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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

719-724

Autor/Hrsg.:

Schlyter, Herman

Titel/Untertitel:

Mission in schwedischer exegetischer und systematischer Theologie 1952

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719

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

7'20

wirksames Wort bezeichnet wird, von dem gesagt wird, daß es
darauf abziele, daß wir, die wir es hören, ständig mit Christus
sterben und auferstehen. So wahr dies von der Missionsverkündigung
ist, die dann als ein einmaliges Geschehen begriffen ist,
so völlig sticht es ab gegen das, was wir von der Predigt wissen,
die bei den christlichen Gottesdiensten stattfand. In diesem
Falle ist es uninteressant, in welchem Maße Heiden an den
christlichen Gottesdiensten teilzunehmen pflegten (1. Kor. 14,
22). Entscheidend ist, in welchem Maße man bewußt unterschied
, ob man sich zu Heiden oder Getauften wandte. Die
von Dodd und einer — praktisch genommen — einheitlichen
Exegese aufrecht erhaltene Unterscheidung zwischen Missionsund
Gemeindeverkündigung ist für das Verständnis des Lebens
und der Lebensäußerungen der Urkirche fundamental.

Das unkerygmatische Kerygma. Zusammenfassend könnte
man mit einer gewissen Zuspitzung sagen, daß das Kerygma
im eigentlichen Sinne in seiner Funktion unkerygmatisch war.
Es wurde nicht proklamiert, sondern man berief sich darauf
als auf etwas, was dem Christen auf eine wirksame und umschaffende
Weise begegnet war. Nun diente es als Hintergrund,
oder besser gesagt, als der Grund, welcher gelegt war. Es war
auch Gegenstand der theologischen Auslegung, wobei der unkerygmatische
Charakter ebenso deutlich wird.

Das kerygmatische Nickt-Kerygma. Aber vieles, was nicht
unter Kerygma im eigentlichen Sinne rubriziert werden
kann, hat im Neuen Testament und in der Kirche kerygmatische
Funktion, d.h. Botschaftscharakter. In diesem Sinne
nimmt dessen Eigenschaft, Gottes Wort zu sein, nicht automatisch
ab mit dem Abstand vom Kerygma im eigentlichen
Sinne. Auch die allgemeinste Ermahnung kann in diesem Sinne
kerygmatischen Charakter haben, kann eine Botschaft von
Gott sein. Die Echtheit hat keine äußeren Kriterien.

Darin zeigt sich das Unbefriedigende in der Vermischung
von Kerygma als Inhaltsbegriff und des Kerygmatischen als
Formbegriff.

• *
*

Diese Unterscheidung hat ihre praktischen Konsequenzen
für unsere Predigt. Das sollte u.a. ein „im Gegenteil" zu dein
mit sich bringen, was so oft unsere gewohnte Taktik ist. Das

Kerygma, die innersten Geheimnisse des Heils, das Golgathamysterium
behalten wir gerne den Eingeweihten vor, den
Frommen, den Reifen. Nach außenhin, wenn wir uns als Missionare
fühlen, da halten wir uns an das Allgemeine, sagen
Dinge, die alle wußten und vorher dachten, von denen man
aber immer das Gefühl hat, daß es ganz gut wäre, sie etwas
religiös vergoldet zu bekommen: Gedanken von Liebe und
Güte und sonst Abliegendes. Wir moralisieren.

Wenn wir hier die Ordnung nicht umkehren, so geht es
wie es geht. DerHeide wird nie verstehen, worum es sich eigentlich
handelt, und der Fromme wird betäubt durch ( in diffuses
Sündengefühl, von dem man meint, daß es gut ist, wenn man
es hat; dann sei alles in Ordnung. Die konkrete Ermahnung
ist mehr Gotteswort als alles andere, wenn es auch nicht so
zentral und geistgetragen klingen mag.

Aber unsere gewöhnlichen Gottesdienste hier im Lande ?
Sind das Missions- oder Gemeindegottesdienste ? Als Verkündigung
in der Gemeinde muß es auch Unterweisung im Kerygma
geben — welches also nicht zu einem ständigen Proklamieren
des Kerygma transponiert zu werden braucht.

Weiter glaube ich, daß wir im Inneren und im Äußeren
Klarheit gewinnen würden, wenn wir wüßten, was wir tun sollen,
wüßten, an wen wir uns wenden sollen. Da wird es jedesmal anders
aussehen. Aber da kommen das Kirchenjahr mit seinen
Texten unserer Schwachheit zur Hilfe. Ebenso die Möglichkeit,
über die Abendgebetstexte im Gottesdienst am Sonntag zu
predigen. In einer Kirche von so besonders eigener Art wie der
unseren, muß hier ein sowohl - als auch stehen bleiben. Aber der
Schritt bis dahin, wo man sagen kann, daß diese zwei im
innersten die gleiche Sache sind, ist weit. Eine Theologie,
die bewußt die Grenzen zwischen Mission und Gemeindeleben
verwischt, zwischen Erweckungsversammlung und Heiligungs-
versammlung, zwischen Kerygma und Didache, ist im übrigen
nur denkbar in einer ungebrochenen, christlichen Kultur, da
die Kirchenzugehörigkeit selbstverständlich und obligatorisch
ist. Und nun ist damit ja Schluß. Auch auf dem Papier1.

') Seit 1. Januar 1952 hat man in Schweden ein neues Oesetz über Religionsfreiheit
bekommen, das es möglich macht, die „Staatskirche" zu verlassen
, ohne sich einer anderen Kirche anzuschließen.

Mission in schwedischer exegetischer und systematischer Theologie'

Von Herman Schlyter, Lund

Die neue exegetische Forschung in Schweden, vor allem
repräsentiert durch den ursprünglich norwegischen Professor
Anton Fridrichsen und seine Schüler in Uppsala, hat neue
fruchtbringende Gedanken entwickelt, die eine große Rolle
für die Theorie und Praxis der Mission spielen. Zusammen mit
Fridrichsen gab der spätere Professor B. Sundkler schon 1937
eine kleine Schrift unter dem Titel „Contributions ä l'Etude
de Pensee Missionaire dans le Nouveau Testament" heraus.
Hier trifft man die ersten Anzeichen des neuen Denkens.
Sundkler zeigt, daß die übliche Alternative, Partikularismus
oder Universalismus, in Jesu Denken nicht das Wesentliche erfaßt
. Seine Aufgabe war, das Haus Israels zu dem Haus der
Kirche zu machen. Fridrichsen hat diesen Gedanken weitergeführt
. Er zeigt, daß die Totalauffassung der Bibel Mission
ist, und daß die Bibel eine Einheit ist. Die Mission hat ihre
grundlegende Voraussetzung im Alten Testament, d. h. in der
Erwählung Israels durch Gott, in seinem Handeln mit diesem
Volk. Israel ist das führende Volk der Welt, von Gott erwählt,
sein Volk zu sein. In und durch Israel wird der Plan und der
Wille Gottes mit der Welt vollendet. Dieser Glaube und diese
Uberzeugung ist der Urgrund der Mission.

Schon in den ältesten Quellen finden wir, daß Jahve, der
Gott Israels, der Schöpfer der Welt ist, und damit ist der Gedanke
der Einheit des Menschengeschlechtes gegeben. Wir
finden weiter die Lehre, daß das Schöpfungswerk Gottes durch
den Ungehorsam der Menschen gestört ist, aber daß Gott
durch Erwählung der Väter und durch Berufung seines
heiligen Volkes sein Reich auf der Erde mit dem Mittelpunkt
in Zion gegründet hat. Zion und Jerusalem sind das Zentrum
der Welt, die Stätte der Errettung. Hier stehen wir an der
Quelle des Weltmissionsgedankens, der zusammen mit den

') Wesentlich eine kurze Zusammenfassung eines Teiles einiger Gastvorlesungen
an der Humboldt-Universität In Berlin 1948 unter dem Titel:
„DieMissionswissenschaft und ihre Stellung in der Theologlt".

weiteren Schicksalen Israels seine weitere Ausgestaltung erhalten
sollte.

Unter diesen Schicksalen Israels bekamen der nationale
Untergang des Volkes und das Exil die durchgreifendste Bedeutung
. Der Missionsgedanke Israels, ihm von Gott gegenüber
der Welt und den „Völkern" gegebene Aufgabe, brach
hervor und bekam seine Ausgestaltung besonders in den Kreisen
, die von der jesajanischen Prophezeiung inspiriert waren.
Leiden und Exil waren es, die die aktive Mission schufen.

Die religiöse Exklusivität Israels mündet in den Missioiis-
gedanken aus. Nun handelt es sich nicht mehr darum, seine
religiöse Eigenart zu verteidigen, sondern darum, alle Völker
in diese Eigenart aufzunehmen.

Der alttestamentliche Missionsgedanke ist rein eschato-
logisch. Es handelt sich nur um die Vollendung des Heilsphuies
Gottes mit seiner Schöpfung.

Schon in der Prophezeiung sind die Notwendigkeit der
Weltmission und ihr Wesen klar erkannt. Dagegen nicht ihn'
Form. Was die Form anbetrifft, so herrscht die Vorstellung
von der Erneuerung Israels in dem heiligen Lande, in das die
Exulanten zurückkehren, und die zerstreuten Kinder Israels in
Jerusalem sich um das Heiligtum und darin versammeln. ZtT
sammen mit ihnen ziehen auch die „Völker" nach Zion hui"
auf, um dort den einen, wahren Gott anzubeten. ,

Jesus sagte: „Ich bin gekommen, um zu erfüllen" U°ö
„das Heil kommt von den Juden". Jesus verwirklicht W
Missionsprophezeiung. Das universale Gottesvolk ist der Sin"
und der Zweck Jesu. Aber erst, wenn er bei Israel seil
Ekklesia gegründet hat, kann die Zeit kommen für die Heide'!-
Das geschieht durch den Tod und die Auferstehung. Die Kircllf
ist eine Klammer zwischen der Auferstehung Christi und 9*~J2
Wiederkunft. Die eschatologische Kirche ist ihrem S
nach eine Missionskirche. Die Mission ist die eigentlic _
Hauptangelegenheit der Kirche für die Zeit bis zur Wied0
kunft des Herrn.