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1952 Nr. 1

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 1

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Gutzwiller, Richard: Herr der Herrscher. Christus in der Geheimen
Offenbarung. Einsiedeln, Zürich, Köln: Benziger [1951]. 254 S. 8".
sfr./DM 13.80.

Seiner Darstellung des Christusbildes des Matthäus-
evangeliuins (Jesus der Messias [1949]; vgl. dazu ThLZ 1950,
jP- 9. .551 f.) läßt der Verf. hier ein entsprechendes Buch über
die Apokalypse folgen. Ebenso wie dort wird auch hier die
Aufgabe im Rahmen einer Erklärung des ganzen Buches zu
lösen gesucht. Da aber im Gegensatz zum Matthäusevangelium
die Absicht der Apokalypse nicht auf eine Christusschilderung
geht, sondern darauf, zu sagen, „was ist und was danach geschehen
wird", um in schwerer Verfolgungszeit die Christengemeinden
ihrer Zeit mit Zuversicht auf den Endsieg des am
Kreuz gestorbenen Erlösers zu erfüllen und sie so zum standhaften
Ausharren in aller noch so großen Bedrängnis, die zu
erwarten ist, anzufeuern, so ist das eine etwas gezwungene
Kombination. Freilich steht hinter allem die Gestalt des verklärten
siegreichen Gekreuzigten, der in dem Gemälde des
5. Kapitels von der Ermächtigung des geschlachteten Lammes,
das zugleich der Löwe aus Juda ist, zur Öffnung des siebenfach
versiegelten Buches als der kosmische Testamentsvollstrecker
geschildert wird und dieses Amt in dem triumphalen
letzten Siebenerkreis der Visionen (19, n—22, 5) abschließend
durchführt. Aber im Grunde läßt sich der christologische Gehalt
der Apokalypse in dem einen Satz zusammenfassen, daß
das zum Throne Gottes erhobene Lamm der wachsame Herr
semer Gemeinde, zugleich aber der Herr der Geschichte ist
und sich als solcher in Endgericht und Endvollendung erweisen
wird. Zu diesem Ergebnis kommt auch Gutzwiller, der
selbst, wenn er jeweils am Schluß der einzelnen größeren Abschnitte
deren christologischen Gehalt zusammenfaßt, immer
wieder feststellen muß, daß darin von Christus kaum die Rede
•St und ihnen großenteils nur indirekt Aussagen über ihn zu
entnehmen sind.

, Die meisten Leser werden zu dem Werk G.s wohl greifen'
weil sie darin Hilfen zu einem genaueren Verständnis des
großen Rätselbuches suchen werden. Aber die Nachdenklichen
unter ihnen werden sich schwerlich sonderlich befriedigt finden.
*^enn die Auslegung, die mit Einschluß einer vollständigen
Libersetzung und mit Einschluß von 35 Seiten christologischer
Zusammenfassungen nur etwa 160 bedruckte Seiten umfaßt,
Kann nur sehr summarisch sein. Sie läßt viele Fragen unbeantwortet
oder der Verf. begnügt sich mit beweislos hingestellten
Behauptungen. — Der Verf. rühmt mit Recht, daß
die Apokalypse ein ungemein sorgsam durchdachtes literarisches
Kunstwerk sei, wie das besonders in dem durch
Siebenerzyklen von Visionen bestimmten Aufbau zu erkennen
ist. Aber die auffällige Störung dieses Aufbaus durch Kap. 7
und 10—ii, ij bleibt unerwähnt und unerklärt. — Es ist nicht
erkannt, daß die sieben Visionen vom Antichrist in Kap. 12—14
eine mächtig überragende Gruppe bilden, bei der, eben weil
es sich um die Mittelgruppe des ganzen Buches handelt, die
'etzte Schauung sich noch einmal in sieben kleine Einzelbilder
zerlegt, mit dem Menschensohn als Mittelpunkt. Der Verf. hat
sich dadurch verleiten lassen, den großen Komplex in zwei
unorganische Gruppen zu zerlegen. Dafür muß er dann, um
«en Siebenerrhythmus wiederherzustellen, die 6. Gruppe (der
rall Babels 17—19, 10) und die siebte (die Vollendung 19,
11 22, 5) ebenso unorganisch und künstlich zu einer Gruppe
zusammenfassen. — Die Ehizelauslegung hält sich im allgemeinen
von der unglücklichen Deutung der Einzelbilder auf
diesen oder jenen Vorgang der Weltgeschichte fern und hebt
mit Recht hervor, daß es sich bei den symbolischen Bildern
ljni Kräfte handelt, die in mancherlei Wandlungen im Lauf
^er Geschichte immer wieder auftreten. Aber das 1000jährige
^eich glaubt G. doch mit der Zeit der Kirchengeschichte
gleichsetzen zu sollen. Etwas kühn, will uns scheinen, wenn
inan bedenkt, wie in 20, 4 dieses Reich charakterisiert ist! —
°ei dem 12. Kapitel hat der Verf., obwohl er zunächst völlig

ichtig in dem Sonnenweib die messianische Heilsgemeinde
symbolisiert findet und die vulgärkatholische Deutung auf
^'aria als undurchführbar ablehnt, doch der Versuchung nicht
widerstehen können, dieser auf ekklesiologischen Umwegen
aoch wieder die Tür zu öffnen. — Ebenso hat er zu 13, 18,

rotz der wahrscheinlich richtigen Deutung der Zahl 666 auf
T-aiser Nero zugleich doch der gerade auch in der katholischen
-uslegung verbreiteten Neigung zu spielerischer Zahlen-
ueiitung eine Konzession gemacht: „Satan trägt die Zahl 666,

• u. ein Anlauf zum Vollkommenen, mit einem dreimaligen

ersagen, also dreimal eine 7—1. Damit ist die satanische
daR gezeichnet". — Offenen Sinnes erkennt der Verf. an,

au zu den Bausteinen der Apokalypse auch allerlei Elemente
antiken Astralmythologie gehören. Aber er scheint das

doch nicht ernst genug zu nehmen. Denn sonst könnte er z. B.
nicht ohne jede Rechtfertigung behaupten, die 24 Ältesten in
4, 4 meinten die 12 Stämme des Alten Testaments und die
12 Apostel des Neuen. — Zuversichtlich, aber ohne Beweis,
wird die Stelle vom weißen Stein mit dem neuen Namen auf
die Taufe bezogen (2, 17). Dasselbe gilt von der Versiegelung
in Kap. 7. — Zuversichtlich, aber ohne Begründung wird behauptet
, die beiden Zeugen in 11, 3 meinten die Märtyrer und
Bekenner der christlichen Kirche. Aber die weiteren Aussagen
des Kapitels schließen diese Bedeutung aus. — Bei der merkwürdigen
Stelle über „dein Weib Jezabel" 2, 20 (der Verf.
folgt freilich der Lesart „das Weib Jezabel", aber ohne sich
darüber auszulassen) bleibt der Leser ohne jede Auskunft und
wird mit einer unbefriedigenden Umdeutuiig abgespeist. — In
22, 18 stimmen Text und Auslegung nicht überein, da die
Ubersetzung mit der meist befolgten Lesart von „den Plagen"
redet, die in diesem Buche aufgezeichnet sind, die Auslegung
aber mit einer anderen, freilich auch von nicht wenigen Handschriften
vertretenen Lesart vielmehr von „den sieben" letzten
Plagen der Apokalypse, wobei das „letzten" ein willkürlicher
Zusatz ist, der die Frage erübrigen soll, welche von den vielen
in der Apokalypse angedrohten Plagen denn gemeint seien.
Diese Beispiele mögen genügen.

Nach alledem wird man urteilen müssen, daß die Auslegung
nicht nur infolge ihres allzu summarischen Charakters
den Leser sehr oft im Stich läßt, sondern daß sie doch auch
weithin der Sorgfalt ermangelt, auf die der Leser eines solchen
Buches Anspruch hat. Das gilt gerade von einem Buche, das
sich an weitere Kreise wendet, die selbst keine Möglichkeit
kritischer Lektüre und Nachprüfung haben. Schade. Denn der
Verf. ist ein gewandter Schriftsteller und seine Kenntnisse
würden ihm die Möglichkeit einer viel höheren Leistung geben.

Die buchtechnische Ausstattung des',Werkes ist vorzüglich
.

Erlangen H.Strathmann

Cambier, j., Dr.: Eschatologie ou Hellenisme dans l'Epitre aux He-

breux. Une Etüde sur fiiveiv et l'exhortation finale de l'epltre. Bruges-
Paris: Desclee.de Brouwer, Louvain: Nauwelaerts o. J. 39 S. gr. 8° = Ana-
lecta Lovaniensia Biblica et Orientalia Ser. II Fase. 12.

Heyder, Gebhard M., P., O. C. D.: Paulus-Synopse. Die Briefe des Apostels
Paulus in deutscher Sprache. Regensburg: Habbel o. J. 296 S. u. 16 S. m.
1 Kt. kl. 8°. HLw. DM6.80.

Lagrange, Marie-Josephe, o. P.: Das Evangelium von Jesus Christus.

Ins Deutsche übertr. u. eingel. von Prof. Dr. Otto KulJ.^Heidelberg: Kerle
1949. XX, 758 S. 8°. Lw. DM 15.—.

Maury, Piene: Jesus Christus, der Unbekannte, übers, v. Laure Wyss.
Zollikon-Zürich: Evang. Verl. 1949. 110 S. 8°.

Michl, Johann, Dr.: Freiheit und Bindung. Eine zeitgemäße Frage im
Lichte des Neuen Testamentes. München: Pfeiffer 1950. 32 S. 8°. Kart.
DM 1.—.

[Paulus:] Die Briefe des Apostels Paulus an die Christengemeinden in
Rom, Ephesus, Philipp!, Kolossae für die Gegenwart neu übers, v. Dr.
Richard u. Dr. Julius Stahn. Berlin: Evang. Haupt-Bibelgesellschaft
[1949]. (Lizenzausgabe der von Cansteinschen Bibelanstalt.) 85 S. gr. 8°.

Spemann, Franz: Der Menschensohn und Seine Verborgenheit. Witten
: Bundes-Verlag [1949J. 29 S. 8° = Schriftzeugnisse 7. Folge.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Eggenberger, Christian, d. theol.: Die Quellen der politischen Ethik
des 1. Klemensbriefes. Zürich: Zwingli-Verlag 1951. 212 S. 8°. Kart.

sfr. 11.—.

Die trümmerhafte Uberlieferung der urkirchlichen Literatur
fordert immer wieder einmal zu phantastischen Experimenten
heraus. Diesmal gilt es dem ersten Klemensbrief. Er
ist, hören wir, in Wirklichkeit kern erster Klemensbrief, son*-
dem schon der zweite (und der zweite dementsprechend der
dritte) und wurde erst zu Beginn der hadrianischen Ära von
einem literarisch sehr gebildeten, aber skrupellosen Christen
der römischen Gemeinde fabriziert. Der ursprüngliche Brief
wurde in der Folgezeit von ihm gänzlich verdrängt und ging
verloren. Der Hauptzweck der Fälschung war, eine „getarnte
Apologie" zu liefern, die den kaiserlichen Hofbeamten „in die
Hände gespielt werden sollte", um dadurch den Beweis der
vollendeten christlichen Staats- und Kaisertreue zu liefern und
für die Kirche gut Wetter zu schaffen.