Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1952 Nr. 10

Spalte:

617

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Nicolai de Cusa directio speculantis seu de non aliud 1952

Rezensent:

Landgraf, Artur Michael

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 10

618

im Mittelalter zu entwerfen, sondern auch zu den noch strittigen
Fragen über die Proklos-Benutzung bei Meister Eckehart
(gegen E. von Bracken und R. Klibansky) und Nikolaus
von Kues Stellung zu nehmen. Da die Fragen der Gotteserkenntnis
und der Mystik dabei berührt werden, verdient die
Schrift auch die Aufmerksamkeit des Theologen.

Die Schrift des Albertus Magnus De causis et processu universitatis (S.28)
könnte sehr wohl nach 1268 entstanden sein. Die Deutung der negatio negatio-
nis bei M.Eckehart (30) im Sinne einer einfachen grammatischen Affirmation
erscheint mir für Eckehart doch etwas zu harmlos. Ob bei Nikolaus von Kues
die erste Anregung zu der coincidentia oppositorum von Proklos ausgeht (34),
halte ich nicht für sicher.

Bonn B. Geyer

Nicolai de Cusa: Directio speculantis seu de non aliud. Ed. L.Baur-f
et P. Wilpert. Leipzig: Meiner 1944. XX, 72 S. 4° = Opera omnia iussu et
auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis, ad codicum fidem edita.
XIII.

Wenn irgendein Werk, dann hatte diese Edition ihr Schicksal
. L. Baur, der im Dezember 1942 das Manuskript mit dem
Vorwort abgeschlossen zu haben glaubte, starb am 14. Januar
1943. P. Wilpert, der dann das Werk übernahm, hielt amj. Februar
1944 seine Ergänzungsarbeit für beendet, die noch zwei
wertvolle Abschnitte erbracht hatte über die Dionysiusübersetzung
des Ambrosius Traversarius, die Nicolaus Cusanusnacli
dem Cod. Cus. 43 oder einer diesem nahestehenden Handschrift
benützt hat, sowie über Fragen der Reihenfolge in dieser Ubersetzung
. In der so festgelegten Form wurde das Werk 1944 gedruckt
. Da aber Wilpert damals im Heer diente, was natürlich
mit vielen Hindernissen in der Arbeit und in der Benützung der
nötigen Literatur verbunden war, glaubte er mit den Ergebnissen
nicht zufrieden sein zu dürfen und hat alles einer neuen
Durchsicht unterzogen und in den im November 1950 beendeten
Addenda et Corrigenda die Ergebnisse mitgeteilt, die sich in
der Hauptsache auf Textvarianten und Literaturnachweise beschränken
.

Das Werk Direktio speculantis seu de non aliud, als dessen
Abfassungsjahr Nikolaus von Kues selber das Jahr 1462 angibt,
war lange verschollen gewesen, bis es endlich in dem 1496 von
Hartmann Schedel in Nürnberg geschriebenen heutigen Clm
24848 durch Johannes übinger im Jahr 1888 aufgefunden und
dann in seinem Werk „Die Gotteslehre des Nicolaus Cusanus"
veröffentlicht wurde. Die in dem zur Besprechung stehenden
Band durch L. Baur verfaßte Einleitung berichtet darüber;
dann auch über die Authentizität des Titels, sowie der hier ebenfalls
veröffentlichten „Propositiones eiusdem reverendissimi
patris Nicolai Cardinalis de virtute ipsius non aliud". Auch
wird Stellung genommen zum Memoriale des Cod. 166 des
Magdeburger Domgymnasiums, das 1463 von Nikolaus geschrieben
worden ist. Als Gesprächspartner kommen der Abt
von S. Justina Andreas Vigerius, Petrus Baibus von Pisa und
der Portugiese Ferdinand Matim in Betracht. Da Nikolaus mit
diesen in Rom verkehrt hat, dürfte das Milieu, wenn auch nicht
gerade der genaue Wortlaut, auf Tatsachen zurückgehen.

Die Edition des Textes selber ist mit denkbarster Sorgfalt
gearbeitet. Den Abschluß bildet ein willkommenes Verzeichnis
der Namen und der im Apparat aufgeführten Werke.

Bamberg A.M.Landgraf

Guardini, Romano: Der Engel in Dantes göttlicher Komödie. 2. Aufl.

München: Kösel-Verlag [1951]. 138 S. 8° = Hochland-Bücherei. Guardini:

Dante-Studien 1. Bd. Lw. DM 8.80.

Als G. seine bekannte Schrift über den Engel in Dantes
Göttlicher Komödie im Jahre 1937 zum ersten Male herausgab
, sah er sich zu einer scharfen Absage an K. Vossler genötigt
, der in einer Besprechung seinem Erstaunen darüber
Ausdruck gegeben hatte, daß G. ,,den Engel, den es für den
aufgeklärten Menschen von heute nur noch in der Weise gebe,
wie Zentauren und Riesen, ernsthaft behandele" (vgl. Literatur
-Blatt der Frankfurter Zeitung vom 3. Oktober 1937, Nr. 40).
Vossler vermochte nämlich der Interpretation Guardinis nicht
zu folgen, die äußerlich auf ein größeres geplantes Werk über
Dante hinweist und tiefstes Verständnis für die Metaphysik
Dantes voraussetzt. Auch muß man dafür mit des V.s. früheren
Schriften über Dante vertraut sein. Für Leser, die zu „rascherem
Hinlesen" (Seite m) neigen, ist der feine Band überhaupt
nicht geschrieben. Von vornherein ist für G. die Geschichtlichkeit
der Beatrice entscheidend (S. 73, 101, 121). „Sie bedeutet
keine Allegorie". Wenn die Geschichtlichkeit Beatrices aufgelöst
wird, geht nicht nur der wesentliche Zauber der großen
Dichtung, sondern auch deren innerster Sinn verloren, übrigens
sei auf den vorsichtigen Vergleich mit Hölderlins Diotima
ausdrücklich hingewiesen (S. 73). Die Arbeit selbst geht der

Frage nach, wie die Engel in Dantes großer Dichtung stehen:
in welcher Gestalt sie erscheinen, welchen Charakter sie offenbaren
und welcher Art ihr Tun sei.

Daß G. über weit ausgedehnte Kenntnis der Weltliteratur
verfügt und sie zur Erklärung oft heranzieht — besonders den
Engel der Duineser Elegien —, sei wegen der selbständigen geistigen
Haltung des Verfassers besonders hervorgehoben.

G. ist zutiefst Christ; als solcher lehrt er die Begegnungen
mit den Engeln zu verstehen, das heißt zuletzt, nachdem Beatrice
im 29. Gesänge des „Paradieses" über die Stellung der
Engel in der Welt und ihre Ordnung, über die Zahl der Engel
und ihren Sinn gesprochen hat, sich dem Unausdrückbaren
(Ineffabile) zu nähern. Diese Deutung der letzten Gesänge der
Göttlichen Komödie gehört zu den bedeutendsten Versuchen
dieser Art und ist zugleich persönliches Bekenntnis, wobei
wegen der „sonderbaren Gewohnheit, die Göttliche Komödie
und den Faust immer wieder zusammenzurücken" (Seite 126),
auch darüber einiges gesagt wird (Seite 121. 126). Die Deutung
des Schlusses der Göttlichen Komödie ist für G. „schlechthin
wesentlich, und alles über sie Gesagte wird falsch, wenn es ihm
widerspricht" (Seite 126). Das End-Geheimnis der Göttlichen
Komödie ist mit der Erkenntnis über die Engel verbunden. In
welcher persönlichen Weise Guardini in diesem Zusammenhange
spricht und bekennt, muß jeder, den es angeht, selbst
nachlesen, weil es sich um fast Unaussprechbares handelt.

Jena Friedrich Schneider

REFORMATION UND GEGENREFORMATION
Rieh, Arthur, Dr. theoi.: Die Anfänge der Theologie Huldrych Zwingiis.

Zürich: Zwingli-Verlag [1949]. III, 180 S. 8°. = Quellen und Abhandl. zur
Geschichte des Schweizerischen Protestantismus. Kart. sfr. 9.80.

In der schönen Zwinglibiographie, die uns Walther Köhler
im Jahre 1943 noch geschenkt hat, findet man (S. 264) die
Feststellung, daß „gegenwärtig" das Luthererbe in Zwingli
stark unterstrichen wird. „Es war ehedem zu kurz gekommen."
Es ist geraume Zeit bereits her, daß Schweizer Theologen begannen
, den geistigen Einfluß Luthers auf Zwingli kräftig herauszuarbeiten
(vgl. Oskar Farner; Zwingiis Entwicklung zum
Reformator nach seinem Briefwechsel bis Ende 1522. Zwingli-
ana 1913/14). Walther Köhler hat erheblichen Anteil an dem
Verdienst, die tatsächliche Befruchtung Zwingiis durch Luther
mit deutlich gemacht zu haben, wenn freilich seine Zwinglibiographie
von 1943 gleichzeitig bereits auf eine rückläufige
Bewegung in der Zwingliforschung hinweist (S. 74: „Man
kann nicht nur verstehen, daß Zwingli sich von Luther unabhängig
glauben konnte, er ist es tatsächlich mehr gewesen, als
die Zwingliforschung von heute gemeinhin annimmt").

Die vorliegende Arbeit von Rieh über die Anfänge der
Theologie Huldrych Zwingiis hat nun vollends gebrochen mit
der Tendenz, Zwingli und Luther möglichst stark zusammenzusehen
. Sie leugnet selbstverständlich — das wäre unverzeüi-
liche Torheit — die Bedeutung Luthers für Zwingli nicht
schlechthin. Der „Heros der Reformation" Luther ist Zwingli
begegnet und ihm auch starker Antrieb geworden. An Luther
ist Zwingli offenbar geworden das Ungenügen des Erasmus,
aber nicht hinsichtlich dessen Lehre, sondern hinsichtlich der
„Existenz". Schließlich ist auch eine Affinität Zwingiis zu lutherischen
Gedanken eingetreten, aber erst nach 1522, erst,
als Zwingli bereits auf reformatorischen Boden getreten war.
Auf den Humanisten Zwingli hat Luther keinen spezifisch-
reformatorischen Einfluß genommen. Zwingli ist ohne Luther
zum Reformator geworden.

Wo liegen positiv die Kräfte, die Zwingli zum Reformator
gewandelt haben ? Der Anstoß kommt nicht (das ist schon
länger deutlich) von der Pesterkrankung her, sondern einerseits
von einem ganz intensiven Schriftstudium (vgl. die Zi-
tatezählungen auf S. 138t.), das freilich wieder erklärungsbedürftig
ist: auch der Humanist Zwingli hat bereits intensiv
die Schrift studiert, nur anders, unter Bevorzugung anderer
biblischer Bücher. Woher rührt der neue Zug im Schriftverständnis
? — Andererseits wurde ausschlaggebend für Zwingiis
Wandlung die Lektüre Augustins. In selbständiger Erfassung
der Gnadenlehre Augustins ist aus dem Erasmusschüler
Zwingli, der ein in eine humanistische Bildungsform eingebettetes
Evangelium gepredigt hat, der Prediger einer neuen Bildungsform
des Wortes Gottes geworden.

Der Verf. der vorliegenden Arbeit analysiert zunächst sehr
geschickt den sogenannten „Christianismus renascens", das
ist das erasmische Programm einer Erneuerung und ganz starken
Vereinfachung des Christentums (das Stichwort der Aufklärungstheologie
von der Simplizität des Christentums ist be-