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1952 Nr. 8

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Theologische Arbeit in Mikrokopie

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 8

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THEOLOGISCHE ARBEIT IN MIKROKOPIE

In ThLZ 1951/7 war über den Versuch berichtet worden, auf dem
Wege über die Mikrokopie einen Ausweg aus den Schwierigkeiten bei der
Publikation theologischer Monographien zu finden. Wie bekannt, liegt die erste
Liste der mikrokopierten Werke jetzt vor. Die ThLZ beginnt, ihrer damaligen
Ankündigung entsprechend, jetzt mit dem Abdruck von Selbstanzeigen der
Verfasser. Es wird den Lesern der ThLZ sicher erwünscht sein, auf diese Weise
einen Überblick über den Inhalt der, vorläufig nur für wenige benutzbaren,
mikrokopierten Werke zu erhalten. Ein Exemplar der Mikrokopien ist jeweils
bei der Schriftleitung der ThLZ hinterlegt.

Bergmann, Gerhard: Das Problem der Gerechtigkeit. Dargestellt und

untersucht bei Hermann Kutter und Emil Brunner. 1951. 608 S. Mikrokopie
DM 36,50.

Bei der Beschäftigung mit Hermann Kutter kam es darauf an, ihn aus
seiner Zeit zu verstehen und seine Ansichten und Anliegen aus seinen vielen
Werken herauszuarbeiten und systematisch zu ordnen. Wenn man weiß, wie
wenig K- auf eine systematische Darstellung seiner Oedanken Wert legte, wird
man ermessen können, daß es kein leichtes Unternehmen war, K. dennoch in
möglichster Klarheit zu bringen. K. schrieb nämlich viele seiner Bücher und
Reden in einer geradezu feuerflüssigen Leidenschaft. Er verfolgte lediglich
zweierlei: die damalige Gesellschaft und Christenheit vor dem 1. Weltkrieg
anzuklagen und dadurch aufzurütteln, ferner den überall aufkommenden und
unaufhaltsam wachsenden Sozialismus zu verteidigen. Mehr noch. Nicht nur
zu verteidigen, sondern durch ihn anzugreifen. Dies tat er in solch massiver,
savonarolischer Weise, daß an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigblieb.
So hören wir beispielsweise aus seinem Munde: ,,Sie (die Kirche) ist eine Räuberhöhle
und ein Kaufhaus geworden.... Die Christenheit mordet... .Unser
ganzes Lohnsystem ist ein Mordsystem... .Die Hochfinanz regiert alles...."
Die Pfarrer bezeichnete er als „blinde Blindenleiter". Von der „christlichen Gesellschaft
" sagt er: „Die Heuchelei ist ihre vollendete Leistung geworden....
Liebeswerke in Hülle und Fülle, aber ohne Liebe.... Stark in den Worten,
schwach im Geist: das ist der moderne Protestantismus." Den christlichen
Glauben seiner Zeitgenossen bezeichnet er als „die Lüge unter dem Deckmantel
der Wahrheit." Die Schuld der Christenheit sieht er in ihrem „Kapitalistischen
Produktionssystem", das er als ein „verruchtes" brandmarkt.
Darum ruft er über die verlogene christliche Gesellschaft in einem wilden
Feuereifer für die Gerechtigkeit den summarischen Satz aus: „Sie dient nicht
Gott, sondern dem Mammon."

Die Arbeit zeigt in ihrem weiteren Verlauf, daß K- in seinem Kampf
gegen jedes tätige „Christentum", das der Ungerechtigkeit Vorschub leistet,
wie auch gegen jedes träge Lehnstuhlchristentum keineswegs bei Anklage und
Angriff stehen bleibt, sondern wie er sich daran macht, nun auch den Ausweg
aus der himmelschreienden „Ungerechtigkeit" seiner Zeit zu zeigen. Und der
wäre? K. sagt: „Soll der Mammon fallen, dann muß das heutige Privateigentum
fallen."

Um zum besseren Verständnis Kutters zu gelangen, beschäftigt sich die
obige Arbeit auch mit Kutter als dem Philosophen. An philosophischen Werken
schrieb er z.B. „Plato und wir", „Das Unmittelbare", „Im Anfang war die
Tat. Versuch einer Orientierung in der Philosophie Kants", „über das Problem
des Unbedingten." Die Untersuchung seiner philosophischen Werke ergab
, daß K. von dorther zu einer idealistischen und idealisierten Bewertung
der Sozialdemokraten und des Menschen überhaupt gelangte.

In einer recht umfangreichen Stellungnahme wird seine Geschichtsphilosophie
, seine Zeit- und Daseinsanalyse, besonders aber seine Anthropologie
kritisch untersucht. Wenn auch die Ergebnisse dazu zwingen, K- im wesentlichen
abzulehnen, so bleibt doch sein unanfechtbar großes Verdienst, ein Rufer
zur sozialen Gerechtigkeit und ein Wecker der Gewissen gewesen zu sein. Auch
sein großer Einfluß auf Karl Barth, Emil Brunner, Günther Dehn, Eduard
Thurneysen, Paul Tillich u.a. macht offenkundig, daß er nicht vergeblich seine
Stimme erhoben hat. Sein Ruf wurde wirklich gehört.

Der 2. Hauptteil der Arbeit zeigt dies durch seine Beschäftigung mit
Emil Brunner. Der Meisterschüler Brunner stellt das Thema Gerechtigkeit auf
eine viel breitere und solidere Grundlage.

Im systematischen Teil setzt sich die Arbeit mit Brunners Anschauungen
über das Naturrecht auseinander.

In dem praktischen Teil beschäftigt sie sich mit B.s Anschauungen vom
gerechten Staat, gerechten Recht, der gerechten Wirtschaft und Völkerordnung
. Was die Ansichten über die Staatsform und -Verfassung betrifft, so
muß festgestellt werden, daß sich für B. aus seinen Werken nicht unerhebliche
Verschiedenheiten und Handlungen ergeben.

Zum Schluß wird in einem Ausblick nach den unserem Geschlecht gestellten
Gerechtigkeitsaufgaben gefragt.

Buchrucker, Armin-Ernst: Das evangelische deutsche Abendmahlslied
Von Luther bis zur Gegenwart. 1951. 462 S. Mikrokopie DM 27,80;
Ergänzungsband: Materialsammlung 960 S. Mikrokopie DM 57,60.

Bei allen Darstellungen der Abendmahlstheologie der Reformatoren,
der Orthodoxie, des Pietismus, des Rationalismus und aller Dogmatiker bis
zur Gegenwart ist in den meisten Fällen ein Moment so gut wie gar nicht berücksichtigt
, das mit den Fragen charakterisiert wird: Wie haben die Gemeinden
über das Abendmahl gedacht? Wie war die Stellung der Gemeinden
in allem Streit um die Eucharistie? Wie hat man den Kommunikanten
die Abendmahlslehre vorgelegt?

Über die Ansicht der Dogmatiker vom Abendmahl unterrichtet man sich
in ihren Werken und Abhandlungen, über die Ansicht des „Volkes" vom
Abendmahl aber im Kommunionslied. Das sangen die Gemeinden, und das
mußten sie verstehen. Dort hatten erstarrte Formulierungen keinen Platz.

Der Verf. versucht in seiner zweibändigen Arbeit (der 2. Band enthält
Quellenmaterial) die Abendmahlstheologie aus dem Kirchenlied heraus zu verstehen
, das Abendmahl im Lichte des Kirchenliedes zu sehen. Es handelt sich
also um eine theologische Studie, die sich nicht auf die Theorie der Dogmatiker
, sondern auf die Praxis der Gemeinden und damit auf das Werk ihrer
Dichter stützt.

Im Abendmahlslied wird nach dem Gedankengut Luthers, Calvins,
Zwingiis u. dgl. gesucht, das dann mit den Worten der Theologen und kirchl.
Bekenntnisse belegt wird, oder die Unterschiede werden aufgezeigt. Das Musikalische
findet keine Berücksichtigung, weil nur drei Gesichtspunkte den Inhalt
der Arbeit bestimmen:

a) der theologiegeschichtliche (dogmengeschichtliche, dogmatische) Gesichtspunkt
,

b) der liturgiegeschichtliche Gesichtspunkt,

c) der hymnologische Gesichtspunkt.

Der Verf. glaubt die evgl. Kommunionsgesänge bis zu 95°/o erfaßt und verarbeitet
zu haben.

In 5 großen Abschnitten werden die Abendmahlslieder der Reformation,
der Orthodoxie, des Pietismus, der Aufklärung und der Restauration mit
Gegenwart behandelt. Getrennt berücksichtigt sind stets Lutheraner, Reformierte
, Böhmisch-Mährische Brüder (später Herrnhuter) und andere Besonderheiten
jeder Epoche. An jeden Abschnitt schließt sich eine hymnologisch-
liturgische Betrachtung an, die den Bestand an Abendmahlsliedern in den Gesangbüchern
und die tatsächliche Verwendung der Abendmahlslieder im
Gottesdienst erforscht.

In der vorliegenden, erstmalig von dieser Seite angefaßten Studie über
das Sakrament des Altars ist eine Ergänzung der Forschung über die evgl.
Abendmahlstheologie versucht, die bislang der Theologie gefehlt hat.

Der 5. Abschnitt mit der Überschrift: „Das Leben des Christen im Glauben
und in der Liebe" enthält die ethischen Probleme. Luther erneuert den
grundlegenden Gedanken der Ethik Jesu, daß nur der gute Baum gute Früchte
bringen könne. Von hier aus führt er den Kampf gegen die Werkgerechtigkeit
seiner Tage. Der neue Mensch ist durch den Geist im Glauben mit Gott vereint.
Durch diesen Geist aber ist zugleich die organische Verbindung zwischen Religion
und Sittlichkeit hergestellt. Es handelt sich bei Luther um die Ethik der
frommen Gesinnung, die auf dem Christuserleben basiert. Hier in diesem neuen
Leben gibt es wahre Freiheit zum Guten und kein Gesetz. Die Seele freilich,
die mit den irdischen Dingen verflochten ist, braucht noch das Oesetz. Demut,
Dankbarkeit und Gehorsam sind die Grundtugenden des Frommen, der in
Gottes Kriegsdienst steht. Das Hauptgebot bleibt die Gottes- und Nächstenliebe
, die sich in Opferbereitschaft erweist und in der Feindesliebe gipfelt. An
diesem hohen Maßstab wird das Verhalten der Stände gemessen. Der Verkehr
des Christen mit seinem Gott ist von allen gesetzlichen Bindungen befreit. Damit
ist aber der neue Kirchenbegriff gegeben. Nur als Regulativ hat das Gesetz
für den Frommen noch Bedeutung. Auch Luthers neue Berufsethik, die die
Arbeit des Alltags adelt, ist bereits da. Dagegen sind die Gedanken über das
Verhältnis von Kirche und Staat noch nicht voll ausgebildet.

Im Gedanken der Prädestination, die der 6. Abschnitt behandelt, gelangt
die Rechtfertigungslehre zu ihrem Abschluß. Durch die conformitas Christi, die
Luther von Staupitz übernommen hat, wird der göttlichen Gnadenwahl der
Stachel genommen, daß sie für den Frommen zu einem Fels des Heils wird.
Schon jetzt hat der Reformator Heilsgewißheit gelehrt.

Im letzten Kapitel, das von der Vollendung des Christen handelt, kommt
Luthers Eschatologie zur Sprache. Da er Transzendentalist ist, legt er sich bei
seinen Äußerungen über die letzten Dinge große Zurückhaltung auf. Das Wesen
der christlichen Hoffnung besteht ja eben darin, daß sie wider allen Augenschein
allein auf den unsichtbaren Gott vertraut. Allerdings entnimmt Luther
der hl. Schrift Aussagen über das Jenseits.