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Ausgabe: | 1952 Nr. 12 |
Spalte: | 731-735 |
Kategorie: | Neues Testament |
Titel/Untertitel: | In memoriam Ernst Lohmeyer 1952 |
Rezensent: | Fascher, Erich |
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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12
7:12
Geburt eines Volkes aus der Erfahrung des Heils. 2. Der Bund:
In Dankbarkeit für die Errettung verspricht das Volk Gehorsam
und Gottesdienst. 3. Die missionarische Berufung des
Volkes voll verwirklicht nur in einer Zeit des Leidens. 4. Das
Volk mit der missionarischen Berufung wird reduziert zu „dem
Knecht", „dem Rest", der das Heil für das Volk und die Welt
ausrufen soll. Der Grundgedanke dieser Beziehung ist folgender
: Israel ist von Anfang an zu einem missionarischen Dienst
berufen. „Das wirkliche Ziel Israels war nicht nur die Gegenwart
Gottes unter seinem Volk in Zion, sondern das Predigen
seines Namens zur Welt." Diese Bestimmung prägt sich besonders
aus in der prophetischen Linie, die durch die ganze
Geschichte Israels hindurchgeht. Dagegen hat die priesterlich-
kultische Linie, je mehr sie die Kraft des Volkes konzentriert
auf exakte Erfüllung seiner Kultpflichten, das Zurücktreten
der missionarischen Aufgabe zur Folge. Darin ist es begründet,
daß der missionarische Ruf an Israel (den Deuterojesaja in der
Exilzeit erhob) in der nachexilischen Zeit, als die kultische
Linie in den Vordergrund trat, nicht mehr gehört wurde. So
konnte dieser missionarische Ruf erst von Christus und seiner
Gemeinde neu gehört und jetzt wirklich erfüllt werden. Dabei
wird der Knecht verstanden als „ein Teil des exilierten Israel".
„Der Knecht ist ein Rest". Auf die kultisch-mythische Bedeutung
weiter Teile des AT, wie sie heute von vielen skandinavischen
Forschern vertreten wird, geht der Verfasser nur einmal
kurz ein, und zwar mit größter Zurückhaltung. Er zitiert
aus dem Sammelband von Hooke die Arbeit von Oesterley
und sagt dazu: „Das Hauptelement, der Tod und die Auferstehung
des Gottes, würden für die Verehrer Jahwes ganz unannehmbar
sein, und es ist ganz und gar nicht wahrscheinlich,
daß es jemals von ihnen auch zu vor-jahwistischer Zeit angenommen
worden sei."
Berlin C.Westermann
NEUES TESTAMENT
[Lohmeyer-Gedenkschrift:] In memoriam Ernst Lohmeyer. Hrsg.v
Werner Schmauch. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1951]. 376 S., 1 Titelb
8°. kart. DM 18.50; Lw. DM 22.—.
25 Fachkollegen und Freunde haben sich zu Beiträgen in
diesem Bande vereinigt, der ursprünglich eine Ehrung dessech-
zigjährigen Ernst Lohmeyer werden sollte und nun zu einem
Gedächtnisband für den 56jährigen wurde, den Gottes Ratschluß
im Herbst 1946 aus dem Dunkel dieser Zeit in Seinen
Frieden rief. Es ist schwer, die Fülle der Gaben, denen der Herausgeber
Werner Schmauch ein Gedenkwort (S. 9—16) vorausgeschickt
hat und denen eine kurze Ubersicht „Vita et Opera"
(S. 19—21) vorangestellt wurde, auch nur einigermaßen gleichmäßig
nach ihrem Inhalt zu skizzieren, da es die Grenzen einer
Rezension überschreiten müßte, sich mit den einzelnen Aufsätzen
inhaltlich auseinanderzusetzen oder auch nur ihren Gedankengang
einigermaßen genau wiederzugeben. War schon
die Spannweite des Lebens und Schaffens Ernst Lohmeyers ungewöhnlich
groß und sein Lebenswerk — wovon die auf S. 368
bis S. 375 abgedruckte Bibliographie Zeugnis ablegt — sehr
reichhaltig, so ist auch der Kreis der Gedenkenden keineswegs
auf wissenschaftliche Fachkollegen im engeren und weiteren
Sinne beschränkt.
Wenn Prof. Clemens Schäfer (jetzt Köln) seinen auch Laien verständlichen
letzten Breslauer Vortrag über „Die Problematik der modernen Physik"
(S. 309—328) beisteuerte, dem ein Brief an einen Theologen zum Thema „Physik
und Glaube" von Erwin Fues folgt (S. 329—336), wenn Karl Peters „Die
religiösen Kräfte in der Jugendfürsorge" (S. 274—293) mit ernstem Hinweis
auf die Gefahr der Verwahrlosung unserer heutigen Jugend erörtert und Prof.
Hartmut Lohmeyer von der Faruk Universität Alexandria, der Sohn des
Verewigten, zielbewußt „Grundfragen des Städtebaus" (S. 294—308) behandelt
, indem er angesichts der Erfahrungen der beiden letzten Kriege eine Abkehr
von bisherigen Baumethoden und eine Abwendung vom Autoverkehr hin
zu einer modernisierten Eisenbahn fordert, so haben wir damit einen äußeren
Kreis gekennzeichnet, der sich nicht bloß aus Verwandtschaft oder Freundschaft
zu solchem Beitrag bereit fand, sondern sich wohl bewußt war, daß Ernst
Lohmeyer, hätte er als lebender Sechzigjähriger diese Beiträge gelesen, „mit
seiner Geöffnetheit und seinem Verständnis für wissenschaftliche Probleme
aller Art" (Vorbemerkung zu Clemens Schäfers Beitrag) diese Freundesgaben
mit „großem Interesse" gelesen haben würde.
Wenn man theologiegeschichtlich Ernst Lohmeyer als den
Ferdinand Christian Baur unseres Zeitalters gekennzeichnet
hat, obwohl — wie Werner Schmauch mit Recht hervorhebt —
Lohmeyer unter den Fachkollegen seiner Zeit ein ganz Eigener
war, wie z. B. seine Kommentare zum Markusevangelium und
zur Offenbarung Johannis und zum Philipperbrief erweisen, die
man bei allen Bedenken gegen bestimmte grundsätzliche Betrachtungsweisen
Lohmeyers wegen der Feinheit ihrer Deutungen
im einzelnen und eines ausgezeichneten Stilgefühls nur
mit großem Gewinn durcharbeiten kann, dann verstellen wir,
daß sich ein Kreis von Beiträgen zur Geistesgeschichte im weiteren
Sinn anschließt, der im Blick auf die heutige Situation
Wertvolles beizusteuern hat.
So behandelt Joachim Konrad „Moralismus und Nihilismus" (S. 261 bis
273) in Anknüpfung an Nietzsches Wort aus dem „Willen zur Macht": „Man
glaubt mit einem Moralismus ohne religiösen Hintergrund auszukommen, aber
damit ist der Weg zum Nihilismus notwendig". Er zeigt, daß damit „das entscheidende
kritische Wort gegen Kant gefallen war", sah doch „der Atheist
Nietzsche in der Emanzipation der Moral von der Religion, also im Autonomie*
gedanken, die Heraufkunft des europäischen Nihilismus, in dem wir bis zum
Versinken drinstehen" (S. 262). Und war es doch — gegen das Neue Testament
und gegen Luthers tiefe Einsichten — „der verhängnisvolle Fehler des großen
Königsbergers", verkannt zu haben, daß es um den ganzen Menschen geht und
„seine Freiheit aus der schicksalhaften Umgriffenheit seiner Existenz und des
Sinnes seines Existierens vor Gott nicht zu isolieren ist". Umbesinnung in Form
der Buße — das ist die positive Konsequenz, die theologisch aus Nietzsches seherischem
Wort zu ziehen ist. (273).
Heinrich Vogel stellt uns klar „Die Menschenrechte als theologisches
Problem" vor Augen (S. 337—351), erörtert die aus einem Rechtspositivismus
erwachsene Not des Rechtsnihilismus, die wohl keinen Rückgriff auf Naturrechtstheorien
mehr gestattet, sondern nur durch ein Wissen darum überwunden
werden kann, daß der Mensch Gott gehört, so daß „jeder Totalitätsanspruch
der Menschen auf den Menschen ein Eingriff in das Majestäts- und Gnadenrecht
Gottes ist". Für die Kirche fordert er, daß sie nicht an Menschenrechten,
die für alle Orte und Zeiten gelten, interessiert sei, sondern „an dem Rechtsschutz
des Menschen hier und heute, genau an der Stelle, wo er der Verteidigung
bedarf und wo die menschliche Gemeinschaft in ihrer Rechtsvoraussetzung in
Frage gestellt ist". Ernst Wolf: „Christlicher Humanismus?" (S. 352—367)
setzt hinter alle idealistisch-humanen Bestrebungen mit christlicher Verbrämung
ein deutliches Fragezeichen, in Anknüpfung an W. Kamlahs Kritik, mit
Kritik an des greisen Fr. Meinecke Vorschlag, durch christlichen Humanismus
„den deutschen Geist zu retten", in Übereinstimmung mit Reinhold Schneider
und Abgrenzung zugleich, um aus reformatorischem Verständnis der Evangelien
den Protest gegen jeglichen idealistischen Humanismus anzumelden „der
auf eine besondere vollkommene geadelte Gestalt des christlichen Menschen
hinstrebte" und damit gegen alle „Rettungsprogramme" von heute (christl.
Politik, bekenntnismäßiges Schulwesen). So sehr die Kirche politische Mitverantwortung
ergreifen muß, weil sie um die Notwendigkeit des Staates weiß,
so wenig darf sie der Versuchung verfallen, dabei ihre eigene Sache wirksam
vertreten zu wollen durch ideologische Konzeptionen wie die eines christlichen
Naturrechts oder eines christlichen Humanismus. Daß Wolf dabei gegen christliche
Parteien ist, zeigt seine Zustimmung zu E. Moniers hartem Urteil, daß die
christl.-demokratischen Parteien Europas „nur eine Geschwulst am kranken
Körper des Christentums" seien, drohen sie doch, anstelle eines „Heiligen Römischen
Reiches" eine zweideutige Art von „Heiliger Demokratie" zu setzen.
„Wo es um die Würde des Menschen geht, da geht es um die Wahrheit, nicht
um Werte". So hat sich aller christlicher Humanismus fragen zu lassen, ob er
„der Versuch einer heimlichen Selbstbehauptung des anständigen Menschen sei
oder williger Gehorsam gegen Gottes Wort in allem", gemäß 1. Kor. 1,30.
Sechs namhafte Vertreter des Auslandes haben Beiträge
beigesteuert.
Sherman E. Johnson erhellt mit Hilfe synoptischer Szenen
die Situation Galiläas im ersten Jahrhundert und Jesu
Stellung zu den Pharisäern und nationalen Revolutionären,
zur eschatologischen Hoffnung und setzt sich mit Lohmeyers
Deutung von Mt. 6 auseinander. Seine Einstellung kommt etwa
in einem Satz wie diesem zum Ausdruck: „Jesus, as pictured U»
these old stories, neither rejects the religious traditioii of h)S
people outright nor founds a sectarianmovement. Hiscrlticlstö
is directed against specific abuses and perversions which he
finds contrary to the spirit of the Old Testament Law" (S. 80-
Und (im Verhältnis zu den galiläischen Revolutionären): AI-
though Jesus rejected the way of violence, which his comp**
triots followed to their own destruetion, he was actually cruci-
fied as a revolutionary. Tins is, to say the least, onc of the great
paradoxes of history." (S. 86). Der Beitrag Johnsons ,,JeSU
and First-Century Galilee" steht auf den Seiten 73—88.
R. H. Lightfoot (A consideration of threc passages "
St. Mark's Gospel, S.no—115) steuert einige Bemerkungen z>
Mk. 1,35—39; 6, 42—52 und 14, 26—42 bei. Anders Ny}?^e
(Christiis der Gnadenstuhl: S. 89—93) möchte die alte Übersetzung
in Rom. 3, 25 gegen neuere wie ,,Sühnemittel" t>e
behalten, unter Berufung auf alte Kirchenväter, Luther 1,1 . ß
Verbindung mit 2. Mose 25, 22 und Hebr. 9,5 ff. Erik
(Das Martyrium als theologisch-exegetisches Problem, S-
bis 232) hebt mit Recht den Zusammenhang zwischen s
Weltlage und der neueren Märtyrerforschung" hervor, de ^
notwendig machte, den Leidens- und Todesgedankeii 1»
Vordergrund zu rücken anstelle der In der protestantiW ^
Forschung neuerdings üblichen Betonung des Märtyrers