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Ausgabe:

1952 Nr. 10

Spalte:

638-640

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schilling, Werner

Titel/Untertitel:

Feuerbach und die Religion 1952

Rezensent:

Schilling, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 10

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5. Diese Wandlungen waren begleitet von der Gründung der Amerikanischen
Vereinigung Theologischer Schulen, der die größeren theologischen
Seminare aller Denominationen angehören und die ein freiwilliges System der
Anerkennung von Schulen eingerichtet hat, die bestimmten akademischen Anforderungen
genügen. Dazu treffen sich lutherische Theologieprofessoren jährlich
zur Besprechung von Fragen, die sie im besonderen angehen.

III.

Abschließend sei noch auf einige schwache Seiten hingewiesen.

t. Die wissenschaftlichen Anforderungen im Theologiestudium sind geringer
als die im medizinischen oder juristischen Studium. Das gilt für alle
Kirchen in Nordamerika. Unter den Protestanten gelten die Lutheraner als
die Kirche mit dem bestausgebildeten Pfarrerstand; aber es ist dabei zu bedenken
, daß es nur wenige lutherische Negerpfarrer gibt.

2. Im großen ganzen entschließen sich Studenten, die in den Colleges
und Universitäten eine besondere wissenschaftliche Befähigung erkennen
ließen, nicht zum Theologiestudium, sondern wählen lieber die Pressearbeit,

Physik, Chemie, Ingenieurswissenschaft, Architektur, Rechtswissenschaft und
Medizin.

3. Die Beziehungen zwischen der Theologie und andern Wissensgebieten
sind ungenügend gepflegt worden. Daß lutherische theologische Seminare nicht
organisch an große Universitäten angegliedert sind, bringt sie in Gefahr, ihre
Arbeit ohne Fühlung mit den allgemeinen geistigen Strömungen der Zeit zu
tun. Doch besteht hier kein zwingender Zusammenhang, denn die 4 lutherischen
Seminare, die an Colleges angegliedert sind, können kaum beanspruchen
, hier eine bessere Fühlung erreicht zu haben als die anderen.

4. Die lutherische Kirche in Amerika ist, als Ganzes, nicht genügend
überzeugt davon, daß dem Theologiestudium über die unmittelbare Aufgabe
der Ausbildung von Männern für das Gemeindepfarramt noch eine eigene Bedeutung
zukommt. Man ermutigt wenig zu wissenschaftlicher Forschungsarbeit
, und ohne dies wird es zu keiner ausgereiften theologischen Führerschaft
kommen können.

Philadelphia Theodore G. Tappert

THEOLOGISCHE ARBEITEN IN MIKROKOPIE

Scharfe, Siegfried: Religiöse Bildpropaganda der Reformationszeit.

Mittelstelle für Mikrokopie, Göttingen, Postschließfach 77. 1951. VI, 151
S. u. 105 Abb. DM 18.—.

Die vorliegende Arbeit ist durch Hartmann Grisars und Walter Heeges
„Luthers Kampfbilder", Freiburg 1921 ff., ausgelöst worden. Ihre Verfasser sind
in ihrem katholischen Ausgangspunkt einseitig. Ihnen ist es weniger um eine
Darstellung der geschichtlichen Tatbestände, als um die Verfechtung
bestimmter polemischer (gegen Luther und die reformatorische Bewegung gerichteter
) Thesen zu tun. Demgegenüber könnte man es für wünschenswert
halten, in ähnlich subjektiver Weise für Luther einzutreten, wobei dann also
die positiven Gesichtspunkte, die für Luther und seine Anhänger sprechen,
herauszustellen wären, unter gleichzeitiger kritischer Behandlung der katholischen
Argumente. Oder aber, und das ist wahrscheinlich vorzuziehen, es wird
der Versuch gemacht, sachlich darzustellen, was gewesen ist, die Leistungen der
Bildpropaganda auf Seiten Luthers und seiner Gegner gegenüberzustellen und
zu werten. Eine grundsätzliche Abgrenzung erfolgt in dem einleitenden Kapitel
auch gegenüber bestimmten formal-ästhetischen Vorurteilen innerhalb der
Kunstwissenschaft, die ebenfalls der Sache nicht gerecht werden können,
wenngleich vereinzelt (so etwa bei Wilhelm Waetzoldt) eine neue (in steigendem
Maße als sachbezogen zu bezeichnende) Auffassung zum Durchbruch zu kommen
scheint.

Das erste Hauptkapitel trägt die Uberschrift „Luther" und ist den Bemühungen
der Bildpropaganda gewidmet, für die Luther selbst entscheidend
mitverantwortlich ist. Das Passional Christi und Antichristi (Cranach) aus dem
Jahre 1521 ist lehrhaft zugespitzt und stellt Szenen aus dem Leben Jesu und
solche aus der Wirksamkeit des Papstes gegenüber. Die Bilder zur Offenbarung
Johannis gehen gleichfalls auf Cranach und seine Mitarbeiter zurück (1522).
Kennzeichnend ist ihre eschatologische Orientierung. Aufschlußreich ist ein
Vergleich mit ähnlichen Motiven aus der Dürerschen Apokalypse. Ahnlich wie
bei dem Passional tritt eindeutig die propagandistische Note hervor. Die Dürerschen
Vorlagen sind entsprechend umgeprägt, wenngleich eine bestimmte
Schärfe der Formulierung in späteren Ausgaben der lutherischen Bibelübersetzung
nicht bestehen bleibt, sondern entsprechend abgemildert wird. (Überraschend
ist die Tatsache, daß die antipäpstlichen Motive aus der lutherischen
Bildpropaganda von katholischen Bibeldrucken zum großen Teil übernommen
worden sind. Grisar hält das, von seinem Standpunkt aus mit Recht, für einen
Mißgriff. „Offenbar ist aber die Reichweite und Durchschlagskraft der von
Wittenberg ausgehenden Glaubens-, Kirchen-und Kulturbewegung viel größer
gewesen, als daß eine bestimmte katholische Kritik wahrhaben will. Ihr Einfluß
war so groß und weitgehend, daß sie sogar ihre Gegner ins Schlepptau nahm.")
Allegorischen Charakters sind weitverbreitete Bilder wie die des Papstesels und
Mönchskalbs (1523),die dazu gegebenen Deutungen für unsere heutige Beurteilung
allerdings manchmal etwas künstlich. Demgegenüber sind die 65 Holzschnitte
zu der Schrift „Das Papsttum mit seinen Gliedern, gemalt und beschrieben
" (1526), zu der Luther das Vor- und Nachwort geschrieben hat, einfach
und harmlos. In diesem Fall wurde von polemischen Spitzen abgesehen.
„Die Wirkungeines bildlichen Sachberichts mit seiner objektiven Genauigkeit
und Richtigkeit war schon groß genug." Illustrativen Charakter haben auch
vereinzelte Bilder aus den 40er Jahren, gegen die allerdings von katholischer
Seite der Vorwurf der Geschichtsfälschung geltend gemacht wird. Besonders
umstritten sind die polemischen Darstellungen in der „Abbildung des Papsttums
" und „Wider das Papsttum, vom Teufel gestiftet", beide 1545. Die
Sprache dieser Bilder ist grob. „Heute würde kein Künstler und erst recht kein
Theologe und Kirchenmann so sprechen. Aber das ist eben der Unterschied.
Was uns bedenklich oder anstößig oder geschmacklos erscheint, das ist den Menschen
des 16. Jahrhunderts offenbar weniger bedenklich vorgekommen. Ihre
Ohren waren noch nicht so überempfindlich für laute und schrille Töne und
Klänge, ihre Augen konnten mehr vertragen als unsere Augen...Vor allem
muß man immer wieder berücksichtigen, daß es sich um volkstümliche Kunst
handelte, die im Dienste der Propaganda stand."

Das zweite Kapitel bringt ergänzendes Material aus der lutherischen Bewegung
. Flugblätter und Flugschriften, die Verbreitung fanden, lassen eine
Fülle von sachlichen und künstlerischen Möglichkeiten erkennen, die gesehen
und genutzt wurden. Auch das Bild des Reformators wurde propagandistisch
ausgewertet. Beachtung verdienen Bilder von Dürer wie „Ritter, Tod und
Teufel" (1513) und „Die vier Apostel" (1526), die nicht nur als ein Glaubenszeugnis
gegen die katholische Kirche, gegen den Papst in Rom und andere Einrichtungen
der katholischen Kirche aufzufassen sind, sondern zugleich als „eine
Predigt, Warnung, Drohung und Bekenntnis gegen den Feind im eigenen
Lager" (Waetzoldt). Grünwald, die beiden Holbein, Altdorfer und Baidung
werden wenigstens andeutungsweise beurteilt. In dem Kampf gegen den Papst,
die katholische Geistlichkeit und den Ablaß hauten die Anhänger Luthers in
dieselbe Kerbe wie Luther.

Die katholische Gegenwehr hatte in Thomas Murner einen fähigen Propagandisten
. Seine 52 Holzschnitte im „Großen lutherischen Narren" (1522)
sind „in höchstem Grade unterhaltsam. Seine Kunst entbehrt nicht des Humors
. Aber es ist kein bissiger und auch kein gehässiger Humor, sondern mehr
eine spielerische Art". Freilich, dann kann ihm auch ein Bild unterlaufen wie
das vom Leichenbegängnis Luthers, auf dem es nicht gerade sehr respektvoll
oder auch nur bürgerlich-anständig zuging. Katholische Kritiker der lutherischen
Kampfbilder mögen zum Vergleich ein solches Bild heranziehen, um zu
erkennen, daß sich die von ihnen an Luther gerügte Geschmacklosigkeit und
Obszönität auch bei ihren eigenen Leuten findet. Eine solche Feststellung erstreckt
sich auch auf andere Bildpropagandisten der katholischen Kirche, denen
allerdings „der Schwung und die Durchschlagskraft, die den Bildern und
Schriften Murners eigentümlich sind, fehlten". „Die Abwehrbewegung verzettelte
sich in Einzelheiten. Es ist vor allem keine in sich geschlossene innere
Einsteilung vorhanden, die es in irgendeiner Weise mit den Vorkämpfern und
Propagandisten der lutherischen Bewegung hätte aufnehmen können." „Luther
hatte zu seinen Gunsten die innere und äußere Glaubwürdigkeit, der katholischen
Kirche fehlte diese Glaubwürdigkeit." Auch bei den Bundesgenossen
Murners lassen sich mannigfache Beispiele dafür anführen, daß sie „in Sachen
äußerer Anständigkeit dem lutherischen Angreifer keineswegs überlegen gewesen
" sind.

Unter der Spätzeit wird die Zeit nach dem Tode Luthers verstanden. Sie
steht im Zeichen des Manierismus. „Die Bildpropaganda bewegte sich vielfach
in ausgefahrenen Gleisen." „Themen, die behandelt wurden, waren in der Regel
ziemlich unverändert die gleichen, wie sie Jahrzehnte vorher dargestellt worden
waren." Auch bei den Katholiken „fehlte die Unmittelbarkeit und Lebendigkeit
früherer Zeiten".

Im letzten Kapitel wird die propagandistische Bildkunst der Reformationszeit
in ihrer Gesamtheit überblickt. Was ihr Wesen betrifft, so mag festgehalten
werden, daß zur Erreichung desselben Zieles eine große Zahl verschiedener
Wege beschritten wurde, gleichzeitig und nacheinander. Die Bildpropaganda
erwuchs aus einer breiten Grundlage. Die Zusammenarbeit zwischen
Theologen und Künstlern erwies sich als fruchtbar. Die Aufgeschlossenheit
weitester Volkskreise war groß.

Geschichtlich gesehen, steht die Hochzeit der 20er Jahre im Zeichen von
Sturm und Drang, im Unterschied zu den 30er und 40er Jahren, in denen eine
Verfestigung und Versteifung eintritt, während schließlich für die Zeit nach
Luthers Tode eine Verarmung und Verkümmerung kennzeichnend ist.

Schilling, Werner: Feuerbach und die Religion. Mittelstelle für Mikrokopie
, Göttingen, Postschließfach 77. 1951. 125 S. Mikrokopie DM8.50.
Nachdem Feuerbachs geistesgeschichtlicher Ort fixiert ist, wird zunächst
in einem ersten Teile eine Darstellung der Theorie auf Grund eingehenden Belegmaterials
aus Feuerbachs Werken gegeben und sodann die bisherige Kritik
(auch wo sie fragwürdig erscheint) in ihren wesentlichen Punkten vorgeführt.
Es erhebt sich die Frage, ob diese Kritik mit ihren gewiß zum Teil sehr wirksamen
Einwänden das religionswissenschaftlich entscheidende Moment berührt.
Dies wird verneint. Religionswissenschaftlich wäre nur dann Entscheidendes ge-