Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1952 Nr. 1

Spalte:

41-42

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hamel, Adolf

Titel/Untertitel:

Kirche bei Hippolyt von Rom 1952

Rezensent:

Campenhausen, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

41

Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 1

i2

Sehr aufschlußreich ist die Feststellung, daß sich die allegorische
Exegese bei Origenes in den Josua-Homilien nicht
findet — weil Philo, der sich auf den Pentateuch beschränkt
hat, hier kein Vorbild bot. D.h.: Origenes hat die philonische
Allegorese nicht als eine Methode übernommen, die er sich aneignete
, sondern lediglich als eine Tradition, die er reproduzierte
. Wer ihn ohne Einschränkung zum Allegoriker philoni-
scher Prägung stempelt, tut ihm Unrecht (S. 2i2f.).

Von der sehr großen Stoffülle, die D. geistvoll und fesselnd
ausbreitet, kann diese Besprechung keinen Eindruck geben;
sie muß sich damit begnügen, der meisterhaften Darstellung,
die weithin Pionierarbeit leistet, viele aufmerksame Leser zu
wünschen. Freilich legt der Leser, zumal der protestantische
Leser, das Buch mit einer gewissen Bedrückung aus der Hand,
weil er immer wieder den starken Abstand (um nicht zu sagen:
den Abfall) der patristischen Exegese von der neutestament-
lichen spürt.

Göttingen Joachim Jeremias

Hamel, Adolf: Kirche bei Hippolyt von Rom. Gütersloh: Bertelsmann
1951. XI, 230 S. 8° - Beiträge zur Förderung christl. Theologie. Begr. v.
A. Schlatter, hrsg. v. P. Althaus u. J. Jeremias. 2. Reihe: Sammlung
wissenschaftl. Monographien. 49. Bd. DM28.30.

Obgleich Hippolyt von Rom zu einem kirchengeschicht-
lich sehr wichtigen Zeitpunkt an hervorragender Stelle gewirkt
hat, wird er nicht viel gelesen. Er ist bei allem wissenschaftlichem
Eifer und sittlichem Ernst geistlos, ein ermüdender
Schriftsteller. Um so dankbarer ist man für ein Buch, das
seine für ihn selbst zentralen Gedanken über die Kirche, ihr
Wesen, ihre Aufgabe und ihre Gestalt, in einer umfassenden
Monographie zur Darstellung bringt und quellenmäßig belegt.
Sie führt in die gelehrte Diskussion mit einer Gründlichkeit
ein, daß sie partienweise fast einen Kommentar ersetzt und
jedenfalls viel Arbeit sparen kann; trotzdem ist die Darstellung
selbst leicht und bequem zu lesen. Der Verf. ,der sich früher
eingehend mit der Kirchenordnung Hippolyts beschäftigt hat,
konzentriert sich dieses Mal auf die exegetischen und polemischen
Schriften, die weniger umstritten, aber in den theologisch
wesentlichen Fragen um so ergiebiger sind. Hippolyt
der Exeget und der Prediger, sein Schriftbeweis und seine
Bilderwelt werden mit besonderer Liebe geschildert.

Nach einer allgemeinen Einleitung (I) behandelt das Buch
Hippolyts Auffassung der Kirche als wahren Israels (II), als
Versammlung der Heiligen (III) vind als Trägerin der „Wahrheit
" (IV), dann ihre besonderen Stände und Ämter (V) und
ihr Verhältnis zum Staat und zur „Welt" (VI). Die entsprechenden
Anschauungen des Irenäus werden jedesmal mit behandelt
. Die allgemeine geschichtliche Einordnung Hippolyts,
die sich so ergibt (VII), ist zweifellos richtig: Hippolyt hat in
einer neuen Epoche, die durch den Bußkampf und schärfere
Verfolgungen gekennzeichnet ist, die Anschauungen seines
Lehrers weitergeführt, ist aber im Ganzen doch „auf demjenigen
Entwicklungsstadium der alten Kirche stehen geblieben
, das mit Irenäus und Tertullian vor dessen montanistischer
Periode erreicht ist". Die klerikal-hierarchischen Züge im Bilde
der Kirche haben sich dabei gegenüber Irenäus etwas verstärkt
. Ich würde noch mehr, als es der Verf. tut, betonen, daß
sie bei beiden fast nur in polemischem Zusammenhang eine
Rolle spielen und würde ihre allgemeine Bedeutung dementsprechend
hier wie dort noch etwas abschwächen.

Revolutionäre Entdeckungen waren bei Hippolyt nicht
zu erwarten und sind auch nicht gemacht worden. Die alten
Fragestellungen werden im wesentlichen festgehalten und neu
bestätigt. Ich bedaure das vorzüglich an einem Punkt: der Verf.
folgt in der Beurteilung der Bußfrage ganz den bekannten Aufstellungen
Hugo Kochs (mit dem er darüber noch persönlich
in Austausch treten konnte) und versteht die „laxere" Traxls,
die Hippolyts Gegenbischof Kailist zu den Todsündern einnimmt
, demgemäß als prinzipielle Neuerung gegenüber
einer vermeintlich von alters her herrschenden strengeren
Grundanschauung. Der m.E. in der Hauptsache unwiderlegliche
Gegenbeweis, den B. Poschmann in seinem monumentalen
Werk „Paenitentia secunda" (1940) geführt und jetzt in
dem großen katholischen „Handbuch der Dogmengeschichte"
(IV, 3) wieder vertreten hat, scheint ihm merkwürdig wenig
Eindruck gemacht zu haben. M.E. ist das ganze Problem, so
wie es um die Wende des 2. zum 3. Jahrhundert zur Entscheidung
steht, langsam emporgetaucht und erst durch den Mo-
tanismus unausweichlich gemacht worden; man kann die verschiedenen
Stellungnahmen hierzu nicht einfach als Bewahrung
oder Bruch der bisherigen Grundsätze verständlich machen.

Doch würde es hier zu weit führen, diesen abweichenden
Standpunkt zu begründen. Für Hippolyts eigene Anschauung
und Haltung bleibt das neue Werk, wie gesagt, e j'n zuverlässiger
und willkommener Führer. Dabei wird man dem Verf. für
die fortlaufende Berücksichtigung der sehr zerstreuten gelehrten
Spezialliteratur heute besonders dankbar sein.

Doch sollte die Kirchengeschichte von Karl Müller, mit dem sich der
Verf. wiederholt auseinandersetzt, nicht mehr nach der 2. Auflage zitiert
werden. Zum Exkurs über das kirchenrechtliche Schrifttum Hippolyts S. 5ff.
verweise ich noch auf die erneute Anzweiflung des hippolytischen Ursprungs
der Kirchenordnung durch H. Engberding, Das angebliche Dokument
römischer Liturgie aus dem Beginn des 3. Jahrhunderts, Mise, liturg. in honorem
L. K. Mohlberg (Rom 1948) 47—71 und die vernichtende Zurückweisung
dieses Versuchs durch B. Botte, L'authenticite de la „Tradition apostolique
de saint Hipoolyte, Rech, de Theol. anc. et mediev. 14 (1948) 177—185.
Übrigens sollte das Buch von Jungklaus über die Gemeinde Hippolyts nicht
mehr erwähnt werden, da es vom Verlage selbst als Plagiat zurückgezogen ist.
— Zur Frage der vorzeitigen Auferstehung der Märtyrer S. 151 wüßte ich gerne,
ob der Verf. meine anders gerichteten Ausführungen nur übersehen hat oder
ob er sie einer Widerlegung nicht mehr für wert hält.

Heidelberg H. v. Campenhausen

Morenz, Siegfried: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann.

Übers., erl. u. unters. Berlin: Akademie-Verl. in Arbeitsgemeinschaft mit
dem J.C. Hinrichs Verl., Leipzig 1951. XII, 136 S. gr. 8° = Texte und
Untersuchungen zur Geschichte der altchristl. Literatur. Begr. von O. v.
Gebhardt u. A. v. Harnack, hrsg. v. W. Eltester u. E. Klostermann. 56. Bd.
= V. Reihe, Bd. 1. DM 20.—.

Das Erscheinen dieses Buches erfüllt uns mit doppelter
Freude. Zunächst begrüßen wir dankbar, daß nach langer
Unterbrechung wieder ein Heft der verdienstvollen „Texte
und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur
" erscheint: möge es in dichter Reihe viele Nachfolger
finden! Denn, und das ist das zweite, das wir mit Befriedigung
feststellen, der Wiederanfang ist durchaus gelungen. Siegfried
Morenz, der an der Universität Leipzig Aegyptologie und
liellenistischeReligiousgeschichtelehrt, behandeltdie älteste erhaltene
Fassung der Legende von Joseph dem Zimmermann;
sie stammt etwa aus der Zeit gegen 400 (vgl. C. v. Tischendorf
, Evangelia apoerypha, 2. Aufl. 1876, S. XXXIIff. und
122ff.). Der Text ist zunächst koptisch erhalten, vollständig
in bohairischer Mundart, teilweise auch saidisch. Auf der
koptischen Fassung beruht eine arabische; es bedarf noch der
Untersuchung, wie weit diese etwa zur Herstellung des ältest
erreichbaren koptischen Textes beiträgt. Der Verf. gibt eine
genaue Ubersetzung der beiden koptischen Uberlieferungen,
und zwar so, daß er die von den Kopten benutzten griechischen
Fremdwörter regelmäßig anmerkt, zur Freude aller, die
sich mit der Koine befassen. So verschafft der Verf. dem, der
sich, ohne koptisch zu können, mit unserer Schrift wissenschaftlich
befaßt, das erstemal eine sichere Grundlage.

Es erhebt sich die Frage, ob der Urheber koptisch schrieb
oder die koptische Fassung eine Ubersetzung aus dem Griechischen
ist. Wer selbst schon auf diesem Gebiete gearbeitet hat,
weiß, wie schwer es ist, hier einen zwingenden Beweis zu führen
. Der Verf. geht in behutsamer Weise vor und überlegt sich
genau, wie weit seine Gründe tragen (S. 8Sff.). In jedem Falle
macht er es überaus wahrscheinlich, daß die koptischen Texte
aus einer griechischen Urform stammen. Der Beweis wäre
lückenlos, wenn mit Recht dem Kopten Ubersetzungsfehler
vorgeworfen werden dürften (S. 95t.). Davon bin ich nicht
völlig überzeugt; die betreffenden Stellen lassen sich zur Not
auch anders auffassen. In jedem Falle sind die Ausführungen
des Verf.s ein Musterbeispiel dafür, wie solche Untersuchungen
zu führen sind; sie werden viele Nachfolger finden. Für den
Sprachforscher ist dieser Teil des Buches von entscheidender
Bedeutung.

Hat die Josephsgeschichte eine griechische Urschrift, so
ist sie doch in Ägypten entstanden. Das läßt sich sicher begründen
(S. 1231?.). Ägyptisches Brauchtum wird übernommen
; ebenso allerlei aus dem ägyptischen Jenseitsbilde. Vor
allem aber wirken die Erzählungen aus dem Kreise um Osiris
ein. Um die wichtigste Einzelheit zu nennen: „Fest verkettet
werden Osiris und Joseph durch das Datum des Festes, das
ihnen gilt und sie über die Gestalt des Niles zusammenführt".
Als Josephs Todestag gilt nämlich der 26. Epep (19./20. Juli).
Das ist der Tag, an dem in Neilu polis die Nilschwelle beginnt
und ein entsprechendes Fest gefeiert wird. Den Zusammenhang
betonte bereits G. Klameth (Angelos III, 1930, S. gf.);
unser Verf. sichert die Erkenntnis durch eine ausführliche Darlegung
, die die Stellung des Niles in der ägyptischen Frömmigkeit
behandelt und aus vielen Quellen erläutert (S. 2gff.)-