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Ausgabe:

1952 Nr. 9

Spalte:

557-559

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Alttestamentliche Studien 1952

Rezensent:

Noth, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 9

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sen und nur in der Einleitung des Herausgebers (S. XXVIII)
und in dem Beitrag über die Archäologie des Alten Orients (S.
39 f.) mit ein paar Sätzen erwähnt, die einem Leser, der die einschlägige
Literatur der letzten Jahrzehnte über diese Dinge
nicht ohnehin kennt, schwerlich ein ausreichendes Bild geben
werden. Die neueren Arbeiten über einzelne Institutionen und
über die Probleme der Geschichte des israelitischen Rechts bleiben
unberücksichtigt. Diese völlige Ubergehung eines umfangreichen
Forschungsgebietes scheint mir seiner historischen und
theologischen Bedeutung nicht angemessen.

Nicht weniger bedauerlich finde ich das Fehlen eines Beitrages
über die Leistungen der letzten Jahrzehnte im Bereich
der Geschichte des Volkes Israel. Der Herausgeber begründet
den Verzicht auf eine gesonderte Behandlung dieses Gebietes
mit dem Hinweis darauf, daß hier eigentlich nur durch die in
den betreffenden Abschnitten des Werkes erwähnten archäologischen
und epigraphischen Neufunde gewisse Fortschritte im
Verständnis von Einzelheiten erzielt worden seien, daß hingegen
von ,,new trends" in der Gesamtauffassung der israelitischen
Geschichte, die eine eigene Darstellung gefordert und
verdient hätten, während des ganzen letzten Menschenalters
bestimmt nichts habe festgestellt werden können (S. XXI f.).
An diesem Urteil scheint mir so viel richtig zu sein, daß es in der
Erforschung der israelitischen Geschichte in der Tat seit langem
nicht zu grundstürzenden Neuerungen gekommen ist. Das Urteü
wird aber falsch, wenn mit ihm behauptet werden soll, daß die
Forschung hier überhaupt keine Fortschritte gemacht habe, wo
sie nicht durch archäologische und epigraphische Neufunde bereichert
und gefördert wurde. Siehat in Wirklichkeit auch in den
letzten 30 Jahren, ohne viel Aufhebens davon zu machen, vor
allem an dem ihr seit jeher gegebenen zentralen Quellenmaterial
im Alten Testament, aber natürlich auch an den Neufunden
unter Hinzuziehung der verfügbaren Hilfsmittel planmäßig
weitergearbeitet und besonders durch methodische Verfeinerung
und Vertiefung der verschiedenen Aspekte, unter denen
alle Geschichte gesehen werden muß, wenn ein zutreffendes
Gesamtbild von ihr entstehen soll, wesentliche neue Einsichten
gewonnen, von denen man vor einem Menschenalter rfoch kaum
etwas wußte und die aus dem heutigen Stand der Wissenschaft
vom Alten Testament nicht mehr wegzudenken sind. Ob man
diese Einsichten und die ihnen zugrunde liegenden Fragestellungen
als ,,new trends" bezeichnen will oder nicht, ist Geschmackssache
; daß der Leser des vorliegenden Werkes nichts von ihnen
erfährt, bleibt meiner Meinung nach ein Mangel, der aber
den Dank für das auf anderen Gebieten Dargebotene nicht
mindern kann.

Leipzig Albrecht Alt

[Nötscher-Festschrift:] Alttestamentliche Studien. Friedrich Nöt-

scher zum sechzigsten Geburtstag 19. Juli 1950 gewidmet von Kollegen,
Freunden und Schülern. Dargeboten von Hubert Junker und Johannes
Botterweck. Bonn: Hanstein 1950. X, 292 S., 1 Taf.gr. 8° = Bonner
Bibi. Beiträge, hrsg. v. Fr. Nötscher und K. Th. Schäfer, Bd. 1. DM24.—.
Friedrich Nötscher, der Alttestamentier der katholischtheologischen
Fakultät in Bonn, hat sich durch seine zahlreichen
und gediegenen Arbeiten auf dem Gebiete der alttesta-
mentlichen Wissenschaft sowie der Orientalistik, insbesondere
der Assyriologie, einen Namen gemacht weit hinaus über den
Bereich der katholischen Theologie. So war es nur sachgemäß,
daß sich ein ziemlich großer Kreis von Gelehrten, von Alt-
testamentlern, naturgemäß vorwiegend katholischen Alttesta-
mentlern, und Orientalisten, zusammenfand, um ihn zu seinem
60. Geburtstag in der üblichen Weise mit einer Festschrift zu
ehren. Der Inhalt dieser Festschrift umfaßt ein weites Feld
entsprechend dem weiten Horizont der wissenschaftlichen Arbeit
des Jubilars und enthält neben einer Reihe kleinerer Beiträge
, wie sie in Festschriften nun einmal häufig vorkommen,
doch eine große Reihe inhaltlich sehr gewichtiger Artikel, so
daß die wissenschaftliche Forschung diese Festschrift sehr
wird beachten müssen. Im folgenden seien die Beiträge kurz
genannt und charakterisiert.

Um Textfragen des Alten Testaments geht es in dem
Beitrag von G.R.Driver, Problems of the Hebrew Text and
Language (S.46—61); in ihm werden Bemerkungen gemacht
zu Dtn.6, 7 ; 2. Sam. 13,16; 1. Kön. 22,40; Jes.9,6; 41,27; 44,3;
57,7/8; Ez.17,21; Hos.7,15; 8,4; 11,6; Zeph.2,4; Ps.18,6;
46,3; 51,15; 73,20; 78,57; 81,12; 91,4; 102,4; Prov.18,17;
Hi. 19,25/26; Esr.9,9, sowie zu syntaktischen Fragen wie der
Frage des Gebrauchs der not. acc. im Hebräischen und zu
Problemen des Dialekthebräischen. — Fr. Stummer, rQp| =

adpropinquant. Ein Beitrag zur Erklärung der Vulgata von
Dt. 33,3 b (S.265—270) führt eine seltsame Vulgata-Lesart auf
rabbinische Tradition zurück. — R.J.Tournay, Notules sur
les Psaumes (Psaumes XIX, 2—5; LXXI, 15—16) (S.271 bis

280), versteht -|p in Ps. 19,5a im Sinne von „Linie", „Schriftzeile
" und findet in der ganzen Verszeile den Gedanken der
„Himmelsschrift". Die Bemerkung Ps.7i, 15b hält er für eine
Glosse, die ursprünglich das unleserlich gewordene erste Wort
von V. 16 meinte. — H.Junker, Der Blutbräutigam. Eüie
textkritische und exegetische Studie zu Ex. 4,24—26 (S.120
bis 128) sucht dem vielbehandelten und schwierigen Textabschnitt
beizukommen, indem er dem massoretischen Text gegenüber
der Septuaginta den Vorzug gibt und nur im Anfang
von V. 26b -y^is bzw. tn^N statt zu lesen vorschlägt und

- t : t t : t

im übrigen vor gewagten Vermutungen über superstitiöse Hintergründe
dieser rätselhaften Szene warnt.

Um Auslegungsprobleme geht es in folgenden Beiträgen
: J.Fischer, Deutung und literarische Art von Gen.6,
1—4 (S.74—85), läßt unter den „Göttersöhnen" dieser Stelle
ursprünglich himmlische Wesen, Engel, vom Genesis-Redaktor
aber bereits die „frommen Sethiten" verstanden sein. —
J.Coppens, L'histoire matrimoniale d'Osee. Un nouvel essai
d'interpretation (S.38—45) versteht das ehebrecherische Wesen
des Weibes Hoseas im übertragenen Sinne als Götzendienern
und betont die Realität der symbolischen Handlung des
Propheten, bei der es sich in Hos. 1 und Hos. 3 um dieselbe
Frau handelt. — J. Ziegler, Die Hilfe Gottes „am Morgen"
(S.281—288), zieht zur Erklärung dieses wiederholt vorkommenden
Ausdrucks den Gedanken an den Sonnenaufgang als
Symbol für kommendes Heil, an das (gerechte) Rechtsprechen
am Morgen und an geschichtliche Erfahrungen einer „über
Nacht" erfolgten wunderbaren göttlichen Hilfe (Passah-Nacht,
Wunder am Meer, Errettung Jerusalems im Jahre 701) heran.
— H. Eising, Die Gottesoffenbarung bei Daniel im Rahmen
der alttestamentlichen Theophanien (S.62—73), bietet Erwägungen
zur Realität und Psychologie der Danielvisionen. —
V.Hamp, Zukunft und Jenseits im Buche Sirach (S.86—97),
findet im hebräischen Sirach noch keine Hoffnung auf Auferstehung
und jenseitige Vergeltung, Ansätze dazu erst in der
griechischen Sirach-Ubersetzung.

Mit einem überlief erungsgeschichtlichenThemabeschäftigt
sich V.Christian, Zur Herkunft des Purim-Festes
(S.33—37), indem er das Purim-Fest = „Fest der Lose" auf
die im Zweistromland geläufige Vorstellung von der Schicksalsbestimmung
am Neujahrsfest zurückführt und diesen Akt
mit einem alten Jahresmythus kombiniert sein läßt.—M. Noth,
Uberlieferungsgeschichtliches zur zweiten Hälfte des Josua-
buches (S. 152—167), setzt sich vor allem mit S.Mowinckels
Arbeit „Zur Frage nach dokumentarischen Quellen in Jos. 13
bis 19" auseinander.

Zur biblischen Altertumskunde gehört der Artikel von
A.Alt, Zelte und Hütten (S. 16—25), der auf Grund von assyrischen
und ägyptischen Kriegslagerdarstellungen — und das
dürfte dann auch für Syrien-Palästina und die Welt des Alten
Testaments gelten — die „Zelte" der biblischen Zeit als Spitzzelte
und die „Hütten" als im allgemeinen rechteckige Aufbauten
aus Matten werk bestimmt.

Dem Handschriftenfund vom Toten Meer ist gewidmet
der Beitrag von K. Schubert, Die Texte aus der Sektiererhöhle
bei Jericho (S.224—245), der den bis etwa Anfang
1950 erreichten Stand der Kenntnis darbietet. — P. Kahle
setzte sich auseinander mit „Ivan Engnell's Text och Tradition
(S. 129—136).

Einige Beiträge behandeln methodische Fragen.
A. Allgeier, Begriff und Wege der Biblischen Einleitung, Geschichtliche
Erwägungen zu einem theologischen Gespräch
(S. 1—15), befürwortet eine stärkere Betonung der Hermeneutik
und der Einführung in das biblische Denken im akademischen
Unterricht und macht reizvolle und interessante Mitteilungen
über den Freiburger Studienbetrieb gegen Ende des
18. Jahrhunderts. — A.Kolping, Inhalt und Form in dem Bericht
über Urständ und Erbsünde. Methodisch-dogmatische
Bemerkungen zu Gen. 2—3 (S. 137—151) stellt, in Anknüpfung
an J.Coppens, La Connaissance du Bien et du Mal et le Pöche
du Paradis, an Hand kirchlicher Lehrentscheidungen Erwägungen
über das mögliche Ausmaß der Anerkennung formalmythischer
Elemente im Verhältnis zum intendierten Gedankeninhalt
an. — J.Schildenberger, Die Bedeutung von Sir.
48,24f. für die Verfasserfrage von Is.40—66 (S. 188—204),
weist darauf hin, daß im Rahmen des biblischen „ganzheitlichen
Denkens" Deuterojesaja als ein Werk von jesajanischem
Gepräge angesehen werden konnte, zumal wahrscheinlich das
Jesajabuch im Exil von Deuterojesaja herausgegeben worden
ist.

Dazu kommen endlich noch einige orientalistische
Beiträge. Fr. Schmidtke, Die Urgeschichte der Welt im sumerischen
Mythus (S. 205—223), stellt das Material zusammen