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Ausgabe:

1952 Nr. 9

Spalte:

561-563

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Leys, Roger

Titel/Untertitel:

L ' image de dieu chez Saint Grégoire de Nysse 1952

Rezensent:

Völker, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 9

562

unter ein Verzeichnis der Termini, beschließen das Werk, für
das die historischen und systematischen Theologen dem Verf.
dankbar sein werden.

Würzburg Berthold Altaner

Leys, Roger, Prof., S.J.: L'imagede Dieu chez Saint Gregoire de Nysse.

Esquisse d'une doctrine. Bruxelles: L'edition universelle; Paris: Desclee de
Brouwer 1951. 146 S. gr. 8° = Museum Lessianum, Section theologique 49.

Untersuchungen über die Bildtheologie bei den älteren Kirchenvätern
und deren Bedeutung für die Ausformung ihrer einzelnen
Ansichten erfreuten sich in den letzten Jahren großer
Beliebtheit. Besondere Erwähnung verdienen die Arbeiten von
E. Peterson über Irenaeus, A. Mayer über Clemens Alexandrmus
, H. Rahner über Origenes und J. B. Schoemann über
Athanasius. So konnte es nicht ausbleiben, daß sich auch die
Gregor v. Nyssa-Forschung dieser Aufgabe zuwandte und die
Bedeutung der Eikon für den theologischen Gesamtaufriß dieses
Vaters zu ermitteln suchte. Hier wären vornehmlich die
einschlägigen Kapitel in den bekannten Monographien von
H.U. v. Balthasar und J.Danielou anzuführen und schließlich
der zusammenfassende, höchst lehrreiche Aufsatz von J.B.
Schoemann (Scholastik XVIII, 1943, S.ßiff., 175U.).

Gestützt auf diese wichtigen Vorarbeiten und mit voller
Beherrschung des weitschichtigen Quellenmaterials unternimmt
es Verf., seinerseits einen neuen Durchblick durch Gregors
System von der Bildtheologie aus zu erschließen. Seine
Aufgabe sieht er darin, uns die Gedanken Gregors in all ihrer
Verzweigung vorzuführen, dabei Gregor selbst ausführlich zu
Worte kommen zu lassen, aber grundsätzlich sich auf die Wiedergabe
von dessen Ansichten zu beschränken, ohne sie spekulativ
weiterzubilden (S.16, 20). Es ist dem Verf. nicht entgangen
, daß er in vielen Punkten von seinen Vorgängern abhängig
ist, aber in einem Doppelten hofft er doch, die Forschung weiterzuführen
: Er entfaltet die importance speculative der Eikon
(S.23—57), und er beschränkt deren Geltungsbereich nicht auf
die Anthropologie, sondern dehnt ihn auf die Lehre von Tri-
nität und Kirche aus (S. 120—129).

Er beginnt mit der Dialectique de l'image (S. 23ff.), wobei
er auf die Spannung von Ähnlichkeit und Verschiedenheit hinweist
, das Abbild als „Zeichen" des Urbildes würdigt, das man
in seinem Wesen nicht erkennen könne, das aber im Bilde zugegen
und mit diesem durch enge Bande verknüpft sei. Erst
nach Erledigung dieser prinzipiellen Fragen wendet sich Verf.
der Einzeluntersuchung zu und behandelt umsichtig die Probleme
, die die Anthropologie stellt: Das Individuum bzw. die
menschliche Natur als solche ist Träger der Eikon (S.59—92),
ohne hierbei freilich wesentlich neue Erkenntnisse zu gewinnen
. In nicht sehr glücklicher Anordnung folgt eme Darlegung
von Problemes particuliers (S.97—119), die man zweckmäßiger
auf die passenden Abschnitte des vorhergehenden Kapitels
verteilt hätte (L'image et la gräce, l'image et le sexe usw.). Die
Ausführungen über den Einfluß des Bildgedankens auf die
Lehre von Kirche und Trinität, die das Neue des Buches enthalten
sollen, sind nur recht kurz und bescheiden ausgefallen
(S. 120—129), da Verf. hier kaum Belegstellen anführen kann,
und wo er etwas ausführlicher wird (Der Logos als Abbild des
Vaters), behandelt er nur bekannte Gedanken. Ein Anhang
(S. 130—138) soll im Anschluß an Ivanka die Echtheit der beiden
Homilien: ,,In verba: faciamus.. ." nachweisen.

Nicht glücklich ist zunächst die Anlage des Buches und
die Art, wie die Untersuchung durchgeführt wird. Ich kann
es nicht recht einsehen, warum die Erörterung der Dialectique
de l'image den Anfang macht, und dann erst die Bildtheologie
im einzelnen entfaltet wTird. Für das Verständnis des unvorbereiteten
Lesers wäre der umgekehrte Weg sicher der leichtere
und sachgemäßere gewesen. Die gesonderte Behandlung
der Problemes particuliers in Teil II, cap. 1, II führt, wie schon
erwähnt, zu unnötigen Wiederholungen, die hätten vermieden
werden können.

Bei der Untersuchung selbst schlägt Verf. den recht umständlichen
Weg ein, bestimmte Texte in voller Breite zu übersetzen
, gründlich zu besprechen, um dann bei der nächsten
Stelle das gleiche Verfahren zu wiederholen. So kehren dieselben
Gedanken wieder, die Darstellung wird monoton,
schwerfällig, und der Beweisgang bei allem doch undurchsichtig
. Warum werden z.B. drei bekannte Abschnitte, die
Gottes Transzendenz behandeln, so ausführlich übertragen und
analysiert (S.28—45), wenn doch nur der Gedanke herausgearbeitet
wird, daß Gottes Wesen uns unerkennbar bleibe,
und wir uns au die eni&ecoQOVfteva halten müßten ?

Verf. empfindet es ferner selbst als einen Mangel, daß er
"die Tradition nicht berücksichtigt, in der der Bildgedanke
steht (S.15). Was er hier unterläßt, tut er anderen Ortes zu
viel. Es kommt ihm nämlich darauf an, die Zusammenhänge

zwischen Gregor und der abendländischen, besonders der scholastischen
Theologie aufzudecken. Er tut es freilich mit einer
gewissen Zurückhaltung, aber er behauptet schließlich doch:
,,La continuite. . .reelle d'une tradition" (S.97). Die Tendenz
tritt im ganzen Buche unverkennbar zutage, was die Beantwortung
der emzelnen Fragen eher erschwert als fördert. So
kommt es dem Verf. z. B. auf den Nachweis an, daß Gregor den
Gegensatz von Natur-Gnade kenne, ihn aber unter der Antithese
: Geschaffen — ungeschaffen behandele (S.100—105).
Doch ergibt sich aus einer Prüfung der angeführten Belege,
daß diese nichts beweisen, weil Gregor bei seinen Termini ein
ontologisches Schema im Auge hat. Das Ungeschaffensein
Gottes hat bei ihm einen viel weiteren Umfang (besonders in
der Kampfschrift gegen Eunomius) und eine andere Bedeutung
als die Gnade in der abendländischen Theologie. Anfechtbar
ist ferner das Bestreben, alle Gaben der Eikon als „übernatürlich
" zu bezeichnen: de par la finalite nouvelle que la
gräce leur confere (S.105). Hier wird alles begrifflich scharf
präzisiert, während die frühere katholische Forschung mit
Recht bei Gregor gerade das Dehnbare und Ungeklärte in
Ausdrucksweise und Gedankenführung hervorhob. Das gleiche
Bestreben verrät er, wenn die Tatsache, daß die Eikon auch
trotz aller Sünde nicht verschwinde, mit der Lehre vom „Charakter
" in Zusammenhang gebracht wird (S. 114), oder wenn
aus der Bezeichnung des Heil. Geistes als des Abbildes vom
Logos Folgerungen für das filioque gezogen werden (S. 128). Es
ist sicher auch nicht zufällig, daß sich vereinzelt Hinweise auf
abendländische Mystiker späterer Zeiten finden, die mit Gregors
Ansichten übereinstimmen sollen (z.B. S.42). Für eine
historische Untersuchung wäre es wertvoller gewesen, Gregor
aus seiner Zeit heraus zu verstehen, die Quellen aufzudecken
und sein Verhältnis zu Athanasius und den beiden anderen Kappadoziern
zu erörtern, als ihn der abendländischen Kirchenlehre
anzugleichen, mag dies auch noch so zurückhaltend geschehen.

Gewiß wird man auch bei den Einzelausführungen manches Fragezeichen
setzen müssen. So halte ich die Auslegung der vielverhandelten Stelle aus der
elften Homilie zum Hohenliede (MSO 44, 1001 B) für falsch. Von der Braut
heißt es: vjiö ttjs 0°eias vvxxbt xepiezexcu. Sie sieht den Geliebten zwar nicht
von Angesicht, aber dieser schenkt ihrer Seele doch ala & roiv fiev tiva ...
xfjs nagovoiäs. Dem ganzen Zusammenhange nach kann es sich nur um eine
hohe mystische Gnade handeln, während Verf. im Gegensatz zur bisherigen
Forschung darin die Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung ausgesprochen
findet (S. 36). Angreifbar ist ferner der Satz: L'image est la saintete
et la saintete est l'extase.dans la nuit (S. 140). Unter der Ekstase versteht
Gregor etwas anderes als das fortgesetzte Streben nach Vollkommenheit, er
macht sie vielmehr regelmäßig von der Herzensreinheit als ihrer Voraussetzung
abhängig (cf. contra Eunomium III I, 16, II S. 7, lOf. Jaeger: tijv
xexa&apfievriP xaQÖiav- I. Lobrede auf Stephanus, MSG 46, 713B: ßXenet
xols xa&apots d(p&aAjuoTs).

So interessant sich ferner die Darlegungen über den Idealmenschen lesen,
der änav... rb äv9^cömvov in sich vereinigt habe (S.79—84), so wäre ein Hinweis
auf Philo (doch cf. S. 79, 6) vielleicht förderlicher gewesen als die eigenen
Spekulationen des Verf. s. Bei jenem findet sich nämlich die gleiche Auslegung
von Gen. l,26f., die auch Origenes beeinflußt hat. Gregor steht hier also in
einer bestimmt geprägten Tradition.

Ein besonderes Wort der Kritik muß noch zum Versuch des Verf. s gesagt
werden, in der Nachfolge Ivankas die Echtheit der beiden Homilien: „In
verba: faciamus..." zu erweisen. Er führt zwei Argumente an. Zunächst will
er den Unterschied zwischen eixwv und dfioicoots, der hier obwaltet, der aber
den Schriften Gregors selbst fremd ist, beseitigen. Aus den Gegenüberstellungen
auf MSG 44,273 A—C gewinnt man den deutlichen Eindruck, daß es sich um
Gegensätze handele: xar' elxöta..., xa&' öfioiu>olv ös (wiederholt in 273C).
Verf. meint aber, daß die cixcbv sich entwickele zur öfioicoais, daß beide Termini
gemeint seien dans le meme sens surnaturel, daß in ihnen etwas enthalten
sei du meine ordre (S. 135). Ebenso gewaltsam will er das To fiiv xxlaec
sy.ofiev interpretieren, das doch gewiß in die Linie des Natürlichen, der eixwv,
gehören soll. Weil nun aber in Ecthesis 3 sich die Wendung findet: xov xxi-
aavxot... tö &eoeidis öfioicofia, glaubt Verf., daß das Wort xxiau in der Homilie
sachlich zu o/ioicofia, aber nicht zu tixcbv gehöre. Damit wäre der Gegensatz
des Textes wieder verwischt. Aber es ist sehr fraglich, ob dieser nach der
Ecthesis-Stelle ausgelegt werden muß, zumal diese ja Gott als den Schöpfer
im Auge hat, auf den beides zurückgeht, elxiöv wie 6/j.oicofia, während die Homilie
gerade von der xxiau spricht und dafür im folgenden elxcbv einsetzt.

Im Fortgang (S.137f.) wird eine Liste von 21 Themen aufgestellt, in
denen die Homilien mit den echten Schriften Gregors übereinstimmen sollen.
Dies hätte im einzelnen freilich genauer untersucht und vor allem hätte nachgewiesen
werden müssen, wo es sich wirklich um Gregor eigentümliche Gedanken
handele, wo nur um allgemein verbreitete (z.B. das Ebenbild ist nicht im
Körper zu suchen, ebenso wenig in den ndd't], Herrschaft des Menschen über
die Tiere, sein aufrechter Gang, Mensch als Mikrokosmos usw.). Ich kann
nicht finden, daß diese Ergänzung von Ivankas Argumentation sonderlich zugunsten
der Echtheit in die Wagschale fällt. Doch müßte die Frage nochmals
gründlich untersucht werden, denn Ivankas Beweisgang ist sehr beachtlich.

Trotz aller Mängel im einzelnen wird das sorgfältig ge-