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Ausgabe:

1952

Spalte:

577-584

Autor/Hrsg.:

Schlink, Edmund

Titel/Untertitel:

Das wandernde Gottesvolk 1952

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jT5onatsfd)rift für Das gefamte (Bebtet öcr <Il)cologie und Keli'gi'onstmffenfdjaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 10 77. JAHRGANG OKTOBER 1952

Spalte

Das wandernde Gottesvolk.

Von Edmund Schlink ............. 577

Einige Konsequenzen der Ökumene.

Von O. S. Tomkins ................ 583

Objektives und Persönliches im

Römerbrief. Von Anders Nygren ... 591

Jeremia und das Nordreich Israel.

Von H. W. Hertzberg ............. 595

Johann Georg Hamann und die Fürstin
Gallitzln. Von Fritz Blanke ... 601

Das Problem der natürlichen Theologie
bei Karl Barth.

Von Regin Prenter ................ 607

Archiv für Liturgiewissenschaft. Bd. I
(Fendt) ........................... 622

Benktson: Den naturliga teologiens pro-
blem hos Karl Barth (Prenter) ....... 607

Dey: Schola verbi (Michaelis) ......... 616

Dodd: Gospel and Law (Jeremias) .... 614

Spalte

Fraenkel: Sprachliche, besonders syntaktische
Untersuchung des kalvinisti-
schen litauischen Katechismusd.Malcher
Pietkiewicz von 1598 (Koschmieder)... 620

Guardini: Der Engel in Dantes göttlicher
Komödie. 2. Aufl. (F. Schneider) ____ 617

Hemberg: Die Kabiren (Herter) ...... 611

Kirchenmusikalisches Jahrbuch.
35. Jahrg. 1951. (Söhngen) .......... 6:5

Koch: Piatonismus im Mittelalter (Geyer) 616

Kupisch: Coligny 2 Aufl (Chambon) .. 622

Lindhagen-.EPrAZßZ&AI Die Wurzel

SAU im NT und AT (Debrunner) ... 615
Nicolai de Cusa: Directio speculantis

seu de non aliud. Ed. L. Baur + et

P. Wilpert (Landgraf) ............... 617

Rieh: Die Anfänge der Theologie Huld-

rych Zwingiis (Lau)................. 618

Schimmel: Die Religionen der Erde

(Mensching) ....................... 614

Spalte

Von Personen:

In memoriam Waldemar Macholz
(H. Schmidt) .................... 625

Bibliographie Waldemar Macholz
(v. Rabenau) .................... 628

Berichte und Mitteilungen:

Bemerkungen zur Entwicklung des
Studiums der evangelischen Theologie
in den letzten 20 Jahren (Osterloh) 629

Zur Frage der Reform des Theologiestudiums
(Hahn) ................. 631

Theologiestudium in den lutherischen
Kirchen Amerikas (Tappert) ....... 635

Theologische Arbeiten in Mikrokopie:



Scharfe: Religiöse Bildpropaganda der

Reformationzseit ................... 637

Schilling: Feuerbach und die Religion . 638

Zum vorliegenden Heft: ............ 639

Das wandernde Gottesvolk1

Von Edmund Schlink, Heidelberg

Ii

Die Kirche befindet sich auf dem Wege zwischen dem
ersten und zweiten Advent Jesu Christi. Sie befindet sich auf
der Wanderschaft ihrem wiederkommenden Herrn entgegen.
Sie weiß nicht, was alles ihr auf diesem Wege durch die Welt
noch widerfahren wird. Aber sie weiß gewiß, daß am Ende
dieses Weges der Herr steht als der Sieger über die Welt und
allen Widerspruch. Dann wird er die Seinen sammeln aus allen
Ländern und Völkern und Zeiten und mit ihnen das große
Abendmahl halten. Dann wird nach allem Kampf und Streit
eine Herde und ein Hirte sein. Wenn der Apostel Paulus
schrieb: „Unser Heil ist jetzt näher, denn da wir gläubig
wurden" {Rom. 13, n), so gilt dieses Wort erst recht heute:
Die Wiederkunft Christi ist näher als je zuvor. Christus wird
kommen, sein Volk zu erlösen.

Aber vergessen wir nicht: Der Herr wird kommen nicht
nur als der Erlöser, sondern auch als der Richter, und zwar
nicht nur als der Richter der Welt, sondern auch als der Richter
der Christenheit. ,,Wir alle müssen offenbar werden vor
dem Richterstuhl Christi" (2.Kor.5,10). Dann wird der Herr
zu den einen sagen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters
" — und zu den anderen: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten
" (Matth. 25,34.41). Dann wird er eine Scheidung vollziehen
, die viel tiefer greift als alle Scheidungen, die wir Menschen
auf Erden vornehmen. Dieser Scheidung des jüngsten
Gerichts gegenüber sind auch die Kirchentrennungen nur vorläufig
und ermangeln trotz allen Ernstes der eschatologischen
Endgültigkeit. Denn die Scheidung, die Christus am Ende der
Welt vornehmen wird, geht durch alle Kirchen hindurch.
Keine der hier versammelten Kirchen kann damit rechnen,
dann ungeteilt zubleiben. Auch zu solchen, die vor ihm gegessen
und getrunken und sein Wort gehört haben (Luk.13, 26f.),
auch zu solchen, die in seinem Namen geweissagt und große

') Voitrag, gehalten vor der Vollversammlung der Weltkirchenkonferenz
für Glauben und Kirchenverfassung in Lund am 17. August 1952.

Taten getan haben, wird der Herr dann sagen: „Ich habe
euch noch nie erkannt; weichet alle von mir" (Matth.7, 22t.).

Wer aber wird dann gerettet werden ? — Die geistlich
Armen, die Hungernden und Durstigen (Matth.5,3.6), die
sehnsüchtig Wartenden und Wachenden (Matth. 25,1 ff.) —,
die Unruhigen, die darum wissen, daß sie in dieser Welt ganz
und gar in der Fremde sind und daß sie hier keine bleibende
Statt haben, — die Sehnsüchtigen, die die Lösung aller Probleme
einzig und allein von dem kommenden Herrn erwarten.
Uber den Reichen, den Satten, den Lachenden, den in dieser
Welt Beheimateten und Beliebten aber steht Christi: „Wehe!"
(Luk. 6,2411.).

Wir sind hier versammelt als getrennte Kirchen. Aber vor
uns allen steht der wiederkommende Herr, ob wir dessen eingedenk
sind oder nicht. Wir alle befinden uns schon in dem
Netz, das er ausgeworfen hat, auch wenn dieses Netz noch
nicht aus dem Meer herausgezogen ist und wir noch meinen,
munter und frei im Wasser herumzuschwimmen. Aber das
Netz wird mit Sicherheit aus dem Wasser herausgezogen und
die guten und die faulen Fische werden geschieden werden
(Matth. 13,47 ff.). Mögen wir noch so uneins sein, wir sind
faktisch eins als die von einem Netz unentrinnbar Umschlossenen
und als die dem einen Herrn und Fischer Ausgelieferten.

II.

Dieses Gericht ist nicht nur ein zukünftiges, sondern es
ergeht schon jetzt über große Teile der Welt und weite Bereiche
der Christenheit. Ich denke hier an die gewaltigen geschichtlichen
Katastrophen und die Verfolgungen, die Gott
über viele unserer Brüder hat hereinbrechen lassen. Für sie hat
Gott die eschatologische Prüfungs- und Sichtungszeit bereits
beginnen lassen. In diesen Nöten und in den damit gegebenen
Versuchungen, das eigene Leben zu retten durch die
Verleugnung des Herrschaftsanspruches Christi und durch die
Preisgabe der B'üder, erfolgen bereits jetzt Scheidungen von
letztem Ernst. Hier hat der Herr bereits jetzt die Wurfschaufel
in die Hand genommen und die Kirchen auf diese Wurf-

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