1647,
Das Erbauungslied 1647—tjc,o, Das Kirchenlied in der Zeit
der Aufklärung i7s°—1819, Die Entdeckung des alten Liedes
und das neue Lied), wenn auch — verständlicherweise — nicht
mit gleicher Liebe, so doch mit gleichem wissenschaftlichem
und seelsorgerlichem Verantwortungsbewußtsein. Weil aus
dem Rahmen des Üblichen herausfallend, sind insbesondere
die eingehenden Würdigungen Joachim Neanders, Gerhard
Tersteegens und der zeitgenössischen Dichter (Rudolf Alexander
Schröder, Jochen Klepper, Otto Riethmüller, Heinrich Vogel
, Arno Pötzsch) dankenswert.

Einige kleine kritische Anmerkungen: Das „Wittenberger Enchlridion"
(S. 17) ist in Wahrheit ein Nürnberger Enchlridion des Jobst Outknecht aus den
Jahren 1523 und 1524. Der Ausdruck „Wechselgesänge" auf S. 17 ist zu unbestimmt
; hier sind doch wohl ausdrücklich Antiphonen gemeint. Ober Luthers
Anteil an den Weisen seiner Lieder (S. 41) läse man gern mehr und Positiveres,
— in erfreulichem Einklang mit den Ergebnissen der neueren Forschung. Unter
den Liedersängern des Französischen Psalters (S. 68) müßten neben Louis
Bourgeois auch Guillaume Franc und Pierre Dagues genannt werden, die wir
heute zu den bedeutendsten Melodisten derevangellschen Kirche rechnen dürfen.
Berlin Oskar Söhngen

Söhngen, Oskar, oberkonsistoriairat: Die Zukunft des Gesangbuches.

Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1949]. 80 S. 8° - Schriften zur Kirchenmusik
der Edition Merseburger 1103. DM 2.40.

Die „Zukunft des evangelischen Gesangbuches", für die
einer der beiden Hauptträger der gesamtkirchlichen Bemühung
um diese Sache hier 1949 die Richtlinien zeigte, ist inzwischen
mit der Einführung des „Evangelischen Kirchengesangbuches
" in einigen deutschen Landeskirchen zur Gegenwart geworden
. Mit einer Einschränkung allerdings: das „Gesangbuch
aus einem Guß" (77), für das Söhngen mit starken Gründen
plädiert, hat sich nicht durchgesetzt; die von S. einleuchtend
kritisierte Zweiteiligkeit des Gesangbuchtypus der großen Reformzeit
der 1920 er Jahre ist in der kaum verhüllenden Gewandung
der einzelkirchlichen „Anhänge" (z.B. Berlin-Brandenburg
, Land Sachsen) wiedergekehrt. — Wie immer auch
über das nun vorliegende neue Gesangbuch mit seinen 394
gemeindeutschen Liedern geurteilt werden mag, Söhngens
Schrift behält bleibendes Gewicht, zunächst vermöge der vor
bildlich durchsichtigen Darstellung der Vorgeschichte des
neuen Buches einschl. des bösen Zwischenspieles der „deutschchristlichen
Gesangbuchrevolution" (57 ff.), noch mehr jedoch
dank der einzigartigen theologischen und kirchengeschichtlichen
Klarheit, in der hier (10—25) das Wesen des im rechten
Gesangbuch maßgebenden Kirchenliedes dargelegt ist: seine
Wurzelung im gottesdienstlichen Bekenntnis, seine Funktion
als einübende und werbende Verkündigung des Evangeliums,
seine „Aktualität", nicht zuletzt seine in der Reformation bewährte
Verwandtschaft mit dem echten Volkslied.

Die verdiente hymnologische Forschung der letzten 130
Jahre, aus deren Schätzen der Verf. mit geübter Hand schöpft,
hat trotz aller rühmlichen Einzelerträge dieses Weseusgesetz
des evangelischen Chorals, in seiner Sonderart gegenüber dem
allgemeineren Typus des „geistlichen Liedes", kaum irgendwo
in so überzeugender Synthese von Grundsätzlichkeit und lebendiger
historischer Anschauung herausgestellt, wie es in
diesem, zunächst unmittelbaren Tagesaufgaben gewidmeten
Büchlein geschieht. Darum sollte es, über die aktuelle Veranlassung
hinaus, von der evangelischen Theologie festgehalten
werden als ein Muster akademisch-hvmnologischer Unterweisung
für die künftigen Diener der Kirche, in erster Linie für
unsere Studenten.

Um aus dem Reichtum seiner Erkenntnisse nur eines herauszuheben
: Söhngens Bekenntnis zu der klassischen Bedeutung
des reformatorischen Chorals für Wesen und Bestand des
Kirchenliedes überhaupt wird nur noch glaubwürdiger dadurch
, daß er den „prinzipiellen Archaismus" (46), der die
Philologie zum Letztmaßstab der Gesangbuchgestal hing für
heute erklärt, kräftig in die Schranken weist und daß er zur
„seligierenden Mitte" des Gesangbuchs (77) die Glaubens- und
Anfechtungslage der heutigen Gemeinde macht. — Warum
angesichts dieses Kanons das neue Gesangbuch, so wie es nun
vorliegt, dennoch zum überwiegenden Teile die „alten" Lieder
des 16. und 17. Jahrhunderts (mit bewußter Wiederanfügung
des besten altpietistischen Liedgutes) darbietet und für das
„neue Lied" unserer Tage wenig Raum hat, das mag, ja muß
ernstlich gefragt werden (vgl. dazu K. Ihlenfeld, Poeten und
Propheten 1951, S. 387fr.: „Ein neues Gesangbuch?"). Doch
so gewiß diese Frage auch eine Schuldfrage sein wird: die
„Schuld" an diesem Vorherrschen des alten Liedes trifft nicht
die Väter des jetzt gewonnenen Gesangbuches. Mitten in der
Armut unserer (trotz allen Singfreizeiten mehr seufzenden als
jubelnden) heutigen Gemeinde freuen wir uns dankbar dieses
zeitüberdauernden „Schatzes der Kirche". Dichter wie Rtidolj
A. Schröder haben schon den Tatbeweis geliefert: am Beispiel
dieses „alten" Singens und Betens erwachen und wachsen
auch die Kräfte zum neuen Singen.

Halle/S. Martin Doerne

Bach, Johann Sebastian: Choralgesänge. Für vierstimmigen Chor. EWe

Auswahl von neunz'g Sätzen gemeinsam mit H. O. Schönlan hrsg- *■

A. Adrlo und O. Grote. Berlin: F.vang. Verlagsanstalt [1950]. XIX>

104 S. 4" - Edition Merseburger 331. kart. DM 6.—.
Kantate-Mappe 1950 mit Werken von Johann Sebastian Bach. r.'rt"-

Evang Verlagsanstalt [1950]. 10 Bl. zu je 4 S. 4° - Edition Merseburgs

714 DM3.60.

[Matthäus:] Das Leiden unseres Herrn Jesu Christi nach dem Evangelisten
Matthäus. Musik von Johann Sebastian Bach. Hrsg v. Arbn
kreis f. Kantate - Oottesdienste Im Oesamtverband d. Berliner Inner
Mission. Berlin: Christi. Zeitschriftrnv-rhg [1949] 28 S m. Abb. 8 .

Schütz, Heinrich: Geistliches Konz»rt: Freuet euch mit mir. L"kns' „()'
9, 10 für zwei Singstimmen mit zweistimm!gem Chor ad libitum
Oeneralbaß. Hrrg. v. Hans Engel. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [!»
8S. 4° - Edition M"rs»burger 925. kart. DM2 25, Chorpartitur DM ■

— Herr, höre mein Wort. Psalm 5 für Solostimmen, drppelchörgcn Sc 1
chor, Generalbaß (Orgel) und Instrumente ad libitum. Hrsg. v. Hans En
Berlin: Evang. Vcrlagsanstnlt [1950] 13 S. 4° - Edition Merseburger
kart. DM3.60, Chnrpirtitur DM —.50. buci,.

Singt Lob und Dank. Evangelisches Jugend- und Schulg''9''in'(,rSI,.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1950], 128 S. m. Abb. kl.8° - Edition M
burger 329. kart DM 1 60. M0.

Stier, Alfred i Fünfzig Geistliche Kanons und eine kanonische

tette. Berlin: Evang. Verlagsnnstalt [1950]. 31 S. 12,5 x 20,5cm - B
Merseburger 432. kart. DM 1.80.