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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

741-743

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Cnattingius, Hans Jacob

Titel/Untertitel:

Johannes Rudbeckius och hans europeiska bakgrund 1952

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

742

Calvin interpretiert hat und einen Unterschied zwischen Calvin
und dem Zeugnis der Heiligen Schrift sieht, das ja für Calvin
die einzige Quelle und Richtschnur in der Prädestinationslehre
sein will. So wird eine heutige Behandlung der Prädestinations-
lehre Calvins schlechterdings nicht an der von Barth gebotenen
Prädestinationslehre, insbesondere der Reprobationslehre vorbeigehen
dürfen. Warum ist das hier aber geschehen ?

Münster p. Jacobs

CnattingiUS, Hans: Johannes Rudbeckius och hans europeiska bak-
grund. En kyrkorättshlstorisk studio. Uppsala: Lundequistska Bokli. Leipzig:
Harrassowitz 1946. 237 S. gr. 8° - Uppsala Universitets Arsskrift 1946:8.
Dieses Buch gehört in die Reihe folgender Werke, welche
es voraussetzt: I.Hans Lundiu, Johannes Baazius' kyrkliga
reformprogram, 1944 (s. ThLZ 1948, 5, Sp. 294); 2. Sven
Kjöllerström, Kyrkolagsproblemet i Sverige 1571—1682,
1944/45; 3- Johannes Heckel, Cura religionis. Jus in sacra.
Jus circa sacra. Festschrift Ulrich Stutz, 1938; 4. Cnattingius
, Hans, Den centrala kyrkostyrelsen i Sverige !i6i 1—1636
(1939). Lundiu zeichnete in dem genannten Werke den
europäischen Hintergrund des Reformprogrammes des älteren
Johannes Baazius (1583 —1649) — nun erforscht Cnattingius
den europäischen Hintergrund der kirchenrechtlichcn
Anschauungendes Johannes Rudbeckius (1581—1646), Professor
in Uppsala, dann Bischof von Västeräs). Es handelt
sich um den Kirchenkampf, welchen Rudbeckius gegen
jenen Plan Gustav Adolfs und Oxenstiernas führte,
ein aus Geistlichen (nicht einmal aus lauter Bischöfen)
und Laien „gemischtes" Oberkonsistorium (consistorium generale
) einzusetzen. Gerade der genannte Baazius war für den
königlichen Plan. Doch kämpfte Rudbeckius gegen Baazius
nur auf einem Nebenkricgsschauplatze, der Hauptfeind war
das ,,landesherrliche Kirchenregiment", wie es im 17. Jahrhundert
in Deutschland anzutreffen war und dort theologisch beredet
wurde. Rudbeckius war überzeugt, der König wolle über
jenes gemischte Oberkonsistorium hinüber entgegen der schwedischen
Bischofskirche das „landesherrliche Kirchenregiment"
in Schweden heraufführen. Jedenfalls täuschten sich Rudbeckius
und seine Parteigänger im Falle Baazius. Baazius
wollte keineswegs die schwedische Bischofskirche abtun, sondern
sie durch Beteiligung der Laien an den Gemeinde-, Provinz
- und Landesaufgaben der Bischofskirche reformieren. Es
ist wohl möglich, daß der König dasselbe wollte wie Baazius,
als er im Gange der politischen Zentralisierung auch für die
Bischofskirche eine Zentralinstanz in Gerichtssacnen der Geistlichkeit
, eine Inspektion über die Bischöfe, Priester, Domkapitel
, eine Superintendenz über die sich in den Händen der
Geistlichkeit befindlichen Kulturinstitute (Universität, Schulen
, Druckereien, Hospitäler, Waisenhäuser, im Ausland studierende
Schweden) plante, eben das Oberkonsistorium, eben
das „gemischte" Obcrkonsistorium! Cnattingius hat für diese
Möglichkeit ein Ohr. Aber er zweifelt nicht, daß die deutsche
Ordnung des 17. Jahrhunderts dem Könige in die Augen gestochen
hatte; daß es dem Könige um die Verschärfung der
politischen Macht über die Kirche Schwedens zu tun war, also
fetztlicb um die Errichtung eines Zentralorgans im Dienste der
Krone. Und diese Absicht spürte Rudbeckius heraus. An einer
bischöflich besetzten Zentralinstanz hätte er nichts auszusetzen
gehabt, erst recht nicht an einer Bischofssynode — dazu hätte er
auch Laien eingeladen; aber gegen eine Dauerinstanz mit gemischter
Besetzung (r> Geistliche, davon nur 3 Bischöfe — 6 Königsmänner
aus dem Laienstande), dagegen stemmte sich Rudbeckius
mit aller Theologie und aller kirchenrechtlichen Potenz.

Nun diese Theologie, diese kirchenrechtliche Potenz
stammte bei Rudbeckius und seinen Anhängern aus dem Luthertum
Deutschlands. Darauf weist Cnattingius mit Nachdruck
hin: In Deutschland, in Schweden dieselbe Theologie,
a«s welcher die kirchenrechtliche Theorie gespeist wurde. Aber
auch bei Baazius dieselbe Theologie! (Das zeigt Lundin.)
Diese, Schweden und dem lutherischen Deutschland gemeinsame
, Theologie meint hier weniger die gemeinsame Orthodoxie
, als die speziellen Theologuniena, auf welche sich die kir-
flienrechtlichen Theoretiker beriefen. Und diese Theologumena
Kamen von Melanchthon her, welcher hier eine einzigartige
Größe bewies. Aber diese melanchthonischen Linien hatten im
IG- Jahrhundert ein gut melanchthonisches Kirchenrecht gereist
, für das 17. Jahrhundert lautet das Urteil recht verschieden
. Jedenfalls kann man diese melanchthonischen Theologumena
und dickirchenrechtlichenFolgerungen daraus ausgezeichnet
bei Jol 1 an 11 es H e c k e 1 studieren, bei Hans L u n d i n, bei Sven
kjöllerström, bei Hans Cnattingius, am besten bei allen
.Usaiiimcn. Es sind aber bei diesen Autoren einige Differenzen
111 der Auffassung zu konstatieren, welche die Etappen des Kir-
chenrechts, die Rolle des reformierten Heidelbergers David

Parens (1548—1622) für das Kirchenrecht des 17. Jahrhunderts
und für Gustav Adolf und Oxenstiernabetreffen. Cnattingius
verneint, daß Pareus und Joh. Gerhard eine neue
Epoche des Kirchenrechts heraufführten, nur eine neue Welle
der Terminologie gibt er zu; ebenso verneint er, daß Gustav
Adolf und Oxenstierna sich auf Pareus bezogen.

Eine andere Seite der Sache ruft bei Cnattingius etwas wie
Kistaunen hervor: Rudbeckius stand mit derselben Spczial-
theologie für die schwedische Bischofskirche ein, mit welcher
die deutschen Lutheraner für das „landesherrliche Kirchenregiment
" theologisierten! Und hier meint Cnattingius: Rudbeckius
war konsequenter als die Deutschen. Weil, sagt er, die
Deutschen auf ein bestehendes Kirchenregiment Rücksicht
nahmen. Aber hat nicht auch Rudbeckius auf ein bestehendes
Kirchenregiment Rücksicht genommen, in seinem Falle auf die
schwedische Bischofskirche ? Dennoch hat Cnattingius in etwa
recht. Nämlich die deutsche landesherrliche Kirchenart des
17. Jahrhunderts war auf keinen Fall melanchthonisch, geschweige
denn konsequent-melanchthonisch. Aber ob das die
schwedische Bischofskirche war ? Rudbeckius meinte es gewiß,
aber die Sache ist viel komplizierter, als Rudbeckius meinte,
weil Rudbeckius komplizierter war als Melanchthon — eben
nach der Zeichnung von Hans Cnattingius. Heute gibt man in
Schweden selbst zu: Die schwedische Bischofskirche ist in ihrem
Entstehen ein Rest Mittelalter, welcher Rest durch besonders
günstige Umstände ausgespart war, bevor die Theologie
und die kirchenrechtlichc Theorie, eben die Melanehthons, au
diesem Rest ausprobiert wurde. Man vergleiche doch z. B. Sven
Kjöllerström: Svenska förarbeten tili kyrkoordningen av
är 1571, cap. 1. Anderseits: auch die deutsche Fürsten- und
Magistratskirche des 17. Jahrhunderts war entstanden aus dem
Zugriff, welchen das 16. Jahrhundert den politischen Gewalten
noch offen ließ, bevor die Theologen einteilten und austeilten
. (Denn Melanehthons kirchenrechtliche Anschauung
wurde maßgebend für die lutherische Theologie des ganzen
16. Jahrhunderts — aber nicht für das wirkliche Verhalten;
sagt Lundin.) So ist in Schweden wie in Deutschland zu konstatieren
: Die Theologie kam nachher, und so blieb ihr die Nebenrolle
dauernd, so stark die Würdebezeichnungen waren! So
redet man besser nur von einer „relativen" Konsequenz bei
Rudbeckius; aber von dieser darf man reden, da Melanehthons
Aufriß in der Tat mehr zu einer Bischofskirche paßt als zu anderen
Lösungen, ganz zu schweigen von der Landesherren-Kirche
. Rudbeckius berief sich auf die Bibel, auf die ecelesia primi-
tiva und auf die KO. von 1571. Diese Bibelauslegung ist keineswegs
durchschlagend, und die ecelesia primitiva ließ er sich
durch die Magdeburger Centurien vorzeichnen: so identifiziert er
treuherzig die ecelesia primitiva mit der vorpapalistischen Bischofskirche
und hält die christlichen Kaiserdes 4. u. 5.Jahrhunderts
für Muster, denen der Schwedenkönig nacheifern müßte.

Was Cnattingius an Eigentümlichkeiten bei Rudbeckius
aufführt, gehört in die „relative Folgerichtigkeit" und sucht sie
zu verstärken, wenn es sein muß mit Reformiertem, mit dem ins
canonicum, mit Marsilius von Padua. So hält Rudbeckius zwar
an der gesamtkirchlichen Deutung von Mt. 28, 19; 19, 16 fest,
urteilt aber: diese (und ähnliche) Stellen seien „in specie et pe-
culiariter ecclesiae doctoribus et ministris" gesagt. So betont er
das geistliche Amt stärker als die Reformation. So hat er eine
Tendenz, die Kirche anstaltlich zu sehen und zu zeichnen. So
sieht er im Kirchenrechtlichen (nicht in der Predigt) vom Allgemeinen
Priestertum ab. So stattet er das geistliche Amt mit
der ganzen Fülle des in Schweden Herkömmlichen aus. So bezeichnet
er das Synedrium des AT als geistliches Konsistorium,
während es lutherischerseits gewöhnlich als consistorium mixtum
genommen wurde. So redet er nicht gern von den Prärogativen
des Schwedenkölligs der Kirche gegenüber, ohne die seit
der Reformation dem König zustehende Einflußnahme traditioneller
Art zu leugnen (aber das geplante gemischte Oberkonsistorium
wäre eben etwas Neues gewesen). Zu all dem paßt
auch, was Cnattingius im IV. Kapitel über die Stellung Rudbeckius
' zur Regierung des Stifts und zum Domkapitel, zur
Pfarreinsetzung und (im V. Kapitel) zu den Privilegien des
geistlichen Standes berichtet. Man wird urteilen müssen: Rudbeckius
war ein konsequenter Episkopalist im Stile (nicht im
Sinne) des mittelalterlichen Episkopats — und man darf ihn
mutatis mutandis trotz allem den großen Erzbischöfen von
Lund Jacob Erlandsen und Jens Grand an die Seite stellen (vgl.
über sie Niels Knud Andersen, Aerkcbiskop Jens Grand,
I 1943, II 1944)-

Der deutsche Leser möge zur Würdigung Rudbeckius' beachten
, 1. daß Schweden den Augsburger Religionsfrieden
nicht anerkannt hatte; 2. daß es 1539—1543 die Epoche Norman
durchgemacht hatte; 3. daß die KO. von 1571, ausgearbeitet
vom Erzbischof, in einer glücklichen Stunde endlich die