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Ausgabe:

1952 Nr. 9

Spalte:

555-557

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

The Old Testament and modern study 1952

Rezensent:

Alt, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 9

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Liturgie der Engel, die wechselweise sind: der Kult der Kirche
hat darin sein Wesen, daß er Teilnahme an der Liturgie der
Engel ist, und andererseits wirken die Engel stets in den Kult
der Kirche hinein. Letzteres wird an Hand der sieben Sakramente
im einzelnen aufgezeigt und ersteres außer aus den genannten
Schriftstellen aus Analysen und Interpretationen altkirchlicher
Liturgietexte, besonders der alt-alexandrinischen
Markus-Liturgie (als ,,Traditionsbeweis") erhoben. So schöne
und tiefe Feststellungen hier im einzelnen auch getroffen werden
, die Art der Argumentation ist doch zu eigenwillig und
fremdartig, und es werden nicht eigentlich theologische Kriterien
für diese spekulativen und meditativen Aussagen sichtbar.

Ein wichtiger eschatologischer Beitrag ist der kleine
Aufsatz ,,Christus als Imperator", der urchristliche und altkirchliche
Beispiele dafür bringt, daß das regnum Christi auch
als imperium bezeichnet wird, der aber dann in der Interpretation
zeigt, daß dies doch nur uneigentlich, nur antithetisch
für die Zeit des eschatologischen Ringens des Reiches Christi
mit dem widerchristlich gewordenen weltlichen Imperium gilt,
während positiv, im Eigentlichen und Letzten, das Reich
Christi das wahre Königtum ist, das die jüdische und heidnische
Welt verloren hat. — Auch der Beitrag „Der Zeuge der
Wahrheit" ist wesentlich eschatologischen Inhaltes. Er entfaltet
in seinem ersten Teil eine Theologie des Märtyrers, der
man weithin nur sehr zustimmen kann (etwas anderes ist freilich
die Frage des Märtyrers als Objekt religiöser Verehrung,
auf die hier nicht eingegangen wird!). Der zweite Teil enthält
eine tiefe, theologisch sehr beachtenswerte Interpretation der
Kernaussagen der Johannes-Apokalypse über die Endoffenbarungen
(auf die Ausführungen zum Antichristen als eschatologischer
Gestalt S. 191—195 sei besonders hingewiesen). Es
wird nur nicht deutlich, wieso dies alles, wie immer wieder gesagt
wird, gerade „dem Märtyrer" offenbar wird.

Eine ausgesprochene Forschungsarbeit ist der Aufsatz
„Der Monotheismus als politisches Problem". Der Verfasser
geht der Wurzel des,.monarchia "-Begriffs von Aristoteles
und der peripatetischen Schule bis Philo nach und zeigt, wie
dieser seit den Apologeten als ein heterogenes Element in die
christliche Theologie hineinkam, um dort im weiteren Verlaufe
all die geschichtstheologischen „ Christus-Augustus-Ideologien''
mit ihrer Zusammenschau von Reich Christi und Imperium
Romanum hervorzubringen bis zu deren vollem Erblühen bei
Euseb, der die Gestalt Konstantins als Krönung des Ganzen
noch hineinzog. Nur angedeutet am Schluß, nicht mehr im
einzelnen ausgewertet, wird dann die wichtige Feststellung, daß
diese falsche politische Theologie im falschen „monarchischen"
Gottesbegriff begründet ist: bei ernstgenommenem trinitari-
schen Gottesbegriff zerfällt diese ganze Ideologie, und das völlig
andersartige Geschichtsbild Augustins wird bestimmend. Es
sei attf diesen wichtigen Aufsatz mit seiner Fülle von Material,
Interpretationen und Gesichtspunkten (auch für die Dogmengeschichte
; z.B. die politische Deutung des Arianismus) nachdrücklich
hingewiesen. Mir scheint, daß gerade an dem Gegenbild
noch weiter gearbeitet werden müßte, um seine Perspektiven
noch wirksamer herauszustellen.

Nur erwähnt sei zum Schluß der kleine, schöne Traktat
„Was ist der Mensch ?", der nach synoptischen Evangeliumsaussagen
mit wenigen Strichen eine tiefe, wichtige Wesens-
schau des Menschen vor dem Menschensohn und durch den
Menschensohn darbietet.

Dieser Band macht sehr nachdenklich, und er bereichert,
weil er mit einer Fülle von erhobenem Material, substantiellen
Interpretationen, erstaunlichen Perspektiven und gestellten
Fragen überall an theologisch Echtes rührt. Es wäre nicht gut,
wenn man sich nicht damit beschäftigen würde!

Neuendettelsau Ernst Kinder

ALTES TESTAMENT

Rowley, h. h.: The Old Testament and modern Study, a Generation of
Discovery and Research. Essays by members of the Society for Old Testament
Study ed. Oxford: Clarendon Press 1951. XXXII, 405 S. 8°. geb. 25 s.
Schon üi früheren Jahren ist die 1917 in England gegründete
Society for Old Testament Study wiederholt mit Gemeinschaftsarbeiten
aus dem Kreise ihrer Mitglieder hervorgetreten,
in denen große Problemkomplexe der Wissenschaft vom Alten
Testament vielseitig behandelt waren (ThePeople and the Book
1925; Record and Revelation 1938; Studies in Old Testament
Prophecy 1950). Dem neuen Band, um dessen Vorbereitung sich
der Herausgeber H. H. Rowley besondere Verdienste erworben
hat, ist eine etwas andere Aufgabe gestellt: er soll über die gesamte
Entwicklung dieser Wissenschaft in den letzten 30 Jahren
und über ihren gegenwärtigen Stand eine wenn nicht erschöpfende
, so doch alles Wesentliche umfassende Rechenschaft ab-"
legen. Für den Entschluß zurVeröf f entlichung eines solchen Werkes
gerade im jetzigen Augenblick gebührt der genannten Gesellschaft
ein ebenso lebhafter Dank wie den 12 Mitarbeitern
für die von ihnen gelieferten Beiträge. Denn infolge der immer
noch nicht ganz überwundenen langjährigen Unterbrechung
und Störung der internationalen Zusammenhänge auf diesem
Forschungsgebiet haben heute selbst von den Fachleuten im
engsten Sinn des Wortes wohl nur sehr wenige den vollen Uberblick
über die wissenschaftlichen Bestrebungen und Leistungen
ihrer Generation, der früher wie selbstverständlich von jedem
gefordert werden konnte, und vielen war zumal in den letzten
Jahren die mangelnde Unterrichtung über die Arbeiten anderer
an alten und neuen Problemen ein schweres Hindernis bei der
Verfolgung ihrer eigenen Ziele. Ihnen allen bietet sich nun das
vorliegende Werk als Nothelfer an, und jeder wird in üim nicht
nur vieles von dem finden, was er für seine besonderen Zwecke
braucht, sondern darüber hinaus noch vieles andere, was ihm
vielleicht in seiner Wichtigkeit für den organischen Auf- und
Ausbau der Disziplin noch gar nicht genügend zum Bewußtsein
gekommen war. Es darf daher mit Bestimmtheit erwartet
werden, daß von dieser, sehr sorgfältigen und gefälligen Darstellung
der verschiedenen Zweige der Wissenschaft vom Alten
Testament eine Fülle anregender Wirkungen auf die weitere
Forschung ausgehen wird.

Das Werk ist so angelegt, daß zunächst der Herausgeber H.H. Rowley
in einer Einleitung (S. XV—XXXI) die für die Arbeit der letzten Jahrzehnte
besonders bezeichnenden Fragestellungen und Zielsetzungen umreißt und daß
dann die unterdiesenGesichtspunkten vordringlichwichtigerscheinendenEinzelgebiete
je für sich von besonders kompetenten Fachleuten besprochen werden.
W. F. Albright behandelt das Alte Testament und die Archäologie Palästinas
(S. 1—26) und das Alte Testament und die Archäologie des Alten Orients (S. 27
bis 47), C. R. North die Pentateuchkritik (S. 48—83), N. H. Snaith die Geschichtsbücher
(S. 84—114), O. Eißfeldt die prophetische Literatur (S. 115 bis
161), A. R. Johnson die Psalmen (S. 162-209), W. Baumgartner die Weisheitsliteratur
(S. 210—237), D. W. Thomas die Textkritik des Alten Testaments
(S. 238—263), A. M. Honeyman die semitische Epigraphik und die
hebräische Philologie (S. 264—282), G. W. Anderson die hebräische Religion
(S. 283—310), N. W. Porteous die Theologie des Alten Testaments (S.311-
345), und T. H. Robinson gibt abschließend (S. 346—370) einen Ausblick auf
das Alte Testament und die moderne Welt. Mehr oder weniger eingehende
Literaturhinweise oder auch Bibliographien sind den einzelnen Abschnitten
beigegeben; Indizes der behandelten Gegenstände (S. 371—385), der zitierten
Autoren (S. 386—393), der besprochenen Stellen des Alten Testaments
(S. 393—404) und der erörterten semitischen Wörter und Ausdrücke (S. 404 bis
405) helfen den Inhalt des Werkes erschließen.

Eine nähere Charakterisierung der einzelnen Beiträge ist
hier nicht möglich und wohl auch nicht nötig. Daß jeder von
ihnen sein besonderes Gepräge hat, erklärt sich nicht nur aus
der Individualität der Bearbeiter, sondern auch aus der Eigenart
der behandelten Gebiete und der Forschungen, die ihnen im
Lauf des letzten Menschenalters gewidmet worden sind, zur Genüge
und verleiht dem Werk eine Lebendigkeit und Plastik, die
gewiß nicht erreicht worden wäre, wenn sich die Verfasser an
ein streng einheitliches Schema der Berichterstattung gebunden
hätten und nichts von ihrem persönlichen Urteil über die Dinge
in die Darstellung hätten einfließen lassen. Demgegenüber hat
es meines Erachtens wenig zu besagen, daß wahrscheinlich jeder
sachkundige Leser Einzelheiten zu nennen wüßte, die nach
seiner Meinung noch hätten erwähnt oder entgehender oder sogar
in anderem Sinn hätten erörtert werden sollen, und andere,
von denen er glaubt, daß sie ohne Schaden hätten weggelassen
werden können. Ich verzichte hier daher mit Bedacht auf die
Anführung von Beispielen dieser Art; manches von ihnen wird
gewiß hi der weiteren fachmännischen Diskussion noch zu Worte
kommen. Dagegen darf und muß auch an dieser Stelle die Frage
aufgeworfen werden, ob in dem Gesamtbild, das sich aus den
einzelnen Beiträgen des vorliegenden Werkes ergibt, tatsächlich
alle konstitutiven Elemente der gegenwärtigen wissenschaftlichen
Arbeit am Alten Testament entsprechend ihrer
Bedeutung für das Ganze berücksichtigt sind oder ob in dieser
Hinsicht nicht doch gewisse Lücken von größerem Ausmaß
bleiben, die man bedauern muß. Zwei solche Desiderate glaube
ich hier aussprechen zu sollen.

Das erste betrifft die Rechtsbücher des Alten Testaments
und das Rechtsweseu im Volke Israel überhaupt. Denn von jenen
ist zwar in dem Beitrag über die Pentateuchkritik die Rede,
aber eben nur soweit, wie die Fragestellungen der Pentateuchkritik
alten Stiles auf sie Anwendung finden können und gefunden
haben; die neueren Untersuchungen hingegen, die bewußt
über den fertigen literarischen Bestand der Rechtsbücher hinausgreifen
und seine Wurzeln im vorliterarischen gelebten Leben
des israelitischen Rechts bloßlegen wollen, werden dort
ausdrücklich (S. 56, Anm. 1) von der Darstellung ausgeschlos-