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Ausgabe:

1952

Spalte:

700-702

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Seeger, Adolph

Titel/Untertitel:

Staatsgott oder Gottesstaat? 1952

Rezensent:

Seeger, Adolf

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699

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. rt

700

des alten = unwiedergeborenen Menschen voraussetzt. Es gibt keinen Gebrauch
des Gesetzes für die „Wiedergeborenen", sondern nur den für den Christen qua
alten Menschen. Das Problem der Ethik bei Luther hat in der schwedischen
Lutherforschung seither verschiedene Bearbeitungen gefunden, so bei H. Olsson,
G.Törnvall, R. Josefson und G. Wingren. Es geht in diesen Arbeiten darum zu
zeigen, daß der lutherische Dualismus von Gesetz und Evangelium nicht zu
einem Auseinanderfallen der beiden Größen führt, sondern daß die Einheit des
Gottesgedankens, wenngleich in der Spannung der Paradoxie von zornigem und
gnädigem, offenbarem und verborgenem Gott gewahrt bleibt.

Im 5. Kap. zeigt Verf., wie die schwedische Theologie der Gegenwart sich
mit dem Kirchenbegriff müht. Seit 1935 gibt es die unter der Leitung des
Pfarrers Rosendal stehende hochkirchliche Bewegung, die eine starke Annäherung
an den katholischen Sakramentalismus darstellt. Diese Auffassung
erhält durch die exegetische Arbeit der Neutestamentier in Uppsala starken
Auftrieb. Für Fridrichsen ist die Entdeckung der Bedeutung von Kirche und
Sakrament im NT das wichtigste Ereignis auf dem Gebiet der neueren Exegese
. Das Kapitel schließt mit der Darstellung einiger Sammelbände, die sich
mit dem Kirchenproblem befassen (En bok om kyrkan; Den nya kyrkosynen).

Das 6. Kap. zeigt die Auseinandersetzung der schwedischen Theologie mit
der dialektischen Theologie. J.Cullberg befaßt sich in seiner Arbeit „Das Du
und die Wirklichkeit" mit dem Zusammenbruch der idealistischen Ontologie
und untersucht den ontologischen Unterbau der neueren Theologie. H.Eklund
sieht in dem Begriff der Entscheidung einen Ersatz für den älteren Begriff des
Erlebnisses und der rel. Erfahrung. G. Wingren stellt fest, daß bei Barth der
Grundgegensatz in der Theologie nicht der von Gott und Sünder, sondern von
Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf sei. Er bezichtigt Barth eines latenten
Doketismus.

Im 7. Kap. wird die neuere alttestamentliche und religionsgeschichtliche
Forschung in Schweden dargestellt. Dabei stehen die Gedanken des sakralen
Königtums und die anti-evolutionistische Religionsauffassung im Vordergrund.
Führend sind hier die beiden Uppsalenser Forscher G.Widengren und I.Eng-
nell. Beide finden im Anschluß an die englische Schule der „patternists"
(S.H.Hooke) das Schema des sakralen Königtums im AT vor und interpretieren
danach vor allem die Psalmen, aber auch die Urgeschichte und die
Propheten. Wichtig sind hier vor allem die Funde von Ras Schamra geworden.
In den Einleitungsfragen polemisiert Engneil lebhaft gegen die herkömmliche
literarkritische Hypothese zugunsten der überlieferungsgeschichtlichen Auffassung
, die eine stärkere mündliche, in Traditionskreisen sich vollziehende
Überlieferung annimmt.

Der Abschnitt über die neutestamentliche Forschung in Schweden bringt
ein Referat über die wichtigsten auf diesem Gebiet erschienenen Arbeiten. Die
Hauptstärke der schwedischen Forschung liegt auf dem Gebiet der gediegenen
monographischen Einzelforschung, weniger in der Erarbeitung großer kompendienartiger
Werke. Die neutestamentliche Forschung in Schweden hat starkes
Gefühl für historische Differenzierung, und Fridrichsen in Uppsala hat es verstanden
, in den Veröffentlichungen seines Seminars nicht nur seine eigenen
Schüler, sondern auch eine große Reihe von international anerkannten Forschern
zu Wort kommen zu lassen. Viele dieser Studien lassen sich als Vorarbeiten
zu einem Corpus Hellenisticum Novi Testamenti verstehen, während
die Lunder, von Odeberg geführte Schule stärker den rabbinischen Zusammenhängen
des NT nachgeht.

Das 9. Kap. stellt die neuesten und wichtigsten Arbeiten auf dem Gebiete
der Kirchen- und Dogmengeschichte dar.

Die Arbeit bemüht sich, vor allem durch ausführliche Referate die einzelnen
Autoren selbst zu Wort kommen zu lassen und so ein möglichst vollständiges
Bild von der theologischen Arbeit in Schweden zu geben.

Schröder, Gerhard: Das Ich und das Du in der Wende des Denkens

Untersuchung zum Problem der Ich-Du-Beziehung im philosophischen
Denken und in der Theologie der Gegenwart. Mittelstelle für Mikrokopie,
Göttingen, Postschließfach 77. 1951. 488 S. Mikrokopie DM 29.30.

In der Philosophie und in der neueren Theologie wurde bisher viel von
Ich-Du-Beziehung geredet. Aber was wurde bislang darunter verstanden?
Meinten alle, die sich der Ich-Du-Rede bedienten, dasselbe? Diese Fragen
wurden verschieden beantwortet. Es gilt daher, das überreiche Material zu
sichten und zu ordnen. Es gilt zu scheiden zwischen denen, die von Ich-Du-
Beziehung „auch" redeten, weil es eine Zeitlang so Mode war und zwischen
denen, die sich wirklich um ein Er-Gründen dieses Phänomens in ernsthafter
Denkarbeit bemüht haben.

Dieses Bemühen soll einzeln dargestellt und gewürdigt werden; vor allem
aber muß nach Anlaß und Wurzel für die Ich-Du-Rede an sich gesucht werden.
Hier wird sich dann zeigen, daß das Ich-Du-Verhältnis in einer Wende des
Denkens, im Blick auf die Theologie aber als Versuch eines neuen Grundansatzes
theologischen Denkens gesehen worden ist. Danach ist die Frage nach
dem Ich und dem Du nicht die nach der Gestaltung äußeren Miteinanders der
Menschen, nicht eine Frage, die sich mit den Formen und Äußerungen menschlichen
Zusammenlebens beschäftigt, wie sie etwa die Soziologie oder die Gesellschaftslehre
stellen, sondern die Frage der Ich-Du-Beziehung geht hinter
jene „ontischen" Wissenschaften auf die Grundlagen menschlichen Seins zurück
und sucht ihren Anteil an einer Wende des Denkens als solchem nachzuweisen
. Diese Wende, gegen das bis dahin herrschende Geistprinzip des idealistischen
Denkens gerichtet, stellt die Frage nach dem Menschen selbst. So
ist nicht mehr Philosophie des Geistes, sondern Philosophie der Existenz die
neue Losung. In ihr aber begegnet meinem Ich die andere, ebenfalls Anspruch
erhebende, mit Forderungen an das Leben herantretende, ebenfalls lch-sagende
Existenz, ein wirkliches Gegen-über, eben das „Du". Hatte die Philosophie"
bisher den anderen Menschen, das „Du", lediglich als verfügbares Objekt des
einsamen Ich angesehen, so wird es jetzt zum „Problem". Der Denker muß
dieses Problem in seinen Blick nehmen und versuchen, mit ihm fertig zu
werden.

(Folgt eine Darstellung der Auffassungen Pascals, Kierkegaards, Feuerbachs
, Schelers.Grisebachs, Heideggers, Löwiths, Spanns, Jaspers', Bubers usw.
bzw. eine Auseinandersetzung damit.)

Die ev. Theologie hat sich in den letzten Jahrzehnten in weitgreifender
Weise um das Ich-Du-Verhältnis bemüht. Sie sah aller mystizistischen und
pantheistischen Verschleierung ihrer eigentlichen Botschaft gegenüber in der
Ich-Du-Beziehung eine neue Form der christlichen Rede von dem Verhältnis
Gottes zum Menschen. Die Ich-Du-Beziehung soll hier als „Ausdrucksform"
jenes Verhältnisses gelten, das endgültig von allen idealistischen Verdachtsmöglichkeiten
befreien sollte. Freilich brach damit gleichzeitig die Frage auf:
Was ist es eigentlich mit der Ich-Du-Rede? Sie ist doch offensichtlich vom
philosophischen Denken her in die Theologie eingedrungen, ein außertheologischer
„Lehen" also. Fällt die Theologie damit nicht gerade in den von ihr bekämpften
Fehler des Idealismus zurück, philosophischen Gedanken innerhalb
der Theologie Raum zu geben?

(Folgt eine Darstellung der Auffassungen C. Stanges, E. Hirschs, Schumanns
, Thielickes, Bultmanns, Wiesners, Heims, Gogartens, E. Brunners,
K. Barths usw. bzw. eine Auseinandersetzung damit.)

Nach der ausführlichen Darstellung des Ich-Du-Verhältnisses im philosophischen
Denken und in der Theologie der Gegenwart soll eine grundsätzliche
Besinnung die Verwendungsmöglichkeit dieses Phänomens schlechthin
in den Blick nehmen und prüfen. Zunächst wird die an der Ich-Du-Beziehung
in besonderem Maße sichtbar werdende, uralte und bisher noch nie gelöste
Beziehung der Theologie zur Philosophie beleuchtet. Die Grenzlinien wurden
zum Teil — gerade in der Verwendung des Du-Phänomens — erheblich verwischt
. Es gilt daher, sie schärfer herauszuarbeiten. Denn das Ich-Du-Verhältnis
ist nicht nur ein philosophisches Problem — wenn es auch in dem
philosophierenden Be-Fragen menschlichen Existierens seinen Ursprung weiß
und als „Existenzial" meines je eigenen Ich-bin bestimmbar ist, daher dem
philosophischen Denken angehört, sofern dieses die Strukturen menschlicher
Existenz interpretiert —, sondern gehört dem theologischen Denken an, sofern
dieses wiederum in immanente Denk-Formen gekleidetes, menschgebundenes
Nach-Denken der Beziehungen Gottes zum Menschen ist. Die Ich-Du-Beziehung
ist also nicht nur Rede-Form für das Verhältnis Gott-Mensch, sondern
wird durch den Denkvorgang der „Analogie" von einer philosophischen
Existenzial-Struktur zu einer theologischen Denkform für jene Beziehung; sie
ist unleugbar philosophischen Ursprungs, aber mit einer explizit-theologischen
Sach-Beziehung. In dieser Sach-Beziehung wird die Ich-Du-Beziehung in den
Glaubensvorgängen Schöpfung —■ Sünde — Erlösung — Rechtfertigung ■—
Heiligung in ihrem eigentlichen Beziehungsgeschehen Gott-Mensch-Gott
sichtbar.

Seeger, Adolf: Staatsgott oder Gottesstaat im alten Israel und Hellas.

Mittelstelle für Mikrokopie, Göttingen, Postschließfach 77. 1951. 331 S.
Mikrokopie DM 19,80.

Die ersten Ansätze zu vorliegender Untersuchung ergaben sich mir aus
Vorlesungen von Karl Holl im Sommersemester 1912 über Dogmengeschichte,
wo bei aller Klarheit in der Darstellung seine Hegeische Manier mich zum Widerspruch
reizte: daß nämlich alle Dogmenbildungen so verlaufen mußten, wie
sie tatsächlich verliefen! Dem mußte ich widersprechen, weil Geschichte, also
auch Dogmengeschichte, nicht nach apriorischen Regeln verläuft, auch keine
Mathematik ist, sondern ein Zufallsspiel von oft sehr zahlreichen, nicht immer
erkennbaren, Komponenten darstellt, deren Verlauf Menschen nicht berechnen
können. Genau so gut, wie etwa das trinitarische Dogma sich bildete, hätte an
dessen Stelle auch eine andere Glaubensform treten können, wenn die Komponenten
andere gewesen wären. Warum nun aber wurde jene und keine andere?
Mit dieser Frage verschmolzen sich bei längerem Nachdenken noch weitere,
so die: welche Bestandteile der neutestamentlichen Überlieferung setzten sich
bei der Gestaltung des institutionellen Christentums mehr durch: die genuinevangelische
der Jesusbotschaft, wie sie die Synoptiker haben, oder die pauli-
nisch-johanneische, die Jesus schon nicht mehr als Verkündiger betrachten,
sondern bereits als den Verkündigten selbst? Dieser letzteren Frage steht eine
andere inhaltlich nahe, nämlich: ob das werdende Christentum sich ernstlich
bemüht habe, jene Jesusbotschaft vom Gottesstaat in die Tat umzusetzen,
oder ob es sich damit begnügte, ihn zum Kultgott zu erheben — in Analogie
zu den damaligen hellenistischen Religionen und Mysterien — um ihn in dem
Augenblick, wo Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erklärte, zum
Staatsgott des Imperium Romanum zu erklären? — auch wieder in Analogie
zu antiken Staatsgöttern.

Um begrifflich Klarheit zu gewinnen, wurden daher im I.Teil der Untersuchung
einige antike Religionen dargestellt, d.h. nur diejenigen ihrer Momente,
die zu dieser Analogie beitragen: China, Indien, Hellas, Israel. Diese stimmen