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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

725-728

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lindblom, Johannes

Titel/Untertitel:

The servant songs in Deutero-Isaiah 1952

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

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sen, durch die sich die Leute der Einung haben richten lassen,
und auf die Stimme des Lehrers der Gerechtigkeit hören." Der
Text geht dann über in eine Schilderung einer fast eschatolo-
gischen Freude.

Interpretiert man diesen Text, so wird man kaum umhin
können zu bemerken, in welch eigenartiger Verbindung hier
die -prnn "TOSN zu ('('1u plUin nTra gesetzt sind. Die Leute

der Einung sind es gewesen, die sich durch die ersten Rechtssätze
(oder die früheren Rechtssätze — mau denke an die Bedeutung
von "pTHJO bei Deuterojesaja) haben richten lassen und die

offenbar jetzt auf die Stimme des Lehrers der Gerechtigkeit
hören; danach ist die Einung eine ältere Gruppenbildung, die
aufgegangen ist in die Anhängerschaft des Lehrers der Gerechtigkeit
. Und dazu paßt, daß nach dem neuen Fund mindestens
ein Exemplar der Damaskusschrift in H. Qumrän vorhanden
war. Und daß dieses Bruchstück anscheinend der nicht bear-
arbeitete Text A war, wird gestützt durch das, was Dam A
1,1 ff. sagt; denn hier wird klar ausgedrückt, daß zwanzig Jahrelang
eine Art Erweckungsbewcgung, die von Sündenbekenntnissen
begleitet war, vor dem Auftreten des p-^n nilM • des

„Lehrers der Gerechtigkeit" aufgebrochen war, obwohl auch
schon vor dieser Zeit wenigstens ein „Rest" (Dam 1,5) vorhanden
war, den Jahve „im Gedenken an den Bund der Ersten"
hat bestehen lassen.

Es soll damit nun nicht gesagt sein, daß die ganze Bewegung
der „Leute der Einung" in die des „Lehrers der Gerechtigkeit
" aufgegangen ist, aber es soll die Möglichkeit angedeutet
werden, daß wenigstens ein großer Teil der älteren
Bewegung des „Lehrers der Einung" diesen Weg gegangen ist.

Man kann nun diese Hypothese noch von einer andern
Seite her stützen, nämlich von der Halacha der Damaskusschrift
aus. Man kann einmal auf das seltsame ^am^b n'n-
weisen, das Dam 12,21 und „Sektenrolle" III, 13; IX,21 in
ähnlichen Zusammenhängen begegnet. Man wird vor allem
aber auf Dam 13,2 hinweisen müssen, das fast wörtlich ein
Anliegen der „Sektenrolle" VI,3.6 aufnimmt.

Und doch darf man die Beziehungen nicht zu eng sehen;
denn eine Reihe wichtiger, auch theologisch gewichtiger Begriffe
, die in der „Sektenrolle" auftreten, begegnen in der
Damaskusschrift nicht, obwohl ihre Erwähnung nicht nur möglich
, sondern nützlich gewesen wäre. Aber über die Frage des
Wortschatzes muß ein andermal geredet werden, weil dieses
Gebiet zu vielen Fragen Anlaß gibt, auch zu Fragen über die
verschiedenen Ansatzpunkte ihrer je besonderen theologischen
Anliegen.

ALTES TESTAMENT

Lindblom, Joh.: The Servant Songs in Deutero-Isaiah. a new Attempt to

solve an old Problem. Lund: Gleerup (1951). 114 S. gr.8°= Lunds Universi-
tets Arsskrift. N. F. Avd. 1, Bd. 47, Nr. 5. skr. 11.—.

Nachdem das erste Kapitel des vorliegenden Buches, „The
Problem" (S. 7—n), Chr. North's Buch von 1948 „The Suf-
fering Servant in Deutero-Isaiah" gebührend gewürdigt und
die Untersuchung des literarischen Charakters der 'Ebed Jahwe-
Lieder als notwendige Vorbedingung für jede Behandlung der
'Ebed Jahwe-Frage hingestellt hat, macht sich das zweite Kapitel
, „The Literary Charakter of the Ebed-Yahweh-Songs"
JS. 12—51), an die Erfüllung dieser Vorbedingung, indem es
jedes der vier „Lieder" (42, 1—9; 49, 1—7; 50, 4—9; 52, 13—53,
12) auf seine Gattungszugehörigkeit hin untersucht. 42, 1—4
ist eine im Ich Jahwes gehaltene Offenbarung Jahwes an den
Propheten, in der er diesem den 'Ebed als von ihm mit einem
weltmissionarischen Auftrag betraut vorstellt. Als neue Offenbarung
eingeführt, ergänzen 42, 5—9 in einer Art von Interpretation
42, 1—4 dahin, daß sie das hier angesprochene Israel
als den Träger dieser Mission hinstellen. 49, 1—6 stellt eine prophetische
Konzession dar, in der Deuterojesaja selbst spricht
und seine — oft entmutigenden — Erfahrungen beschreibt, während
49, 7, wiederum als Erläuterung des vorangegangenen
Stückes, das in diesem von dem Propheten Ausgesagte auf Israel
anwendet. Eine prophetische Konfession ist auch 50, 4—9,
und auf sie folgt in 50, 10—11 eine Anrede des Propheten oder
Jahwes an Israel, nämlich an die zu treuem Ausharren in aller
Not ermahnten Jahwe-Gläubigen (v. 10) und an die f jr schlimme
Bestrafung bestimmten Abtrünnigen, die das, was nach
50,4—9 der Prophet erfahren hat, auf Israels Geschick während
des Exils anwendet. Während bei den drei ersten Liedern die
Deutung der symbolischen Erfahrungen des Propheten auf deren
Schilderung folgt, ist es beim vierten Lied, 52, 13—53, I2-
umgekehrt. Dies beginnt in 52, 13—53, 1 rnit einer Aussage
Jahwes über das gegenwärtige Elend und die dicht bevorstehende
Erhöhung des 'Ebed (52, 13—15) und einem dem Erstaunen
über solchen Wandel'Ausdruck gebenden Ausruf der
Heiden, wobei der hier genannte 'Ebed nur als Israel verstanden
werden kann. Mit 53, 2 aber hebt eine in drei Szenen (v. 2
bis 6, v. 7—9, v. 10—12) zerfallende prophetische Visionsschil-
derung an, Die erste Szene beschreibt das stellvertetende Leiden
eines Unschuldigen, wobei unter den hier auftretenden
„Wir" weder die Heiden noch die Juden, sondern der Prophet
u«d die übrigen Teilnehmer au der Vision zu verstehen sind,
tt» der zweiten Szene setzt der Prophet, der nun allein redet,
die Beschreibung der Not des Leidenden fort, während in der
«ritten Jahwe auftritt und ankündigt, daß von dem Leiden des
Unschuldigen ein Strom des Segens sich auf viele ergießen werde
. So setzen sich alle vier „Lieder" aus einer symbolischen Auslage
über eine, 'Ebed' genannte Einzelgestalt und einer diese
Aussage auf Israel anwendenden Deutung zusammen. Man darf
'jäher nicht fragen, wer dieser 'Ebed ist, sondern nur, was er be-
deulet, und die Antwort ist dann: Israel. Der 'Ebed der Lieder
"berhaupt und der unschuldig geplagte des vierten Liedes insbesondere
„ist nicht Israel, sondern er ist ein Symbol für
Israel, genau so wie der Verlorene Sohn ein Symbol für den
reuigen Sünder ist" (S. 48).

Das dritte Kapitel, „Die Leitgedanken der 'Ebed Jahwe-
Orakel als Elemente der Botschaft Deuterojesajas" (The Leading
Ideas of the Ebed-Yahweh Oracles as Elements in the
Message of Deutero-Isaiah, S. 52—74) geht der Frage nach,
ob und wieweit die den „Liedern" eigentümlichen Gedanken
auch ihrer Umgebung das Gepräge geben, und stellt fest, daß
das im hohen Grade der Fall ist. Erwählung zu geistlichem
Dienst (bähar), Stützung (tämak) und Bewahrung {näsar)
durch Jahwe und viele andere Aussagen, die in den „Liedern"
mit Bezug auf den 'Ebed gebraucht werden, finden sich in ihrer
Umgebung auf Israel angewendet. Insbesondere sind es die sieben
(S.63 wird für sie die Zahl „elf" genannt, aber „eleven"
ist, falls hier nicht etwa die vier „ Lieder" mit eingerechnet sind,
wohl Druckfehler für „seven") Stücke 45,20—25; 51,4—6;
51, 7—8; 55, 1—5; 48, 1—11; 48, 17—19; 55, 6—7, die, „missionarische
Offenbarungen" (the missionary revelations) genannt,
den „Liedern" sehr ähnlich sind, nämlich wie sie von der Errettung
der Heiden durch Israel und von der Vorbereitung Israels
zu diesem Dienst handeln. Ihnen stehen die übrigen Orakel
Deuterojesajas, über vierzig an der Zahl und als „triumphierende
Offenbarungen" (the triumphal revelations) bezeichnet
, gegenüber, die das Ende von Israels Elend und seine Befreiung
aus der Gefangenschaft zum Hauptinhalt haben (40,
9—11; 41, 3—5; 41, 21—29 usw.) und — wenigstens gilt das von
einem Teil der zu dieser Gruppe gehörenden Stücke — in der
Ankündigung des als Werkzeug Jahwes auftretenden Kyros
gipfeln. Nun ist es kaum denkbar, daß der Prophet so verschiedene
Orakel wie die von der Bekehrung der Heiden zu Jahwe
einerseits und die von ihrer Unterwerfung und Vernichtung
anderseits zur selben Zeit geäußert haben sollte. Vielmehr werden
sie auf einen längeren Zeitraum verteilt und als aus den jäh
wechselnden Verhältnissen jener Tage erklärt werden müssen.
Da Bind dann die „triumphierenden Offenbarungen", die Israels
Befreiung in mehr allgemeinen Wendungen ankündigen
und daran Kyros weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt
sein lassen (40, 1-2; 40, 3-5; 40, 6-8 usw.), gewiß vor dem Auftreten
des Kyros auf der Bühne der Weltgeschichte, also vor 550
v.Chr., anzusetzen,während dieKyrosalsRetternennenden oder
andeutenden Orakel aus dem auf diesen Zeitpunkt folgenden
Jahrzehnt herzuleiten sein werden. Nach 539 v. Chr., also nach
dem Einzug des Kyros in Babvlon, sind sie nicht mehr denkbar.
Denn die freundliche Behandlung, die Kyros Babylon angedei-
htfl ließ, widersprach dem, was Deuterojesaja erwartet und angekündigt
hatte, m solchem Maße, und die von ihm den Juden
zugestandenen Vergünstigungen blieben so weit hinter den Erwartungen
zurück, daß der Prophet die bisher auf Kyros gesetzten
Hoffnungen nicht aufrechterhalten konnte. So bedeutet
das Jahr 539 einen Wendepunkt in der Verkündigung Deuterojesajas
. An die Stelle der „triumphierenden" treten jetzt
die „missionarischen Offenbarungen", deren Gedanken in den
'Ebed Jahwe-Liedern wiederkehren und in ihnen geradezu
ihren reinsten und stärksten Ausdruck finden, so daß auch diese
der Zeit nach 539 v. Chr. zuzuschreiben sein werden.

Kapitel IV, „Der Gebrauch bildhafter Sprache in Deutero-