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Ausgabe:

1952

Spalte:

36

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Erich

Titel/Untertitel:

Das Markusevangelium 1952

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 1

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der durch einen Gottesdienst der Gesamtgemeinde abgeschlossen
wird (4, 12—5, 11). In 1, 3—12 sieht Pr. den die Feier
eröffnenden Gebetspsalm, dem eine belehrende Rede (didaxri)
über den heiligen Wandel in der Gemeinde folgt (1, 13—21).
Zwischen 1,21 und 22 sei dann der Taufakt zu denken, der aus
Gründen der Arkandisziplin nicht geschildert sei, aber an dem
Perfectum ryvixozeg 1, 22 noch einen erkennbaren Hinweis
habe (vgl. 1, 23; 2, 2). 1, 22—2/5 sei ein kurzes Taufvotum, das
zur Bruderliebe gegenüber den neuen Glaubensgenossen
mahnt, 2, 1—10 ein Festlied (V/ivog), 2, 11—3, 12 Paränese
eines weiteren Predigers, 3, 13—4, 7 a eine Offenbarungsrede
{a7toxäAvy>ig) mit einem eingeflochtenen Christuslied, 4, 7 b—11
briefgemäßer Ersatz des Schlußgebetes, ausklingend in eine
Doxologie. Die Verse von 4, 12 an wenden sich im Unterschied
zum bisherigen dann an die Gesamtgemeinde. Dabei sei 4, 12
bis 19 eine eschatologische Offenbarungsrede, 5, 1—9 eine
Mahnrede, die wegen ihrer Stilähnlichkeit wohl voii demselben
Redner wie 2, 11—3, 12 stamme, 5, lof. Segensspruch und
Schlußdoxologie. Mit Eingangs- (1,1 f.) und Schlußgruß versehen
, sei die ganze Aufzeichnung an die Gemeinden Kleinasiens
gesandt worden.

Man wird zugeben, daß die Hypothese auf Beobachtungen
am Text ruht und geistvoll bisherige Mängel zu überwinden
sucht. Aber von vornherein beeinträchtigt die Künstlichkeit
derselben ihre Überzeugungskraft. Es ist richtig, daß mehrfach
sehr nah hinter unsern ntl Schreiben ein mündlicher Logos
steht und wir haben uns mit dem Gedanken vertraut gemacht,
daß unsere ntl Briefe allenfalls aus Zusammenarbeit entstanden
sind, doch wird sich die hier angenommene Aufgliederung
des 1. Petr. in eine ganze Anzahl kleiner Redestücke kaum
durch objektive Gründe erhärten lassen. Schon der Ansatzpunkt
der Hypothese, die Auswertung des Perfektums r/yvi-
xöreg (1, 22) gegenüber dem Imperativ von 1, 15, überzeugt
nicht recht. Der Ausdruck 1, 22 rag yv%ag v/icüv rjyvixöreg evrfi
vxaxorj rf/g är)&dag scheint jedenfalls nicht auf einen unmittelbar
vorangegangenen sakramentalen Akt, sondern auf die im
Christenleben bewährte Heiligung zu deuten. Sollte wirklich
die Taufhandlung unmittelbar vorangegangen sein, so würde
man einerseits eher eine passive Wendung, andererseits etwa
einen Ausdruck wie Xovtq(o jtaliyyeveolag oder derg. stattvjtaxoi]
äArj&eiäg erwarten, daß imperativisches äywi yEvr{hyz£ 1, 15
und indikativisches fiyvixdreg 1, 22 nebeneinander stehen, ist
aus Paulus geläufig und rechtfertigt kaum die weitgehenden
Folgerungen, die Pr. daran anknüpft.

Im 1. Joh. tritt Pr. den Analysen von Dobschütz, Bultmann
und Windisch bei (Annahme einer durch homiletische
Ausführungen eines Späteren erweiterten Grundschrift) und
führt sie literarkritisch noch weiter. Neben der Grundschrift,
die der Gattung der Offenbarungsrede angehöre, arbeitet er
eine zweite Textvorlage heraus, die ganz die urchristliche Endhoffnung
und Terminologie vertritt — wie sie sich sonst im
Brief nicht findet — und die deshalb älter sei. Pr. rechnet dieser
Vorlage in der Hauptsache die Verse 2, 28; 3, 1—3; 13L
19—21; 4, 17,5, 18b—20a zu. Daß er seine Hypothese mit
zahlreichen Beobachtungen am Text unterbauen'kann, spricht
zu ihren Gunsten, wenn natürlich auch hier die grundsätzliche
Frage bleibt, ob man aus gewissen Unstimmigkeiten alsbald
auf verschiedene Verf. schließen darf.

Beim Jak. stimmt Pr. den Darlegungen Schammbergers
(Die Einheitlichkeit des Jak., 1930), welcher in dem Schreiben
Abwehr gnostischer Meinungen annimmt, zu, erhebt aber wohl
mit Recht mehrfach im einzelnen Einspruch gegen antignosti-
sche Ausdeutung mehrerer Stellen (z.B. 1,4.23; 2,140.;
5, 14). In der Literaturangabe (S. 150) erwähnt Pr. auch den
Versuch von G. Hartmann (Z. f. kath. Theol., 66, (1942),
63—70), der, angeregt durch A. Meyer, den Aufbau des
Schreibens mit Hilfe der allegorischen Namendeutung erklären
will, dabei aber zu einer ganz anderen Lösung als jener kommt.
Da auch sie nicht recht überzeugt, unterbleiben wohl mit
Recht Einzelhinweise. Bei einigen viel umstrittenen Stellen
gibt Pr. unter Hinweis auf die Literatur neue Ubersetzungen
zur Erwägung, so zu 1. Petr. 3, 21 avveiör/aecog dya&rjg ijtEQiurri/ia
die von B. Reicke philologisch ausführlich begründete „Gelöbnis
eines guten Willens gegenüber Gott" und die zu 2. Petr.
3, 10 — wohl weniger überzeugende — ,,was darinnen ist, wird
als Chaosmasse [ägyog = unbearbeitet] erfunden werden". So
bietet die Neubearbeitung auf knappem Raum eine Menge
Ergänzungen und Anregungen zu neuem Erwägen der nicht
wenigen Probleme, die gerade die Katholischen Briefe dem
Ausleger stellen.

Erlangen Fr. Hauck

Klostermann, Erich, Prof. D. Dr.: DasMarkusevangelium erki. 4., erg.

Aufl. Tübingen: Mohr 1950. IV, 180 S. gr. 8° = Handbuch zum Neuen
Testament, begr. v. H. Lietzmann, in Verb. m. Fachgenossen hrsg. v. Günther
Bornkamm, Bd. 3. DM9.20, geb. DM 11.—.

Bei der Neuauflage bewährter Lehr- oder Handbücher gibt
es, will man sich nicht auf einen unveränderten Nachdruck beschränken
, grundsätzlich nur zwei Methoden: entweder man
bearbeitet den gesamten Text neu und bringt ihn so vollständig
auf den gegenwärtigen Stand der Forschung, oder man
fügt dem anastatisch gedruckten Text einen Anhang bei, der
den Leser instand setzt, die gegenwärtige Forschungslage
kennenzulernen und etwaige Fehler zu korrigieren. Bei den
seit Kriegsende erschienenen Neuausgaben des Lietzmann -
sehen Handbuchs ist der zweite Weg gewählt worden, um ein
rascheres Erscheinen der Neuauflage zu ermöglichen und die
Kosten zu beschränken. Im vorliegenden Falle konnte die Ergänzung
vom Verf. selber vorgenommen werden.

Es kann dieser Neuauflage gegenüber daher nicht darum
gehen, die Vorzüge oder Nachteile des bekannten Kommentars
herauszustellen. Daß der heutige Benutzer einer Neuauflage
außer der Belehrung über die exegetischen Probleme und die
wissenschaftliche Diskussion wenigstens ein kurzes Eingehen
auf die theologischen Probleme erwartet, darf immerhin nicht
verschwiegen werden. Zu fragen bleibt vielmehr, ob die Neuauflage
den Zweck erfüllt, dem Leser eine ausreichende Einführung
in die heutige Problemlage zu geben. Der Verf. hat
dem anastatisch gedruckten Text gelegentlich kleine Zusätze
eingefügt, die das Satzbild nicht verändern und ganz gelegentlich
sachliche Ändemngen, in der Regel nur textkritische Ergänzungen
betreffen. Am Schluß sind vier Seiten-Anhang hinzugefügt
, in denen der Leser auf die seit der 3. Auflage von
1936 erschienene Literatur oder auf neue Gesichtspunkte aufmerksam
gemacht werden soll. Dieser Nachtrag kann aber
nur als völlig unzureichend bezeichnet werden. Da der Verf..
wie das Vorwort besagt, sich in bibliographischen Fragen
schwedischer Hilfe erfreuen durfte, mußte ihm wenigstens die
wichtigste ausländische Literatur bekannt sein, und darüber
hinaus mußte wenigstens die deutsche Literatur einigermaßen
vollständig nachgetragen werden. Das ist aber keineswegs der
Fall, und auch die verwertete Literatur (etwa M. Black, An
Aramaic Approach to the Gospels and Acts, 1946) ist nur sehr
sporadisch eingefügt worden, und die Zitatfehler der 3. Auflage
sind nicht verbessert.

Als Beweis für diese Behauptung seien nur die Nachträge zum 1. Kapitel
des Markusevangeliums hier nachgeprüft. S. 2 wird Blaß-Debrunner noch
in 6. Auflage zitiert (7. Aufl. 1943). S. 177 zu S. 4 (euangelion) fehlt R. Asting,
Die Verkündigung des Wortes im Urchristentum, 1938, 300ff. — S. 177 zu
S. 6 (Johannes) müßte noch genannt sein: M. Goguel, Jean Baptiste, 1928;
J.Thomas, Le mouvement baptiste en Palestine et Syrie, 1935, dazu die
Literatur zur Taufe im Urchristentum (s. Th. Rdsch. 1950, 32ff.). — Zu S. 8
(Taufe Jesu) müßte ergänzt werden: D. Plooij, Amicitiae Corolla, 1933,
239ff. und T. Arvedson, Mysterium Christi, 1937, 123ff. — Zu Mark. 1, 13
wäre zu nennen gewesen: E. Lohmeyer, ZSyTh 1937, 619ff. und E. Fascher,
Jesus und der Satan, 1949. — Zu Mark. 1, 15 fehlt die ganze neuere Diskussion
über den Sinn der Predigt Jesu von der „Nähe" der Gottesherrschaft. — S. 177
zu S. 17 fehlt: O. Pereis, Die Wunderüberlieferung der Synoptiker in ihrem
Verhältnis zur Wortüberlieferung, 1934 ;Th. Wörterb. III, 194 ff.; A. Richard -
son, The Miracle-Stories of the Oospels, 1941. — S. 177 zu Mark. 1, 27 müßte
auf die Diskussion über e^ovaia hingewiesen sein: Th. Wörterb. II, 559ff.;
Starr, Harv. Theol. Rev. 1930, 302ff.; Daube, Journ. Theol. Stud. 1938,
45ff. — S. 117 zu S. 22 wären zu erwähnen: Branscomb, Journ. Bibl. Lit.
1934, 53ff. und Gealy, Journ. Rel. 1938, 51 ff. — S. 25 zu Am ha'araez dürften
nicht fehlen: Joa. Jeremias, ZNW 30, 293ff. und besonders R.Meyer,
Judaica 1947, 169ff. — S. 26 wäre zu den Pharisäern nachzutragen gewesen:
L. Baeck, Die Pharisäer, 1927 und Joa. Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu
II B, 1929/37, U6ff.

Leider finden sich in den wenigen Seiten des Anhangs auch noch übermäßig
viele Druckfehler: S. 177, Z. 3 lies „Hauses" statt „Hasses"; Z. 7 lies
„S. 7" statt „S. 6"; Z. 8 ließ fiov statt fiv; Z. 14 streiche * hinter „noch";
Z. 21 lies 1,2 statt lu und „Drei" statt „Zwei"; der Satz zu S. 20 ist ein An-
akoluth. S. 178 Z. 8 v. u. lies xai tois statt xa roiiis. S. 179 Z. 23 lies „a. E."
statt „a. «." und in der letzten Zeile fraßßovvä statt t,aßßovvei. S. 180 Z. 6
und 9 lies „Resch Lakisch" statt „Rasch Lekisch". Zu S. 146f. hätte Joa.
Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu (21949) nicht mehr in 1. Aufl. zitiert
werden dürfen.

So kann diese Neuauflage nur als unzureichend bezeichnet
werden. Es wäre besser gewesen, einen unveränderten Neudruck
herauszugeben, statt in dem Leser den falschen Eindruck
emer Neubearbeitung zu erwecken.

Mainz Werner Georg Kümmel