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Ausgabe:

1952 Nr. 12

Spalte:

709-714

Autor/Hrsg.:

Vollborn, Werner

Titel/Untertitel:

Das Problem des Todes in Genesis 2 und 3 1952

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 12

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brauch der älteren Versionen zurückgeführt, sondern muß aus
Erhaltung und Benutzung von Kopien der Ur-Peschitta des
5. Jahrhunderts mit mehr orientalischem als griechischem
Profil erklärt werden.

Nach A. Allgeiers Cod. Phillipps 1388 in Berlin und seine Bedeutung
für die Geschichte der Peschitta in OC, 3. ser. 7 (1932)
weisen die MSS der Peschitta selbst Spuren einer solchen Entwicklung auf.
Siehe nieine Arbeit New Testament Peshitta and its Predecessors,
p. 60ff. Die Versionen, die auf der Ur-Peschitta basieren, weisen dieselben alt-
syrischen Züge auf (siehe C. Peters, Das Diatcssaron Tatians S. 123). Dies
ist wohl die wahre Bedeutung des Beweismaterials, das V. aus den armenischen
und anderen Versionen beigebracht hat. In dieser Hinsicht kann das Problem
nur in seinem Zusammenhang mit der Geschichte der Peschitta-Bibel überhaupt
erschöpfend behandelt werden, und es häufen sich die Belege dafür, daß
der Pentateuch auf keinen Fall seine endgültige Form vor dem 6. Jahrhundert
erreicht hat (cf. J. T. S., XV, p. 14f.). V. läßt S. 115 etwas von dieser „neuen
Perspektive" (sein eigener Ausdruck) erkennen.

Nichtsdestoweniger muß die Peschitta der Evangelien in
der vorliegenden Endform ihres Textes spätestens vor Ende
des 5. Jahrhunderts existiert haben (sie hätte sonst nicht von
beiden Seiten der gespaltenen syrischen Kirche angenommen
werden können), und die Frage ist, ob dieser offizielle Evangelientext
vor dem Ende des Jahrhunderts unbestrittene
Autorität gewonnen hat, wie es alle Lehrbücher behaupten.

V. bestreitet das und legt zum Beweis eine Auswahl altsyrischer
Lesarten vor. Hier ist seine Methode sicherlich mehr
„pseudo-wissenschaftlich" als „echt wissenschaftlich". Denn
was wir zur Entscheidung solch einer Frage benötigen, ist
nicht die Erkenntnis, daß altsyrische Lesarten in noch so
großer Menge auftauchen, sondern die Einsicht in ihr proportionales
Verhältnis zu den Peschitta-Zitaten. In meiner Arbeit
über „The Gospel Text of Jacob of Serug" ist gezeigt,
daß etwa 60 Prozent der Zitate Jakobs in seinen Briefen einen
reinen Pescbitta-Text haben. Zweifellos betrachtete dieser berühmte
Syrer die Peschitta als seine autoritative Schrift für
die Evangelien, obwohl er noch fortfährt, besonders in seinen
metrischen Homilien, von den älteren Versionen Gebrauch zu
machen.

Jakobs vierundzwanzigster Brief (CSCO, ser. sec. tom. XIV) läßt sein
Verhältnis zu den Konkurrenztexten in überraschender Weise erkennen. Der

ganze Brief ist eine Auslegung von Matth. 12,31—32; beide Verse werden
zweimal vollständig und nicht weniger als neunmal teilweise zitiert, und zwar
immer in der Peschitta-Version (mit einer altsyrischen Variante). Die Syr. vet.
hat eine viel freiere Wiedergabe der Verse, besonders von Vers 32. Vers 32 ist
jedoch am Ende des Briefes einmal in seiner altsyrischen Fassung zitiert, als ob
durch eine zweite Autorität Jakobs Auslegung der Peschitta gestützt werden
sollte.

V. hat diese Erwägung nicht angestellt und meinen Artikel nicht erwähnt
. Er führt jedoch, eine Untersuchung über Jakob vorwegnehmend, aus,
daß sein Evangelientext in den Briefen der Peschitta entstammt, was „um so
verblüffender ist, als einige Handschriften verhältnismäßig alt sind". Er hält
für möglich, daß das Corpus seiner (Jakobs) Briefe, soweit es sich um Zitate
handelt, einer Revision unterzogen worden sein muß (S. 87 Anm.)l

Das übrige Beweismaterial, welches das Buch bringt, ist
größtenteils von derselben Art, d.h. ausgewählte altsyrische
Lesarten aus vielen Schriftstellern, obwohl der Verfasser das
Steigen der Anerkennung der Peschitta in den späteren Jahrhunderten
zugibt. Die Frage ist, wie bald und wo, und ob
etwa nicht überall. So lange wir noch kein vollständiges Bild
von dem Gebrauch der Peschitta haben, wobei die Zitate der
einzelnen Schriftsteller nicht in Auswahl, sondern erschöpfend
untersucht werden, unter Berücksichtigung sowohl der Zitierungsmethode
als auch des Inhaltes, ist eine zuverlässige
Antwort unmöglich. Es mag wohl wahr sein, daß, wie V. darlegt
, infolge der Spaltung innerhalb der syrischen Christenheit
die Anerkennung der Peschitta in manchen Bezirken langsam
durchdrang, wobei das syrische Mönchtum eine der Hauptkräfte
war, die zur Erhaltung der altsyrischen Fassung
führten.

Einstweilen müssen wir A.Vööbus' vorläufigen Bericht
mit Dankbarkeit aufnehmen und ihn zu seinem (unter ziemlich
schwierigen Verhältnissen geschriebenen) bedeutenden und
zum Widerspruch anregenden Buch beglückwünschen.

Das Englisch weist einige Fehler auf: S. 44 statt „reference" lies ,,in-
ference", S. 67 „adressed" statt „addressed", S. 69 der Gebrauch von „superficial
" (?), S. 78 Zeile 5 ,,a" statt „an", S. 92 „exeptionally" statt „exceptio-
nally", S. 102 „pratical" statt „practical", S. 132 „beatiful" statt „beautiful",
S. 139 Zeile 14 „an" statt „a".

Das Problem des Todes in Genesis 2 und 3

Von W. Vollborn, Kiel

Aus den Arbeiten von H. Gunkel1, H. Schmidt2,
K. Budde3 u.a. ist deutlich geworden, daß Gen. 2 und 3 ursprünglich
keine literarische Einheit sind, sondern daß Unebenheiten
, Dubletten und andere Anstöße nahe legen, Gen. 2
und 3 als eine Komposition verschiedener Uberlieferungsstoffe
anzusehen. Diese Komposition kann literarischer Art sein,
wird aber wahrscheinlich schon vor der literarischen Fixierung
stattgehabt haben, so daß also bereits in der vorliterarischeu
mündlichen Überlieferung verschiedene Erzählungsstoffe sich
zusammengefügt haben. In der folgenden Untersuchung aber
wird auf diese literarischen bzw. stoffkritischen Fragen nicht
eingegangen werden. Die Frage nach dem Problem des Todes
*n Gen. 2 und 3 vielmehr wird gestellt und zu lösen versucht
allein auf den in Gen. 2 und 3 überlieferten Text hin, es ist
a'so die Frage nach dem Problem des Todes in der uns in Gen. 2
und 3 vorliegenden Koniposition.

In Rom. 6, 23 sagt Paulus: „Der Tod ist der Sünde Sold."
In Rom. 5, 18 präzisiert Paulus diesen Satz durch die Auslage
, daß durch Eines Übertretung das Verdammungsurteil
über alle Menschen gekommen ist. Damit ist ausgesprochen,
daß der Tod die kausalbedingte Wirkung des Sündenfalles in
Gen. 3 ist. Wie ist in bezug auf diese Aussage des Paulus der
exegetische Befund in Gen. 2 und 3 ?

In Gen. 2, 7 ist ausgesagt, daß Gott dem aus Erde gestalteten
Leib des Menschen n^T TTOiaD einhaucht. K.Budde
sagt dazu, daß es sich „von selbst versteht", daß diese l'lMBfa
unsterblich ist und folgert daraus, daß der Mensch nach Möglichkeit
, nach Anlage und Bestimmung im Urständ unsterblich

') Hermann Gunkel, Oenesls. Oüttingcr Handkommentar zum Alten
Testament. Herausgegeben von W. Nowack. 5. Aufl. Oöttingen 1922.

') Hans Schmidt, Die Erzählung von Paradies und Sündenfall. Samm-
u"g gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Oeblet der Theo-
loKie und Religionsgeschichte. Tübingen 1931.

*) Karl Budde, Die Biblische Paradiesesgeschichte. Gießen 1932.

geschaffen ist1. Durch die rTC2TÖ3 sei also die Gott eignende
Qualität der Unsterblichkeit dem Menschen inhäriert. Diese
Auffassung von K. Budde scheint mir nicht zutreffend zu
sein. Dagegen spricht schon Gen. 7, 22. In diesem Vers nämlich
sind in bezug auf das vorgegebene Thema zwei wichtige
Aussagen gemacht. In ihm steht, daß auch der nachadamiti-
sche Mensch die nTOlüS hat. Wie aber kann der nachadamitische
Mensch sterblich sein, wenn — wie K. Budde meint — die
rT)2T13D doch gerade die Unsterblichkeit inhäriert ? Weiter bestätigt
dieser Vers, daß die ,1721233 aucl1 den Tieren eigen ist.
Schwerlich aber ist die Meinung des AT die, daß Gott die
Tiere nach Anlage und Bestimmung unsterblich geschaffen
hat, was ja der Fall sein müßte, wenn die Meinung von
K. Budde über rnaiES richtig wäre2. Darüber hinaus scheint
mir aber auch der Tenor des Verses Gen. 2, 7 ein anderer zu
sein als K. Budde meint. Daß Gott dem Menschen die n>2T133
einhaucht, will nämlich nicht sagen, daß ihm damit eine göttliche
Substanz im Gegensatz zu seinem aus Erde gestalteten
Leib inhäriert ist, sondern der Tenor des Verses scheint mir
darin zu liegen, daß der Jahwist durch die Aussage von der
Einhauchuugder maTj53 das am Menschen lebenschaffende Handeln
Gottes bezeugen will. Das geht auch daraus hervor, daß
das Wort nWlÜS verbunden ist mit dem Wort n"«n. das als ge-
nitivus objectivus angibt, was die rTÜlES erwirkt, daß sie nämlich
den zwar schon gestalteten, aber noch leblosen Leib des
Menschen zur j-pn T23D3 macht, d.h. zum lebendigen Menschen;
denn j-pn H3S3 ist der Mensch in seiner Vitalität. Die These
K. Buddes also, daß der Mensch des Urstandes auf Grund der
ihm von Gott eingehauchten rY)21233 nach Möglichkeit, Anlage
und Bestimmung unsterblich geschaffen sei, ist anfechtbar.

') Karl Budde, a.a.O. S. 11, 23.

') Diese Argumentation ist noch zu stützen durch Ps. 104, 29 und Koh.
3,19, wo allerdings nicht rTC1D3i sondern sein Synonym nn als das Prinzip des
Lebens genannt Ist,