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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

728-730

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rowley, Harold H.

Titel/Untertitel:

The Servant of the Lord 1952

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

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jesaja" (The Use of Figurative Language in Deutero-Isaiah,
S. 75—93) vergleicht — in der Terminologie weithin der von
Jülicher in seinen „Gl%ichnisreden Jesu" gebrauchten folgend
— die symbolisch-allegorische Art der 'Ebed Jahwe-Lieder
mit ihrer Umgebung und kommt zu dem Ergebnis, daß in
der Verwendung von „Metaphern", „metaphorischen Beschreibungen
", „Vergleichen" und „Parabeln" die Lieder ganz mit
ihrer Umgebung übereinstimmen. Wenn die „Lieder" allegorische
Bilder (allegorical pictures) aufweisen, die sich schon
durch ihre breite Ausgestaltung von den in ihrer Umgebung
gebrauchten unterscheiden, so erklärt sich das leicht daraus,
daß die dem Propheten durch die Ereignisse des Jahres 539 v.
Chr. aufgedrängte neue Botschaft aucii eine neue Form verlangte
. „Die Botschaft von der Bedeutung des Israel auferlegten
Leidens und von seiner Aufgabe als Werkzeug zur Rettung
der Heiden war so aufregend, so fremdartig, so geheimnisvoll,
daß der Prophet außerordentliche Mittel anwenden mußte, um
sie denen verständlich zu machen, an die sie gerichtet war.
Auch J esus hat nicht immer in Gleichnissen gesprochen; aber er
tat es, wenn es galt, Geheimnisse ans Licht zu bringen (S. 88).
Im übrigen lassen sich den von den „Liedern" gebrauchten
Allegorien aus dem Alten Testament mühelos viele Parallelen
an die Seite stellen, und diese bestätigen die für die „Lieder"
vorgeschlagene Erklärung, nämlich die als Allegorien.

Das V. Kapitel, „Das Problem der Eschatologie in Deu-
terojesaja" (The Problem of Eschatology in Deutero-Isaiah,
S. 94-102), erörtert die auch, und ganz besonders für die „Lieder
", überaus wichtige Frage, ob Deuterojesajas Verkündigung
eschatologischer Art sei oder nicht, ob sie also das Ende der Geschichte
und den mit Farben des Mythus gemalten Anbruch
völlig neuer Verhältnisse oder aber die Fortdauer des freilich
zu idealer Vollkommenheit gebrachten gegenwärtigen Zustan-
des zum Inhalt habe, und beantwortet sie im letzteren Sinne.
Wenn aber im übrigen der Verkündigung Deuterojesajas der
eschatologische Zug fehlt, so ist es ganz unwahrscheinlich, daß
die „Lieder" eschatologisch oder „messianisch" zu deuten
sein sollten. „So sind wir geneigt, auch diese Lieder metaphorisch
oder symbolisch zu deuten und nicht als eschatologische
Bilder; sie stellen allegorische Bilder dar, die Israels Lage während
der Zeit des babylonischen Exils und die hohe ihm anvertraute
Aufgabe zum Inhalt haben" (S. 102).

Der „Schluß" (The Conclusion, S. 102—104) betont noch
einmal, daß nicht gefragt werden dürfe, wer der 'Ebed Jahwes
sei, daß die Frage vielmehr die nach der Bedeutung dieses
'Ebed sein müsse und daß es da nur die eine Antwort geben
könne: Der 'Ebed symbolisiert Israel, seine Berufung, seinen
gegenwärtigen bedauernswerten Zustand und die hohe ihm anvertraute
Aufgabe. Die für Deuterojesaja und seine Volksgenossen
eine bittere Enttäuschung bedeutenden Geschehnisse
des Oktober 539 v. Chr. haben dem Propheten zu dieser Schau
der Dinge deu Anstoß gegeben. — Listen der benutzten Bücher
und Autsätze, der berücksichtigten Autoren und der behandelten
Bibelstellen (S. 105—114) beschließen das Buch und machen
seine Auswertung bequem.

Gegen die eine oder andere Einzelheit in Lindbloms Darlegungen
— und sein Buch enthält eine Fülle wichtiger neuer
Einzelbeobachtungen, auch solche textkritischer Art, veranlaßt
durch die neuen Handschriften vom Toten Meer — lassen sich
Bedenken geltend machen. So wird Lindblom mit dem von ihm
zwischen 53, 1 und 53, 2 gemachten Einschnitt und mit seiner
unter Änderung des t'pändw „vorihm" von 53,2 in l'pänaj „vor
mir" vorgetragenen Annahme, mit 53,2 beginne eine im Ich des
Propheten gehaltene Visionsschilderung und das „Wir" von
53, 2—6 sei von dem Propheten und seiner Umgebung, den Teilnehmern
an seiner prophetischen Schau, zu verstellen, nicht
etwa von den Königen der Heiden, die 53, 1 am Worte sind,
schwerlich viel Anklang finden. Vielmehr scheint die übliche
Auffassung, die das „Wir" von 53, 2 auf dieselbe Größe bezieht
wie das von 53, 1, nämlich auf die Könige der Heiden, denen
sich hier etwa noch die bisher ungläubigen Israeliten hinzu-
gesellen, nach wie vor dem Tatbestand am ehesten gerecht zu
werden. Aber derartige kritische Einwände, die sich erheben
lassen, verblassen der Tatsache gegenüber, daß das Buch als
ganzes einen sehr wesentlichen Fortschritt im Verständnis der
literarischen Form und des gedanklichen Gehalts der Verkündigung
Deuterojesajas überhaupt und seiner 'Ebed Jahwe-Lieder
insbesondere bedeutet. Seme Bedeutung geht sogar noch über
den Bereich der dem Deuterojesaja zugeschriebenen Kapitel des
Jesaja-Buches hinaus und kommt dem Alten Testament überhaupt
zugute. Denn die von ihm wiederholt, etwa S. 104, gemachte
Feststellung, daß die symbolische Sprache des Alten
Testaments oft nicht richtig verstanden und daß die von ihm
gebrauchten Metaphern, Symbole und Gleichnisse häufig als
genaue Beschreibungen der Wirklichkeit mißdeutet worden

seien, stellt ehie der Erklärung des Alten Testaments überhaupt
geltende Warnung dar. Die durch Einwirkung archäologisch
gewonnener Anscliauung bedingte Neigung, durch das uns zunächst
als literarische Größe gegebene Alte Testament zu dem
Leben durchzustoßen, das sich in ihm niedergeschlagen hat,
und dies in aller Farbigkeit und Körperlichkeit zu erkennen,
hat ja gewiß viel zu besserem Verständnis des Alten Testaments
und des von ihm bezeugten Geschichtsverlauf t s beigetragen, mit
ihrem Bemühen, überall Realitäten zu greifen, doch aber zugleich
den Raum für bloß bildhafte Sprache ungebührlich eingeengt
, die Verkennung einer wesentlichen Besonderheit der
Diktion des Alten Testaments herbeigeführt und wenigstens
insofern dieaittestamentliehe Wissenseliaft unter die von einem
Herder erreichte Stufe zurücksinken lassen. Es ist nur gut,
wenn Lindblom mit seinem Warnungssignal dieser Entwicklung
in unserer Wissenschaft Einhalt gebietet.

Mancher Leser mag sich wundern, daß Lindblom in dem
vorliegenden Buche aul die .sonst in Behandlungen des 'Ebed
Jahwe-Problems ziemlich allgemein mehr oder weniger gründlich
ins Auge gefaßte Frage, ob und wieweit die „Lieder" in
Jesus ihre „Erfüllung" gefunden hätten, nicht eingeht, und sein
Erstaunen kann nur noch zunehmen, wenn er Lindbloms
Buch mit derneuesteiiBehandlung des Gegenstandes, Ro w 1 e y s
Arbeit über „The Servant of the Lord in the Light of three De-
cadesof Criticism", die, wiesogleich (Sp. 728-30) gezeigt werden
wird, auf diese Frage sehr nachdrückiicn enigeht und in ihrer
Beantwortung gar inren Höhepunkt erreicht, vergleicht. Aber
es ist nur gut, daß zwei, in dieser Hinsicht so verschiedene Arbeiten
etwa gleichzeitig der Öffentlichkeit vorgelegt werden.
Denn diese ihre Verschiedenheit macht es vollends klar, daß
die Frage, ob und wie die Lieder als „Weissagungen" oder,,Hinweise
" auf Jesus zu verstehen sind, nicht aul der Ebene rein historischer
Untersuchung beantwortet werden kann, sondern in
den Bereich der von persönlicher Glaubensüberzeugung abhängigen
Geschichtsdeutung hineingehört. Derartige Arbeiten werden
— das ist mit den geheimnisvollen Anklängen des Lebens,
Lehren», Leidens, Sterbens und Siegens Jesu an die 'Ebed-
Lieder gegeben — immer wieder vorgelegt werden, aber ebenso
stark wird auch allezeit die Nötigung empfunden werden, in
rem historischer Untersuchung das zu ergründen, was der große
anonyme Prophet des 6. Jahrhunderts v. Lhr. mit seinem 'Ebed-
Symbol hat ausdrücken wollen.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Rowley, H. H.: The Servant Of the Lord and other Essays on the Oid
Testament. London: Lutterworth Press 1952. XII, 327 S. 8°

Acht Abhandlungen sind in dem vorliegenden Buche vereint
, von denen die erste, „Der Knecht des Herrn im Licht
dreier Jahrzehnte der Kritik" (The Servant of the Lord in the
Light of three decades of criticism, S. 1—57), die Vorlage zweier
im Januar 1950 in King's College zu London gehaltener Vorlesungen
, bisher noch nicht veröffentlicht worden war, während
die übrigen sieben revidierte und um neuere Literatur vermehrte
Wiederholungen bereits früher erschienener Arbeiten darstellen.

Es sind dies: „Der leidende Knecht und der Davidische Messias" (TM
Suffering Servant and the Davidic Messiah, S. 59—88 - Oudtestamentische
Studien 8, 1950, S. 100—136), „Das Wesen des alttestamcntlichen Prophetismus
im Licht neuerer Forschung" (The Nature of Oid Testament Prophecy I"
the Light of Recent Study, S. 89—128 - Harvard Theological Review 38,1945,
S. 1—38), „Die chronologische Folge von Esra und Nehemia" (The Chrono-
logical Order of Ezra and Nehemiah, S. 129—160 - Ignace Qoldzihcr Memorial
Volume, I, 1948, S. 117—149), „Ruths Heirat" (The Marriage of Ruth,
S. 161—186 - Harvard Theological Review 40, 1947, S. 77—99), „Die Auslegung
des Hohenliedes" (The Interpretation of the Song of Songs, S. 187—234

- Journal of Theological Studies38, 1937, S. 337—368 unter Einarbeitung von
Stücken aus „The Songof Songs: an Examination of Recent Theorie" [Journal
of the Royal Asiatic Society 1938, S. 251—276]), „Die Einheitlichkeit des Buches
Daniel" (The Unity of the Book of Daniel, S. 235—268 - Hebrew Unio"
College Anniversary Publication I, 1952, S. 233—273), „Neue Entdeckungen
und die Patriarchenzeit" (Recent Discovery and the Patriarchal Age, S.2C9—3°5

- Bulletin of the John Rylands Library 32, 1949/50, S. 44—79).

Allen acht Abhandlungen ist gemeinsam, daß sie die Geschichte
der Erforschung des jeweiligen Problems sehr grüncl-
lich berücksichtigen und den eigenen Lösungsvorschlag 1,11
eingehender Erötterung anderer Lösungsversuche unterbaue»;
Bei einem Teil der Arbeiten — bei der ersten, bei der dritten, oe
der sechsten und bei der achten — deuten ja ihre Überschrift1;
diese ihre Art an. Aber auch die anderen, deren Titel mir das 1
üinen behandelte Problem nennen, setzen sich ausführlich U»
gründlich mit den bisherigen Veröffentlichungen dazu ausei'i-
ander. Daß die Berücksichtigung so vieler und so verschied011
Arbeiten über diese und jene Frage manchen Leser verwirf
kann, hat Rowley wohl bedacht, solche Erwägung aber n